Günther Jauch – Klappe, die Zweite …

Erste war da ein „Tatort“ dann eine Jauch-Sendung

Am Sonntagabend lief in der ARD wieder einmal ein „Schimanski-Tatort“ – ein Fernsehfilm um den Kriminalhauptkommissar Horst Schimanski (Götz George). Der Titel der Folge: „Loverboy“. Nun soll es im hiesigen Blog aber nicht um Krimis gehen … Auch weniger um das amoralische Vorgehen jener dreisten Zuhälter, die sich durch Gehirnwäsche und Gewalt junge Mädchen und Frauen gefügig machen. Eher um Günther Jauch. Denn nach dem Abendfilm strahlte die ARD die Talksendung „Günther Jauch“ mit dem gleichnamigen Moderator aus. Und dabei wurde erneut, aufbauend auf den Schimanski, über Prostitution in Deutschland debattiert. „Großbordell Deutschland – muss Prostitution verboten werden?“ hieß das Thema ab 21.45 Uhr.

Gab’s das nicht schonmal? Hmmm … Ja doch! Bereits im Dezember des vergangenen Jahres strahlte das Erste die beiden Tatorte “Wegwerfmädchen” und “Das goldene Band” aus. Im Anschluss daran folgte Günther Jauch mit der Frage „Tatort Rotlichtmilieu – wie brutal ist das Geschäft mit dem Sex?“ Warum nun also wieder? Zumal das Thema „Loverboys“ in Jauchs aktueller Sendung kaum angeschnitten wurde. Es wurde nur wieder fleißig über die Legitimität von Prostitution an sich gesprochen; eine evidente Verbindung zwischen dem im Film dargestellten ethischen Missständen und der gesamten Berufsgruppe der Sexarbeiter/innen eher nur konstruiert.

„Großbordell Deutschland – muss Prostitution verboten werden?“

Also zur Talkshow selbst: Gäste waren am Sonntag die Prostituierte und Mitbegründerin des „Berufsverbandes erotische und sexuelle Dienstleistungen“ Lena Morgenroth, die Journalistin Rita Knobel-Ulrich, die Sozialarbeiterin und Oberbürgermeisterin von Saarbrücken (SPD) Charlotte Britz, der Bordellbesitzer Jürgen Rudloff (wie schon in der letzten Sendung) sowie der Kriminalhauptkommissar Uwe Dornhöfer.

Wie schon 2012 gab es auch dieses Mal eigentlich nur eine, die sowohl rhetorisch als auch inhaltlich überzeugen konnte. Lena Morgenroth, die studierte Informatikerin, die sich aus eigener Überzeugung für die Sexarbeiter entschied, ist Mitbegründerin des im Oktober Gegründeten Berufsverbandes für Sexarbeiter/innen. Sie trat vertretend für alle Prostituierten auf, die sich gegen die Stigmatisierung, gegen ein Berufsverbot und gegen die Opferdarstellung ihres Berufsstandes wehren. Leider nur wurden Morgenroths Argumente, wie gekonnt sie auch argumentierte, entweder kategorisch überhört oder banalisiert.

Und die anderen? Man muss gleich mal sagen, dass die Sendung im Vergleich zur 2012er Version eine etwas andere Qualität hatte. Alice Schwarzer war nicht dabei. Der Gegenpart wurde von Rita Knobel-Ulrich, Charlotte Britz und Uwe Dornhöfer übernommen. Dieser sogar streckenweise ganz vernünftig. Der Dezernat für organisierte Kriminalität, Bereich Prostitution, in München, Uwe Dornhöfer trat ruhig und sachlich auf. Billigen Populismus und Weinerlichkeit über angeblich fehlende Einschreitungsmöglichkeiten der Behörden, wie bei einigen anderen Berufskollegen, fand man bei ihm selbst nicht.

