Greifswalder CDU mit gestrigem Sexualverständnis

Lokalpolitiker stoßen sich an Anti-Aids-Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Am vergangenen Dienstag hat die Greifswalder CDU-Bürgerschaftsfraktion einen offenen Brief an den Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe veröffentlicht. Darin beschweren sich die Christdemokraten gegen eine Plakataktion zur Aids- und HIV-Prävention der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sowie das Nichthandeln des Greifswalder Bürgermeisters. So wären auf den Plakaten obszöne Comics abgebildet, die durch eine Darstellung „pornografisch akrobatischer“ Handlungen entwicklungsschädigend für Kinder und Heranwachsende seien.

Unter anderem heißt es in dem Brief:

„Darstellungen in dieser Form widersprechen einem altersabhängigen Verständnis in der Entwicklung von Kindern und senken die Schwelle der Heranwachsenden für Pornographie und Umgang zu diesem Themenkreis unter einander.“

„Die Darstellung von zwei unbekleideten Menschen, die auf einem Nachttisch offensichtlich kopulieren, hat im öffentlichen Raum (Weg zum Kindergarten, Schulweg, Spielplatz usw.) nichts zu suchen. Wir halten daher ein Eingreifen des Oberbürgermeisters als Ordnungsbehörde für angezeigt, da durch die öffentliche Darstellung der Sexszenen eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 119 Abs. 3 OWiG gegeben ist.“

sowie

„In dieser Comicform stellen die Plakate auch eine Verharmlosung der Aids-Erkrankung und der HIV-Infektion dar. Die Aids-Krankheit stellt noch in vielen Ländern ein Todesurteil dar und ist auch in Deutschland nicht heilbar. Aids –Prävention muss der Ernsthaftigkeit dieses Thema und dem Schicksal der Betroffenen gerecht werden, sie ist damit keine Spaßthematik.“

Aber was ist denn nun wirklich auf den Plakaten der „LIEBESLEBEN-Kampagne“, wie sie offiziell heißt, abgebildet? Seht einfach selbst: http://www.liebesleben.de/ oder http://www.bzga.de/infomaterialien/?sid=349

Ich will die Comics jetzt gar nicht groß analysieren. Nur was daran pornografisch sein soll, erschließt sich mir einfach nicht. Weder sind dort Geschlechtsteile abgebildet (nicht einmal Brüste kann man sehen) noch ist dies in irgendeiner Weise irritierend bzw. entwicklungsschädigend für Kinder. Ich kann auch einfach nicht erkennen, was daran grob anstößig sein soll. Wo bitte leben wir denn? Im Mittelalter?

Das einzige was ein 5-Jähriger hier fragen/sagen würde, ist: „Guck mal: ein Nackedei“. Letztendlich gehen Kinder einfach daran vorbei oder Lachen, weil die karikierten Menschen so große Augen haben. Ganz ehrlich, wenn den offenen Brief, wie geschehen, auch ein Kinderarzt unterschreibt, dann frag ich mich, in welchem Universum der lebt. Ich habe eher erhebliche Zweifel an Hernn Dr. Balkes Fähigkeit zum Verständnis über die geistige und sexuelle Entwicklung von Kindern. Leider steht die CDU mit ihrer „Kritik“ nicht alleine. Im Netz tummeln sich bereits etliche Beschwerden und Kommentare in pseudomoralischer Form. Da wird die Kampagne als vulgär, geschmacklos, unverschämt… und die Comics u.a. als „dreckige Sex-Zeichnungen“ bezeichnet.

Gewalt ja, Brüste nein

Und der zweite Vorwurf, die Comics seien in Bezug auf Aids und HIV verharmlosend, ist nicht minder albern. Kann es sein, dass die in der Zeit stehen gebliebenen Greifswalder Christdemokraten zum Lachen in den Keller gehen? Kann es sein, das sie Karikaturen, Comics, Cartoons und Co. als Stilmittel einfach nicht verstehen? Mitnichten tun Comics das abgebildete Thema als „Spaßthematik“ ab. Und seit wann darf man über ernste Themen nicht lachen bzw. schmunzeln? Was kommt als nächstes? Vielleicht ein Verbot von Mohammed- oder Papst-Karrikaturen aufgrund der aktuellen Religionsdebatte? Eine Untersagung, dass der bekannte „Nichtlustig“-Zeichner seine Comics vom „Tod“ nicht weiterführen darf? Was ist mit dem Comedian Chriss Tall, muss er demnächst auf seine Witze über Behinderte verzichten, weil einige CDUler die dahinter stehende Intention nicht verstehen? Müssen ernste Themen ausschließlich mit böser oder trauernder Mine angegangen werden?

Gehört sexuelle Aufklärung abgeschafft? Wenn es nach den Lokalpolitikern Hochschild, Balke und Co. oder all den Meinungsmache betreibenden Hobbymoralisten gehen würde, wohl Ja. Oswald Kolle, Alfred Charles Kinsey, Erika Berger… würden sich im Grabe umdrehen.

Ja es ist genau so wie in der aktuellen Facebook-Debatte, wonach das Portal keine Veröffentlichung von Brüsten zulässt. Aber Hetze, Rechte Propaganda, Aufrufe zur Selbstjustiz erlaubt sind. Wo greift da der Schutz der Kinder? Wo wird auf die Entwicklung von Minderjährigen geachtet, in all den Darstellungen das momentanen Zombie-Hypes. Blutverschmierte „Helden“ mit jeglicher Art von Tötungsgerät durch die Lande streifend schlachten sich durch Reihen von Monstern. In zahlreichen Mangas und Comics ohne Altersbeschränkung werden Gewalt und Schwarz-Weiß-Denken verharmlost. All das ist OK. Aber zwei „turnende“ Zeichentrickmänner, bei dehnen nur Jugendliche und Erwachsene die sexuelle Andeutung erkennen, sind obszön. Ich verstehe…

Sehr geehrte Greifswalder CDU-Bürgerschaftsfraktion,

Holt mal die Stöcker aus euren Ä…!

rmv

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