„Emma“ und die Dämonisierung der Prostitution

Wie das Frauenmagazin mit Desinformation über 200 Prominente für sich vereinnahmt

Klappe die ***te könnte es heißen, wäre das prestigeträchtige Aufbegehren der Emma-Redaktion gegen das Rotlichtgewerbe eine Filmproduktion. Leider nur wird trotz stets neuer Aufnahme der Film nicht besser. Eher gefährlicher! Verstößt die Emma-Redaktion doch bei ihrem aktuellen Aufruf zu einer Gesetzesänderung des ProstG gegen den allgemeinen medienrechtlichen Grundsatz zur publizistischen Sorgfaltspflicht. Die „Emma“ um Herausgeberin Alice Schwarzer ist so in ihrem Kampf gegen Prostitution verstrickt, dass sie dafür gar eine Art Lügengebäude erschafft. Erinnern wir uns nur mal an Schwarzers Aussage anlässlich der Pädophilie-Debatte, wonach sie Parallelen zwischen der Forderung der Entkriminalisierung der Prostitution und einer Liberalisierung der Pädosexualität sehe. Die daraufhin folgende Kritik an Schwarzer, hat sich wohl leider aber nicht in den Köpfen festgesetzt.

Im aktuellen „Appell gegen Prostitution“ hat das Feministinnen-Magazin bislang über 200 Prominente Unterzeichner gefunden. Für sich allein betrachtet ist der Kampf gegen Ausbeutung und Menschenhandel zwar mehr als löblich und notwendig. Der Weg, welchen die Emma dabei einschreitet, ist es hingegen nicht – ist er insbesondere gezeichnet von tiefster Sexualfeindlichkeit. Zudem lautet eine formulierte Forderung: „Ächtung und, wenn nötig, auch Bestrafung der Freier; also der Frauenkäufer, ohne die dieser Menschenmarkt nicht existieren würde.“ Genauer noch strebe man „Maßnahmen, die kurzfristig zur Eindämmung und langfristig zur Abschaffung des Systems Prostitution führen“, an. Mit der für Freier gebrauchten Bezeichnung „Frauenkäufer“ wird jene Sexualfeindlichkeit mindestens noch einmal verdeutlicht. Aber mehr dazu an anderer Stelle.

Das Lügengebäude der „Emma“

Wie bekannt bestreitet das Blatt rigoros die Existenz von sich freiwillig Prostituierenden. Das unterstreicht sie nun noch wortwörtlich mit der Gleichsetzung von Sexarbeit und Sklaverei (so auch mit dem Wort „Menschenmarkt). Weiterhin heißt es:

„Weltweit sind Frauenhandel und Prostitution, beides untrennbar miteinander verbunden, heute neben dem Waffen- und Drogenhandel das Geschäft mit den höchsten Profitraten (über 1.000 Prozent).“

Genau das ist aber ein Mythos: Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und Prostitution sind eben nicht untrennbar miteinander verbunden! Was die Emma hier will, ist eine lückenlose Stigmatisierung der Sexarbeiterinnen. Desweiteren verstören diese angebliche Profitraten von über 1.000 Prozent. Auf welcher statistischen Grundlage fußt denn dieser Wert bitteschön? Ich bezeichne das jetzt mal als LÜGE NR.1.

LÜGE NR. 2 und 3 folgen in nur einem einzigen Satz:

„Die Reform des Prostitutionsgesetzes 2002, die angeblich den geschätzt 700.000 Frauen (Mittelwert) in der Prostitution nutzen sollte, trägt die Handschrift der Frauenhändler und ihrer LobbyistInnen.“

700.000 Prostituierte??? Im Blogbeitrag „Wie viele Prostituierte gibt es eigentlich in Deutschland?“ hatte ich ja mal einige Zahlen gegenübergestellt, wonach die weit verbreitete Annahme von 400.000 Frauen als völlig überzogen anzusehen ist. Aber auch Beratungsstellen und der neu gegründete “Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen” gehen nur noch von etwa der Hälfte aus. Woher kommt denn nun der „Mittelwert“ von 700.000? Hier wird ganz klar und mit voller Absicht Desinformation betrieben! Dass die Reform des Prostitutionsgesetzes die Handschrift der Frauenhändler und ihrer LobbyistInnen trage, ist genauso abwegig. Ähnlich strukturierte Behauptungen kennt man aus Kreisen der Verschwörungstheoretiker. Bei der Emma hat man wohl arge Defizite, kausale Zusammenhänge zu erkennen.

LÜGE NR. 4:

„Selbst die Minderheit deutschstämmiger Prostituierter, oft schon als Kinder Opfer sexueller Gewalt, landet zu über 90 Prozent in der Altersarmut.“

Schon einmal habe ich versucht, den herumgeisternden, angeblichen Zusammenhang zwischen der Arbeit als SexarbeiterIn und dem Erleiden von sexueller Gewalt in der Kindheit, zu ergründen (siehe hier). Hintergrund scheint, obwohl nie zitiert, eine US-Amerikanische Studie aus dem Jahr 2003 zu sein, für die weltweit 854 Prostituierte befragt wurden – in Deutschland waren es nur 54, wobei die Mehrzahl dieser ehemalige Beschaffungsprostituierte (Prostitution um Drogenkonsum zu finanzieren) waren. Da die daher erlangten Erkenntnisse in keinster Weise als repräsentativ angesehen werden können, ist eine Ableitung auf das gesamten Gewerbe mehr als fraglich, wenn nicht sogar fahrlässig verleumderisch.

