Falschmeldung bei der Kölner Rundschau

Oder: Wie man sich in nur drei Absätzen der Recherche als „unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt“ entziehen kann.

Am 30.06.2016 fragt sich ein Journalist bei der Kölner Rundschau ob das „Bundesgesetz zu Prostitution“ das „Ende des Straßenstrichs in Köln“ sein wird. Der Bericht, der auf rundschau-online.de zu lesen ist, ist nur drei Absätze lang. Aber dennoch schafft es der Autor jede Menge Falschaussagen hineinzupacken. Ein Unding bei diesem sensiblen Thema.

Aber schauen wir uns seine Aussagen doch mal genauer an:

„Am Eigelstein bieten sich Prostituierte an, im Bahnhofsumfeld warten Stricher auf Kundschaft – es sind Szenen, wie sie sich in jeder Großstadt abspielen.“

Pure Meinungsmache. Denn beileibe nicht jede Großstadt hat im Bahnhofsumfeld eine Stricherszene. Damit meine ich jetzt nicht, dass in einzelnen Städten Prostitution durch das Vorhandensein von Sperrbezierksverordnungen (hat auch Köln) und Anbahnungsverboten zurückgedrängt wird. Zumal ein komplettes wegbrechen des Striches ja bekanntlich nicht erfolgt (siehe Beispiele Köln oder Hamburg).

Nein, ich meine, dass nicht jede Großstadt einen Straßenstrich hat. Wir machen uns mal gegenwärtig, dass Städte in Deutschland ab einer Bevölkerungszahl von 100.000 den Titel Großstadt tragen dürfen. Und davon gibt es aktuell (Stand 2014) 77. Den Beweis muss der Autor (Kürzel: tho) erst mal erbringen. Was ihm mit absoluter bestimmtheit nicht gelingen wird.

„Denn die Auswirkungen des Gesetzes (Anm.: hier meint er das ProstSchG), das Ende 2017 in Kraft treten soll […]“

Aktuellen Planungen zufolge, soll das Gesetz am 1.07.2017 und nicht Ende 2017 in Kraft treten!

„Bislang sei nicht erfasst, wie viele Prostituierte es in Köln gibt.“
(Dies geht wohl auf eine Aussage von Kölns SPD-Chef Jochen Ott zurück.)

Die Aussage ist zwar nicht falsch. Aber dennoch wird hier unterschlagen, dass es diverse (grobe) Schätzungen gibt. So ermittelte „Die Welt“ 2013, dass in Köln geschätzt 1.400 Sexarbeiter/innen aktiv sind. Eine Studie der Freien Universität Berlin im Auftrag der AIDS-Hilfe Essen e.V. und von Looks e.V., Köln (Hrsg.) aus dem Jahr 2001 gibt Expertenschätzungen zur Anzahl der Stricher wider. Danach wird der Mittelwert der Schätzungen auf 507 bis 579 Männer angegeben.

„Prostitution soll laut Gesetzentwurf als Gewerbe bei der Stadt angemeldet werden müssen.“

Das ist eine so falsche Aussage, dass es fast strafbar ist. Entweder zeugt sie von der völligen Uninformiertheit von Autor und Redaktion oder aber von einer ihnen anhaftenden Boshaftigkeit. Richtig ist: das Gesetz tangiert in keinster Weise das Gewerberecht. Das wäre ja ein sinnvoller Schritt hin zu einer Regelung ohne diese diskriminierenden Sondergesetze für Sexarbeiter/innen. Nein, Gewerbeanmeldungen sind für Prostituierte weiterhin nicht vorgesehen. Was die Bundesregierung stattdessen will, ist eine Anmeldung/Erfassung bei/durch Polizei- und Ordnungsbehörden.

„Erst nach einem Beratungsgespräch über Gesundheitsrisiken und Ausstiegsmöglichkeiten sollen Prostituierte ihrer Arbeit nachgehen dürfen.“

Das stimmt auch nicht bzw. wird hier durch Auslassung von Informationen verharmlost. Denn erstens sind diese verpflichtenden Beratungsgespräche regelmäßig neu wahrzunehmen: „nach § 10 ist während der angemeldeten Tätigkeit für Prostituierte ab 21 Jahren mindestens einmal jährlich und für Prostituierte bis 21 Jahren halbjährlich in Anspruch zu nehmen, solange die Prostitution ausgeübt wird“. Zweitens bedeutet der Besuch eines Beratungsgesprächs keinesfalls die Erlaubnis zur Dienstleistungsausübung. So müssen die Sexworkerinnen ja noch eine Anmeldebescheinigung bei der zuständigen Behörde einholen. Und ob sie diese bekommen, liegt letztendlich im Ermessen des Sachbearbeiters.

 „Wir wollen Zwangsprostitution zurückdrängen. Vielleicht ist es auch das Ende des Straßenstrichs“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Dörmann.

Eine Farce. An dieser Stelle werden mal komplett die Erfolge um das Kölner Straßenstrich-Projekt in der Geestemünder Straße außer Acht gelassen. In den eigens von der Stadt errichteten Verrichtungsboxen können Prostituierte seit Jahren legal arbeiten und das ohne sich dabei zu gefährden. Prostituierte bekommen hier in einem separaten Container Hilfe (in Form von Beratungsgesprächen und Gesundheitsvorsorge) von Mitarbeiterinnen des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und des Gesundheitsamtes. Mit Unterstützung der Polizei werden die Frauen hier auch über rechtliche Fragen informiert…

Erklär mir mal bitte einer, wie Beschaffungsprostitution durch jenes „Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“ beendigt werden soll. Die Frage geht mal gleich an Herrn Dörmann und an „tho“.

„Vermutlich müssten bei der Stadt neue Stellen geschaffen werden, um die Gewerbe-Anmeldung zu kontrollieren.“

Neue Stellen definitiv! Aber nicht für „Gewerbeanmeldungen“

„Das Gesetz sieht zudem vor, dass alle Bordellbetriebe neu angemeldet werden müssen,[…]“

Ja das ist richtig, aber!!! wieder unvollständig. So will der Gesetzgeber eine Erlaubnispflicht für alle, die ein „Prostitutionsgewerbe“ betreiben. D.H. auch selbstständig in Modellwohnungen/Appartemens arbeitende Prostituierte sind davon betroffen. Und da nur wenige dieser Räumlichkeiten die strengen Richtlinien/Auflagen, wie im ProstSchG gefordert, erfüllen können, werden die meisten wohl keine Genehmigung bekommen. Bauplanungsrecht und Sperrbezirksverordnungen tun ihren Rest.

So hat das mit „Schutz der Sicherheit, der Gesundheit oder der sexuellen Selbstbestimmung der im Prostitutionsgewerbe tätigen Prostituierten“ (Quelle: § 17 ProtSchG) wenig zu tun.

Fazit: Der Beitrag “ Bundesgesetz zu Prostitution: Ende des Straßenstrichs in Köln?“ ist für den Arsch. 6, setzen und schämen! Schlechter Journalismus ist leider überall anzutreffen, auch in Köln. Dabei gibt es doch einen Pressekodex samt Richtlinie zur Sorgfaltspflicht: „Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt.“. Was sagen Sie denn dazu, Herr „tho“?

rmv

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