Arbeitsgruppe von CDU und CSU will Prostitutionsregulierungsgesetz

Fraktion legte am Dienstag Eckpunktepapier vor

Ein ganz kleiner Lichtblick: Die Christdemokraten wollen kein Verbot der Prostitution mehr. So betont der stellvertretende Unionsfraktionschef Thomas Strobl (CDU): „Ein Verbot funktioniert nicht. Dann wird das Dunkelfeld noch größer.“ Eine nicht zu erwartende Einsicht aus der rechten Ecke des Bundestages. Das war’s dann aber auch schon, ganz schnell geht das Licht wieder aus und es wird Schwarz … . Am Dienstag, den 08.04.2014 hat die Arbeitsgruppe „Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag nämlich einen Beschluss vorgelegt, in welchem MaĂźnahmen fĂĽr ein geplantes Prostitutionsregulierungsgesetz aufgefĂĽhrt sind. Damit wolle man offiziell Zwangsprostitution und Menschenhandel erheblich erschweren.

Gucken wir uns das Papier einmal an. Da tauchen dann folgende (teils altbekannte) 17 Regelungsinhalte auf:

  • Erlaubnispflicht: Prostitutionsstätten mĂĽssen ordnungsbehördlich genehmigt sein
  • Betretungs- und Kontrollrechte von Ordnungsbehörden und Polizei
  • Anmeldepflicht fĂĽr Prostituierte (beinhaltet Krankenversicherungspflicht)
  • verbindliche Standards fĂĽr Prostitutionsstätten
  • ZuverlässigkeitsprĂĽfung fĂĽr Bordellbetreiber
  • Kondompflicht
  • Pflichtuntersuchungen durch das Gesundheitsamt, die nicht nur der medizinischen Vorsorge dienen, sondern Prostituierten, die in einer Zwangslage sind, auch eine niedrigschwellige Kontaktaufnahme zu helfenden Behörden oder Organisationen ermöglicht
  • Sozial- und Beratungsangebote fĂĽr Prostituierte stärken
  • das Mindestalter fĂĽr die AusĂĽbung von legaler Prostitution auf 21 Jahre erhöhen.
  • Verbot menschenunwĂĽrdiger Geschäftsmodelle in der Prostitution wie z.B. Flat-Rates, Gang Bang und Rape-Gang-Bang-Veranstaltungen
  • Anzeigepflicht der Bordellbetreiber/ Wohnungsvermieter bei Verdacht auf Zwang, Beeinflussung, Zuhälterei oder Menschenhandel zum Nachteil dort tätiger Prostituierten
  • Präzisierung der Befugnisse des Bordellbetreibers nach § 3 ProstG -Jegliches Weisungsrecht gegenĂĽber Prostituierten betreffend die Art und Weise ihrer Sexualkontakte ist unzulässig.
  • Begrenzung Mietpreis von Arbeitszimmern – Wucherverbot
  • strafrechtlich sicherstellen, dass die Verurteilung wegen Ausbeutung der Prostituierten nach objektiven Tatbestandsmerkmalen, d.h. unabhängig von der Aussage des Opfers, erfolgen kann. Das StrafmaĂź fĂĽr Menschenhandel zum Zweck der Zwangsprostitution muss verschärft werden.
  • Freierbestrafung bei wissen- und willentlicher Inanspruchnahme von Zwangsprostituierten.
  • sicherer Aufenthalt in Deutschland fĂĽr Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution aus Drittstaaten, wenn sie im Strafverfahren mitwirken.
  • Zuhälterei als Katalogtat fĂĽr § 100a II Nr. 1 StPO (TelefonĂĽberwachung)

Einzig sinnvolle Punkte sind jene zum Mietpreis (obwohl Wucher bereits gesetzlich geregelt ist), zur Stärkung der Sozial- und Beratungsangebote fĂĽr Prostituierte (hier ist aber zu erwarten, dass dies eine lehre Versprechung bleibt, siehe Fall Kober [z.B. hier oder hier]) und zur Aufenthaltsgenehmigung von Opfern aus Nicht-EU-Staaten (allerdings erinnern wir uns, dass bis dato immer die CDU selbst eine solche Gesetzesanpassung verhindert hatte).

Die restlichen Punkte fĂĽhren weniger zu einer besseren Arbeits- und Lebensgrundlage der Sexarbeiter/innen als mehr zum ursprĂĽnglichen Ziel der Christdemokraten: Einer mittel-/langfristigen ZurĂĽckdrängung der freien Prostitution durch Schikane, Stigmatisierung, uneingeschränkte Ăśberwachung/Kontrolle und Personendatenspeicherung. Zum Thema Datensammlung erkennt auch die frauenpolitische Sprecherin der GrĂĽnen, Gesine Agena: „Die Forderung der Union nach Gesundheitsuntersuchungen fĂĽr Prostituierte klingen eher nach Repression und Datensammlung, statt das Wohl der Frauen in den Mittelpunkt zu stellen“, wie sie von taz.de zitiert wird.

Einen interessanten Kommentar gibt es auch auf dem relativ neuen Blog „voice4sexworkers“. Im Beitrag „Sexarbeiter Wars: Episode II – Angriff der GroKo-Krieger“ schreibt „Fraences aus Frankfurt“ wie verlogen und absurd sie die Behauptungen finde, dass das Prostitutionsregulierungsgesetz angeblich zum Wohle und Schutz der Prostituierten angedacht sei.