Ähnliches gilt für die Behauptung bezüglich der Altersarmut. Da es keine gesicherten Zahlen gibt, wie viele SexdienstleisterInnen in Deutschland arbeiten, kann man ohne Umschweife sagen, dass die angegebenen 90 % rein willkürlich und schlicht erfunden sind.

5. LÜGE:

„Das System Prostitution brutalisiert das Begehren und verletzt die Menschenwürde von Männern und Frauen – auch die der sogenannt „freiwilligen“ Prostituierten.“

Im Rotlichtgewerbe gibt es nicht mehr (aber auch nicht weniger) Kriminalität als in anderen Gewerbebereichen auch. Zumindest gibt es für Gegenteiliges keine evidenten Zahlen. Diese Behauptungen werden nur gerne von einigen politischen Fraktionen, medienaffinen Polizeikommissaren oder eben verkappten Emanzen in die Welt gesetzt – wohl gemerkt: stets ohne beweiskräftige Zahlen. Gern gebrauchte Ausrede: Die Polizei hätte nur unzureichende Befugnisse bzw. keine Kontroll- oder Eingriffsmöglichkeiten.

Oder was ist mit Prostitution „brutalisiert das Begehren“ gemeint? Noch dazu beansprucht die Emma hier für sich das alleinige Recht, Menschenwürde zu definieren und zu vergeben. Was ist mit der Würde von Freiern? Denn auch wenn man es nicht haben will …: Freier sind kein einheitlicher Menschenschlag, Freier sind nicht von Grund auf böse, das Wort Freier ist kein Synonym für Trieb- bzw. Gewalttäter!

Was ist mit der Würde der Prostituierten? Zur Erinnerung: gerade hat sich in Köln der „Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen“ gegründet. Dieser „verfolgt das Ziel, die Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern zu verbessern. Er möchte über die unterschiedlichen Aspekte von Prostitution informieren und gegenüber Politik, Medien und Öffentlichkeit ein realistisches Bild der Sexarbeit vermitteln. Damit will er der Diskriminierung und Kriminalisierung von Menschen in der Sexarbeit entgegen wirken.“

Ich weiß nicht, ob sich die Unterzeichner und Emma-Unterstützer eingehend mit der Thematik auseinander gesetzt haben und welche Meinung diese im Einzelnen vertreten. Jedenfalls bleibt nur zu hoffen, das sie nur unglücklicherweise der Emma-Propaganda aufgesessen sind.

Einzige sinnvolle Forderung der Petition ist:

„Prävention in Deutschland und in den Herkunftsländern, sowie Hilfen zum Ausstieg für Frauen in der Prostitution. Und Schutz vor Abschiebung von Zeuginnen sowie deren Aufenthaltsrecht.“

Nur da sind sie bei der CDU/CSU leider völlig falsch. Denn in der Vergangenheit dazu eingereichte Gesetzesvorschläge der Oppositionsparteien wurden immer gnadenlos abgeschmettert. Und um diese Farce noch zu steigern, erinnern wir uns nur mal an die aktuelle Lage der Dortmunder Beratungsstelle Kober. Hier wird einer effektiven Präventionsarbeit ein Riegel vorgeschoben indem die Stadt einfach den Geldhahn zudreht.

Fazit: Würde Emma einen Film drehen und wäre sie selbst eine personifizierte Figur darin, dann wäre Meister Geppetto stolz auf seinen kleinen Jungen. Emma alias Pinocchio, wäre kaum noch zu unterscheiden von einer richtigen Zeitung – nur, dass die Lügennase hier leider nicht von jedermann zu sehen ist.

rmv

Nachtrag (30.10.2013): Heute ist die Liste der Unterzeichner des Emma-Appells (Prominente als auch nicht prominente Persönlichkeiten) auf rund 800 angestiegen! Und das in nur wenigen Tagen. Vergleicht man dazu die um ein weiteres sinnvollere und seriösere Petition „Frankfurter Erklärung: Rechte und Respekt für Sexarbeiter/innen!“ – diese läuft bereits seit Mai dieses Jahres – dann stellt sich totale Ernüchterung ein. Dem Aufruf von Doña Carmen e.V. sind bisher nur 1098 Personen gefolgt (dieser endet bereits in 25 Tagen) – benötigt werden hier allerdings mindestens 10.000 Stimmen. Traurig ist es immer wieder, wie viele Menschen (ja, auch deren intellektuelle Vertreter) doch allzu leicht billigem Populismus und Tendenzjournalismus (Emma) aufsitzen.

Zum lesen: „Appell FÜR Prostitution“ -veröffentlicht vom „Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen“!

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