Darf ich in Mecklenburg-Vorpommern als Sexworker_in arbeiten?

Schweriner SchloĂź

Diese Frage wird uns zur Zeit täglich mehrfach gestellt. Viele Sexworker_innen warten darauf, wieder offiziell arbeiten zu dürfen.

Die Antwort darauf ist nicht eindeutig und rechtsicher geklärt. Hier meine nicht anwaltliche laienhafte Einschätzung: 

In Mecklenburg-Vorpommern steht in der Verordnung aktuell (11.06.2020) in der Fassung vom 08.05.2020 unter §2 (4)

„Bars, Diskotheken, Schankwirtschaften im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 des Gaststättengesetzes sind fĂĽr den Publikumsverkehr geschlossen. Gleiches gilt fĂĽr Theater, Opern, Konzerthäuser, Clubs und ähnliche Einrichtungen, Messen, Ausstellungen, Kinos, Freizeitparks und Anbieter von Indoor-Freizeitaktivitäten, Indoor-Spielplätze, Schwimm- und SpaĂźbäder, Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen, Spezialmärkte, Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnliche Einrichtungen, Prostitutionsgewerbe, Bordelle und ähnliche Einrichtungen. …“

Also Prostitutionsstätten, Modellwohnungen, Puffs, Eroscenter oder Saunaclubs und ähnliches müssen geschlossen sein. So eindeutig und auch nachvollziehbar.

Der Begriff „Prostitutionsgewerbe“ könnte nun auch so verstanden werden, dass der oder die Prostituierte an sich nicht arbeiten darf. Was zu Beginn der Pandemie auch sicher sinnvoll war. Hier gibt es allerdings eine Begriffsproblematik.

Jeder setzt, auch umgangssprachlich, das (Rotlicht)-Gewerbe mit der Sexworker_in gleich. So sagt man ja, das es das älteste Gewerbe der Welt ist.

Nun steht aber auf der Seite des Wirtschaftsministeriums von Mecklenburg-Vorpommern unter https://www.regierung-mv.de/... unter dem Tab Allgemeines folgendes:

„Was gilt als erlaubnispflichtiges Prostitutionsgewerbe?

Ein Prostitutionsgewerbe ist das gewerbsmäßige Anbieten von Leistungen im Zusammenhang mit der Erbringung sexueller Dienstleistungen durch mindestens eine andere Person oder das Bereitstellen von Räumlichkeiten für diesen Zweck durch

  • das Betreiben einer Prostitutionsstätte,
  • das Bereitstellen eines Prostitutionsfahrzeugs,
  • das Organisieren oder DurchfĂĽhren einer Prostitutionsveranstaltung oder
  • das Betreiben einer Prostitutionsvermittlung.

Die höchstpersönliche sexuelle Dienstleistung der Prostituierten ist kein Prostitutionsgewerbe.

Den letzten Satz verstehe ich nun so, dass die Sexworker_in eben kein Prostitutionsgewerbe ist, also schon ihre Dienstleistung anbieten kann. Nur nicht in einer Modellwohnung oder anderen Prostitutionsstätte. Haus & Hotel mĂĽsste also erlaubt sein. 

Auch kann eine Sexworker_in kein Gewerbe anmelden, sondern hat nur eine Steuernummer beim Finanzamt plus natĂĽrlich den sogenannten Hurenpass.

In der Zeit, wo es eine Einreisebeschränkung für Mecklenburg-Vorpommern und eine enger gefasste Kontaktsperre gab, war es klar. Wer keinen Wohnsitz in Mecklenburg-Vorpommern hat, kann hier nicht arbeiten und auch die immer gerne genannten 1,50 m wären ein Hindernis. Diese Einschränkungen sind nun allerdings schon einige Zeit gelockert.

Nun ergibt sich allerdings eine Rechtsunsicherheit fĂĽr die Sexworker, die sich stark negativ auf die oder den einzelnen auswirken kann.

So kristallisierte sich in Gesprächen mit Polizei, Gewerbeamt und dem Pressesprecher des Sozialministeriums sowie dem Ministerium für Gleichstellung heraus, das dort die Meinung vertreten wird: Prostitution ist gänzlich verboten. Der Begriff Prostitutionsgewerbe sei hier weiter zu fassen.

Sinngemäß wird dies damit begrĂĽndet, man interpretiere den Wortlaut so, wie es der Verordnungsgeber ja möglicherweise gemeint haben könnte. Und auch die Kontaktsperre scheint hier strenger ausgelegt zu werden, als bei dem „NormalbĂĽrger“.

Ob man nun als Behörde Gesetzestexte frei interpretieren kann, weiß ich nicht.

Zumindest ist man sich im Ministerium für Gleichstellung der Problematik bewusst und versucht dieses mit dem Wirtschaftsministerium und dem Innenministerium zu klären.

Da die vom Wirtschaftsminister Harry Glawe vorgeschlagenen Lockerungen am Dienstag abgelehnt wurden, ist aber unklar, in wie weit es bald eine gewisse Rechtssicherheit fĂĽr die einzelnen Sexdienstleister gibt. Ob es, wie in Niedersachsen auf „Haus und Hotel ist erlaubt“ heraus läuft, ist unklar.

Mecklenburg-Vorpommern beobachtet hier die anderen Bundesländer und deren Vorgehen und es ist zu befürchten, dass im Falle der Rotlichtbranche eben nicht nach der infektionellen Situation, sondern nach politisch motivierten Kriterien gehandelt wird.

Argumente, wie erhöhte Infektionsgefahr, funktionieren nur bedingt. Da diese bei anderen bereits gelockerten körpernahen Dienstleistungen genauso hoch oder genauso niedrig sind. Und möglicher Weise haben Friseure oder Anbieter medizinischer Massagen in der Summe mehr Kunden als die doch recht überschaubare Anzahl an Sexdienstleister_innen in Mecklenburg-Vorpommern.

Kritisch zu sehen, ist die pauschale Unzuverlässigkeitserklärung einiger Bundesländer und auch Gerichte den Betreibern und den Sexdienstleistern gegenĂĽber, wenn es um das Thema Kontaktverfolgerung oder Einhaltung von Hygienekonzepten oder Hygienestandards geht.  

Hier scheint nicht bekannt zu sein, das während der Beantragung einer Konzession zum Betrieb einer Prostitutionsstätte die Zuverlässigkeit des Betreibers überprüft wird. Auch gibt es seit dem Prostituiertenschutzgesetz Hygienepläne und Konzepte, die der Betreiber einhalten muss.

Die anfangs gestellte Frage, kann also zum jetzigen Zeitpunkt nicht rechtssicher beantwortet werden.

Liest man den Verordnungstext so wie er geschrieben ist, mĂĽsste die Antworten lauten: Ja, Haus und Hotel ist in Mecklenburg-Vorpommern erlaubt.

Interpretiert man den Text frei, besteht eine hohe Rechtsunsicherheit für Sexworker. Jederzeit kann hier Polizei oder Gewerbe- und Ordnungsämter Ordnungswidrigkeitsverfahren anstrengen, gegen die sich die Sexworker_in wehren muss.

Eine ähnliche Problematik gibt es in Brandenburg, wobei hier eindeutig nur Prostitutionsstätten erwähnt werden.

Nachtrag: Die Verordnung in der aktuellen Fassung mit einer GĂĽltigkeit vom 13.06.hat an der Formulierung nichts geändert.

Die Dauer ist festgelegt auf: „(2) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des 10. August 2020 außer Kraft.“

Thomas von Rotlicht.de

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