Apropsos Behauptungen. Hier ein paar aktuelle und unterträgliche Aussagen (unerträglich, weil unsinnig, unlogisch, falsch, unbewiesen, phrasenhaft, pathetisch …) fĂĽhrender Politiker:

– Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD), (Quelle: Focus) :

„Das Schlimme an der Prostitution in Deutschland ist, dass sie ohne Regeln abläuft und dass brutale Ausbeutung und Gewalt verbreitet sind“

„Für jede Pommes-Bude gelten in Deutschland strengere Auflagen als für Bordelle.“

– Nadine Schön (CDU-Bundestagsabgeordnete und Stellvertretende Fraktionsvorsitzende) sagte auf der Pressekonferenz:

„Denn derzeit ist es einfacher ein Bordell zu eröffnen als eine Pommesbude“

„Wir haben derzeit eine Restlage, die 2001 mit der Liberalisierung des Prostitutionsgesetzes unter Rot/GrĂĽn geschaffen wurde. Man wollte damals eigentlich die Prostituierten besser stellen. Fakt ist aber, dass sich seitdem die Situation dramatisch entwickelt hat. Deutschland ist zum Bordell Europas geworden. Es sind menschenunwĂĽrdige Geschäftsmodelle entstanden, wie etwa die Flatrate-Bordelle und gleichzeitig haben Zwangsprostitution, Menschenhandel und Schwere Begleitkriminalität zugenommen.“

„Dazu wollen wir regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen einfĂĽhren, einfach um einen direkten Kontakt zu den Prostituierten zu bekommen“.

„SchlieĂźlich wollen wir das Mindestalter auf 21 Jahre hochsetzen, weil es sich hier um besonders junge Frauen, vor allem aus Osteuropäischen Ländern handelt, die oft die Sprache nicht können und die wir durch dieses Mindestalter besser schĂĽtzen wollen.“

„Wir wollen ein ganzes Paket schnĂĽren, um den schlimmen Zuständen, die es in Deutschland gibt, Einhalt zu gebieten.“

Wie man sieht, taucht in einem Gros der Berichterstattung das total abgedroschene und bescheuerte Pommesbuden-Gleichnis auf. Da muss man jetzt nichts mehr zu sagen …

Zu einer Aussage will ich aber doch noch einen Kommentar geben. So schreibt die Rhein-Zeitung auf ihrem Onlineportal:

„In Deutschland geht man davon aus, dass 65 bis 80 Prozent der geschätzten insgesamt 400 000 Prostituierten aus Rumänien und Bulgarien stammen.“

65 bis 80 Prozent von 400.000 sind 260.000 bis 320.000 Frauen. Damit lässt sich rechnen. Laut Wikipedia leben rund 7.365.000 Menschen in Bulgarien und 20.122.000 Menschen in Rumänien

Gucken wir uns nur mal Rumänien an, dann erfahren wir folgendes:

Laut Pressemitteilung des Nationalen Instituts für Statistik vom 4. Juli 2013 leben in Rumänien rund 10,33 Mio (51,4 %) Frauen. Gehen wir dann davon aus, dass sich Frauen ab einem bestimmten Alter nicht mehr unbedingt prostituieren, dann fallen schon mal etliche tausend Frauen weg. Anteilig an der Gesamtbevölkerung liegt die Zahl der 15- bis 64-jährigen Personen nämlich bei 68 Prozent. Warum man hier Kategorien 0-14 Jahre (15,9 %), 15-24 Jahre (12,3 %), 25-64 (55,7 %) sowie 65+ einführte ist etwas komisch, vor allem, weil man so nicht die Zahl der Volljährigen Personen erkennen kann. Ebensowenig wurde hier noch einmal detailliert in männlich und weiblich differenziert. Somit kann man nur grob schätzen, wie viele Frauen zwischen 15 und 64 in Rumänien leben. Ich komme zumindest schon einmal auf etwa 7 Millionen. Die Altersgruppe 15 bis 24 käme auf eine Zahl von rund 1.271.000. Davon müsste man dann noch ein paar 10.000 abziehen um die 15-, 16- und 17-Jährigen rauszurechnen.

Andererseits: In den schwammigen in Umlauf befindlichen Schätzungen heiĂźt es ja auch immer, die verschleppten Osteuropäerinnen sind meist zwischen 17 und 25 Jahre alt und einer ethnischen Minderheit (häufig Roma) angehörig. Dann greifen wir das doch mal auf …

In Rumänien leben circa 622.000 Roma. Geht man nun davon aus, dass auch hier der Frauenanteil bei rund 50 Prozent liegt und die statistische Altersstruktur ähnlich jener der Gesamtbevölkerung ist, dann leben in Rumänien etwa 38.000 15- bis 25-jährige Roma-Frauen.

Schauen wir noch einmal zum Anfang. Da heißt es ja, 260.000 bis 320.000 Prostituierte aus Bulgarien und Rumänien. Wo bitte sollen die denn alle her kommen? das wäre ja eine komplette Völkerwanderung inklusive der Tatsache, dass sich 2 bis 3 Prozent der geschlechtsreifen weiblichen Bevölkerung prostituiert.

Ja, die Rechnung hinkt vorne und hinten, aber klar sollte damit schon sein, dass die obige Behauptung nichts mit der Realität zu tun hat.

rmv

Nachtrag (11.04.2014): Hier noch die Antwort des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen zum Prostitutionsregulierungsgesetz.

Nachtrag (28.07.2015): Die Stellungnahme des BesD ist nur noch in einem Panel des BMFSFJ (siehe hier) zu finden.

Nach oben scrollen