Frau Rita Knobel-Ulrich, will kein Verbot von Prostitution. Mit einer irgendwie mütterlich wohlwollend anmutenden Attitude tritt die Journalistin aber für eine unbedingte Überarbeitung des Prostitutionsgesetzes auf. Ihr Auftritt reicht zwar um mehrheitlich das Publikum von sich zu überzeugen, aber wirklich professionell ist dieser nicht. Knobel-Ulrich recherchierte in der Vergangenheit lange im Milieu. Brachte darauf folgend die Dokumentation “Menschenhandel in Europa. Billignachschub für deutsche Puffs.” heraus. Trotz einiger guter Argumente verfällt sie aber, wie schon in der Doku, auch bei Jauch dazu, abgedroschene Phrasen heraus zu posaunen. Natürlich gehört auch die Eckkneipe/Würstchenbude-Geschichte. Prostitution setzt sie Häufig mit Zwangsprostitution gleich; Frauen wie Morgenroth seien ihrer Meinung die absolute Ausnahme). Einseitige Filmeinspieler mit zu Wort kommenden Freiern, welche sich kaum für die sozialen Hintergründe von Prostituierten interessieren, verstärken das Bild von der permanent ausgebeuteten Sexarbeiterin dann noch … Morgenroth und Rudloff steuern zwar gegen, werden aber leider nicht ernst genommen.

Ach ja, und der Herr Jürgen Rudloff … . In der Sendung vertritt er den Berufsstand der Bordellbesitzer. Naja, zumindest soll er das wohl. Am Ende spricht er nur über seine Häuser, sein Unternehmen und seine Anliegen. Bei ihm sei alles toll, seriös und absolut legal… Bei Bedarf könnten sich die Frauen sogar an bei ihm angestellte Psychologinnen/Seelsorgerinnen wenden, Zwangsprostitution und Zuhälterei kämen bei ihm nicht vor … Ob es wirklich alles so abläuft, wie er schildert, darf man glauben oder nicht. Rudloff versucht jedenfalls alles, um das Gewerbe von den Problematiken Menschenhandel und Zwangsprostitution abzugrenzen, genau wie auch Lena Morgenroth. Ich kann mir aber nicht helfen, irgendwas lässt Jürgen Rudloffs Auftritt schwach und kraftlos erscheinen. Vielleicht liegt es an fehlender Rethorik (vergleicht man dazu die Auftritte Michael Beretins, wirkt die Sprache Rudloffs wirklich fad), am etwas verstörenden Schwäbisch, welches er spricht oder auch an seiner leisen Stimme. Vielleicht auch an fehlender Streitlust oder an dem nur auf sein eigenes Unternehmen gerichteten Blick. Auf jeden Fall hat Rudloff in dieser Runde kaum Überzeugungskraft (wie auch bei seinem letzten Auftritt bei Jauch, 2012).

Und zuletzt war da noch die SPD-Politikerin, welche als gelernte Sozialarbeiterin und aktuelle Saarbrückener Oberbürgermeisterin die Runde komplettierte. Charlotte Britz war …??? Ah ja: uneinsichtig, zänkisch und oberflächlich. Mehr kann ich gar nicht sagen. Um eine Alice Schwarzer zu sein, fehlt ihr an Bekanntheit und Namen. Britz‘ Anliegen sind persé sicherlich löblich, aber versteift sie sich doch zu sehr in ihrer Antipathie gegenüber dem Rotlichtgewerbe.

Jauch-Redaktion versagt

Beinahe vergaß ich noch eine weitere an der Sendung beteiligte Fraktion. Und zwar die Redaktion. Es ist schade, dass die Journalisten, die für qalitative Sendung wie „Günther Jauch“ recherchieren, beim Thema Prostitution nur an der Oberfläche kratzen. Und jene Oberfläche besteht dann meist aus Märchen, Halbwahrheiten und Bouleward. Das, was die „Recherche“ dann zutage brachte waren bekannte Falsch-Aussagen wie: 400.000 Prostituierte, Anstieg des Menschenhandel aufgrund der Legalisierung von Prostitution, das ProstG nützt nur Bordellbesitzern und Zuhältern …

