BSD e.V. zur Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes

Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes veröffentlicht – BSD e. V. liefert klare Kritik und praxisnahe Forderungen

Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KfN) hat im Auftrag der Bundesregierung die lang erwartete Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) vorgelegt. Die neue Bundesfamilienministerin Frau Prien veröffentlichte den umfangreichen Bericht nun vollständig.

Die Studie gilt als umfassendste Analyse zur Umsetzung und Wirkung des 2017 in Kraft getretenen Gesetzes. Befragt wurden 2.350 Sexarbeiter_innen, 3.400 Kund_innen, 280 Betreiber_innen von Prostitutionsstätten sowie rund 800 Behördenmitarbeitende. Darüber hinaus wurden qualitative Interviews, Fokusgruppen, eine Medienanalyse sowie zwei wissenschaftliche Begleitstudien (zur Freiwilligkeit in der Sexarbeit und zu baurechtlichen Aspekten) eingebunden.

Der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen e.V. begleitete die Evaluation mit einer eigenen Informationskampagne unter dem Motto „Redet mit uns“. Dabei stellt der Verband den Ergebnissen aus der Studie die Erfahrungen aus der Praxis gegenüber – direkt aus der Sexarbeits-Community und von Betreiber_innen. Gleichzeitig wurden politische Forderungen zur Verbesserung des Gesetzes formuliert. Mehr Informationen dazu sind unter www.redet-mit-uns.de abrufbar.

Kritik an Kontrollpflichten

Besonders kritisch bewertet wird die Pflicht zu regelmäßigen gesundheitlichen Beratungen (halb- oder jährlich) sowie zur behördlichen Registrierung (jährlich bzw. alle zwei Jahre). Diese Maßnahmen werden von vielen Sexarbeitenden als stigmatisierend und ineffektiv empfunden.

So äußert sich etwa Anna, die seit 15 Jahren in der Sexarbeit tätig ist:
„Ich arbeite schon seit 15 Jahren in der Sexarbeit. Was soll diese permanente Kontrolle? Glaubt der Gesetzgeber, dass Sexarbeiter*innen sich im Laufe der Berufsjahre nicht fortentwickeln und professionalisiert haben? Für mich ist die Kontrolle entmündigend.“

Auch Eve, ebenfalls Sexarbeiterin, ergänzt:
„Würde es nicht reichen, dass wir einmal zur Behörde gehen? Das schließt doch nicht aus, dass eine Kollegin sich trotzdem bei einer Behörde meldet, wenn sie Infos oder auch Unterstützung braucht. Das wäre dann allerdings auf freiwilliger Basis. Diese Pflicht ist unerträglich.“

Einheitsregeln trotz Vielfalt

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die einheitlichen Vorgaben für Prostitutionsstätten. Trotz der großen Vielfalt – vom kleinen Wohnungsbordell bis zum großen Club – gelten für alle dieselben Mindestanforderungen und baurechtlichen Auflagen.

Bordellbetreiber Heinz beschreibt die Situation so:
„Ich führe mein Wohnungsbordell mit 3 Arbeitszimmern nun schon seit 25 Jahren. Wir sind den Behörden bekannt; es gab nie Beschwerden. Nun sollen wir schließen, weil wir keine Baunutzungsgenehmigung bekommen. Da müsste es entsprechende Ausnahmeregelungen geben für Häuser, die schon vor dem ProstSchG bestanden.“

Forderung nach faktenbasierter Politik

Der BSD begrüßt, dass die Evaluation breit angelegt wurde – sie bietet die Chance, gängige Vorurteile und Mythen über Sexarbeit endlich durch wissenschaftliche Fakten zu ersetzen. Auf dieser Grundlage kann eine sachliche Diskussion beginnen, die zu notwendigen Reformen des ProstSchG und angrenzender Rechtsbereiche (z.B. Baurecht, Strafgesetzbuch, Einkommensteuergesetz) führen muss.

Der Verband fordert, dass nun ressortübergreifend in den Bundesministerien für Familie, Justiz, Inneres, Arbeit, Gesundheit, Finanzen, Bauen und Digitales ein Reformprozess eingeleitet wird – unter Einbeziehung derjenigen, die täglich betroffen sind: Sexarbeiter_innen und Betreiber_innen.

Die Evaluation des ProstSchG liefert wichtige Impulse für eine realitätsnahe und menschenwürdige Regulierung von Sexarbeit. Sie verdient Aufmerksamkeit – und sollte zur Grundlage einer faktenbasierten, inklusiven Gesetzesreform werden.

Zur vollständigen Evaluation:

Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes auf der Website des BMFSFJ

Quelle: Pressemitteilung BSD e.V.

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