Und noch ein Kuriosum der Sendung: Kriminalkommisar Uwe Dornhöfer berichtete über die Befugnisse der Bayerischen Polizei. Da das Polizeigesetze Ländersache sei, dürfe die bayerische Polizei beliebig Bordelle aufsuchen und Kontrollen durchführen. In anderen Bundesländern sei das nicht ganz so einfach. Eine kurze Diskussion folgte. Britz und Knobel-Ulrich bestätigten die fehlenden Überwachuungs- und Kontrollbefugnisse anderer Landesbehörden, sie gaben sich ja schon vorher enttäuscht über diesen vermeintlichen Missstand. Das alberne daran ist in diesem Fall aber, dass niemandem auffiel, wie paradox diese Diskussion ist. Gefordert wird stets eine Änderung im Prostitutionsgesetz, welche der Polizei mehr Befugnisse geben soll. Jetzt aber erklärt Herr Dornhöfer, dass es dazu Unterschiede in den einzelnen Landesstatuten gibt, also vom jeweiligen Polizeigesetz (PolG) abhängt. Die Debatte rund um das ProstG wird damit doch ad absurdum geführt bzw. zeigt, wie irrational manche Argumentationen sind. Gleiches gilt ja auch für das Thema Opferschutz bei Zwangsprostitution. Denn dafür ist ebenso nicht das ProstG zuständig, auch wenn hin und wieder behauptet.

Mediale Aufarbeitung der Sendung verdreht Zusammenhänge

Aber nicht nur die ARD-Redakteure verkennen wie wichtig es beim Thema Prostitution ist, korrekt zu recherchieren. Einige Tages- und Onlinezeitungen reihen sich direkt an. Als Beispiel dient ein Bericht der Frankfurter Rundschau. Autor F. Segler behauptet: „Die Berichte Dörnhöfers von Analphabetinnen, Traumatisierten und hilflosen Frauen […]: Sie strafen die Behauptung Lena Morgenroths Lügen, das Thema erfahre „unproportionale Aufmerksamkeit“. Die junge Frau schilderte sich selbst ja auch als absolute Ausnahme, und man könnte der Redaktion vorhalten, warum sie keine Frau aus dem Gewerbe eingeladen hat, die ihresgleichen besser repräsentiert, eine Aussteigerin etwa.“

Segler reißt hier bewusst und aufs schändlichste Aussagen und Fakten aus dem Zusammenhang, bzw. konstruiert hier eine eigene „Wahrheit“. Ja, Lena Morgenroth bezeichnete sich als absolute Ausnahme. Aber in dem Punkt, als dass sich aufgrund der Stigmatisierung, der fehlenden öffentlichen Akzeptant oder aus Scham nur sehr wenige Frauen öffentlich in solch einer Sendung als Sexarbeiterinnen bekennen würden. Daher ist sie eine Ausnahme. Das Problem für Prostitutionsgegner, also auch Segler ist wahrscheinlich eher das, dass Morgenroth einfach nicht in das Bild einer misshandelten, ungebildeten, gezwungenen „Nutte“ passt, dass so gern überall gesehen wird. Sie fügt sich einfach nicht in die einer „Hure“ auferlegten Opferrolle. Schlimmer noch, sie ist gebildet, selbstbewusst, redegewandt und charismatisch.

Die „Welt“ veröffentlicht Prostitutionsatlas

Anders sieht es bei Recherchen der Welt.de aus. Das Blatt hat für einen „Prostitutionsatlas“ bei Behörden verschiedener Städte bezüglich der dortigen Anzahl der Sexarbeiterinnen nachgefragt (60 Städte haben geantwortet) und nun eine Übersicht online gestellt. Damit kann ganz klar, rechnet man das Ergebnis hoch, die stets postulierte Zahl von 400.000 Prostituierten als evident falsch bewiesen werden. Auch ich habe das hier bereits in ähnlicher Weise gemacht. Beim Jauch-Talk hat der Polizeikommissar selbst sogar kurz erklärt, dass die von Behörden erfassten Sexarbeiterinnen sehr wahrscheinlich mehrfach gezählt werden, was eine reelle Zählung bisher unmöglich macht. Also von wegen 400.000.

Die Quintessenz aus der Jauch’schen Sendung ist also: Die Debatte kommt nicht voran, Populismus und reißerische Halbwahrheiten bekommen wie immer mehr Gehör und Sexarbeiterinnen bleiben vorerst in Ihrer absoluten Opferrolle. Schade.

Achja, wer will, kann die Sendung noch in der ARD-Mediathek sehen.

rmv

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