Meldepflicht für Prostituierte gleicht Zwangsouting

Wie GroKo und Polizeibehörden mit dem Brandeisen umherfuchteln

Nachdem am 12. Juni 2014 auf Initiative des Bundesfamilienministeriums in Berlin eine Anhörung (Klausurtagung) zur „Regulierung des Prostitutionsgewerbes“ stattfand – damals wurde u.a. auch der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V. angehört (hier die Antworten des BesD auf den Fragenkatalog), zeichnet sich seither leider ab, dass das geplante Gesetz (bis Ende 2014 soll es vorliegen) unter Umständen prekäre Folgen für alle Sexarbeiter_innen haben wird.

Zwar plänkelten SPD und CDU noch hin und her, welche Eckpunkte genau den Weg in ein kommendes Gesetz finden sollen, bei einigen gab es jedoch von Anfang an breiten Konsens. Und eine Teileinigung zwischen beiden Regierungparteien stand dann Mitte August fest.

Danach soll es eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten inklusive Zuverlässigkeitsprüfung für deren Betreiber/innen geben. Flat-Rate-Sex und „Gang-Bang-Partys“ sollen verboten werden. Und Sexarbeiter/innen sollen einer Meldepflicht unterliegen. Wärend es von offizieller Seite heißt, mit diesen Punkten Zwangsprostitution und Menschenhandel „erheblich erschweren“ zu wollen, ist bei genauerer Betrachtung klar, dass das völliger Humbug ist. Alleiniges Ziel ist die Repression des Milieus und seiner Angehörigen.

Zum Part mit der Meldepflicht/Zwangsregistrierung haben die Vereine Dona Carmen und BesD den Aufruf „Zwangsregistrierung sämtlicher Sexarbeiterinnen – Nicht mit uns!“ initiiert.

Auch wir rufen in diesem Sinne dazu auf diese Initiative zu unterstützen und diesem scheinheiligen Gebaren der Koalition entgegenzuwirken.

Meldepflicht gut oder schlecht?

Aber was spricht denn eigentlich gegen eine solche Verordnung? So erleichtere es die Anmeldepflicht angeblich doch „die Unterscheidung zwischen legaler Prostitution und illegaler Zwangsprostitution“ zu erkennen. Somit diene sie dem Schutz und der Sicherheit der Frauen. Aha, na dann ist ja alles in Ordnung … Quatsch mit Soße. Dass dem nicht so ist, sticht doch förmlich ins Auge.

Warum soll ausgerechnet eine „Meldepflicht“ der Prostituierten zu deren Schutz (vor sexuellen Übergriffen, Menschenhandel, Ausbeutung etc.) beitragen? Was diese Kontroll- und Überwachungsmaßnahme bewirken wird ist eher das genaue Gegenteil von Schutz: Repression, Stigmatisierung, Zwangsouting, gesellschaftlich Diskriminierung. Damit wird es den Polizeibehörden möglich sein, ein totales Bewegungsprofil der erfassten Sexarbeiter zu erstellen – so müssen diese sich ja aufgrund ihrer häufigen Ortswechsel jedes mal neu vorstellen/anmelden. Gleicher Umstand hat eine massive, bürokratische Einschränkung der Berufsfreiheit zur Folge.

Und ja!, die Personendaten gingen zu Händen der Polizeibehörden! Denn weder gibt es im deutschen Recht eine „gewerberechtliche Anzeigepflicht“ für Prostituierte gemäß § 14 GewO noch eine Einstufung als freiberufliche Tätigkeit gemäß § 18 EStG und § 1 PartGG (was für selbständige Prostituierte eher in Frage kommen würde). Und dabei wird es wohl auch bleiben. Die Bundesregierung wird hier warscheinlich wieder irgend ein Sonderrecht jenseits von Gewerbeordnung oder Einkommenssteuergesetz erfinden – und das ganz im Sinne der Polizeibehörden. Vor allem da sich Sexarbeiter_innen persé in einem kriminologischen Umfeld bewegen …

Was jedoch mit alleinerziehenden Müttern, Studentinnen, Nebenberuflerinnen etc.? Immerhin ist Prostitution gesellschaftsmoralisch nicht sonderlich akzeptiert. Und dann werden sie durch die polizeiliche Erfassung auch noch viktimisiert bzw. kriminalisiert. Wie von einigen Seiten gefordert, wäre eine Weitergabe der erfassten und gespeicherten Daten bzw. etwaige Auskunftsmöglichkeiten an andere Behörden, den Zoll usw. möglich. Was passiert, wenn diese Frauen eine Zwangsregistrierung umgehen wollen? Dann werden wohl trafrechtlichen Sanktionen drohen.

Meldepflicht und …

Im Zuge der Verhandlungen, Anhörungen und Gespräche wurde, wie Dona Carmen e.V veröffentlichte, deutlich, dass die Zwangsregistrierung eventuell gar mit anderen Maßnahmen gekoppelt sein könnte. So fordert KHK Markus Steiner, vom Polizeipräsidium Frankfurt am Main, dieser eine Krankenversicherungspflicht anzuhängen, „mit der Prostitution durch eine gesetzliche Vorgabe möglicherweise faktisch unmöglich gemacht wird“.

Da haben Wir’s: Von Wegen zum Wohle der Prostituierten.

Von Anderer Seite wird die Ausstellung einer „Prostituiertenkarte“, die ähnlich einem Personalausweis mitgeführt werden müsse, gefordert. Warum nicht gleich einen „Stern“ auf der Brust?

Eine entmündigende Variante der Meldepflicht könnte sogar eine betreibergestützte Variante sein. Dabei wären, unabhängig ob die Sexarbeiterin angestellt oder selbständig ist, die Bordellbetreiber_innen selbst verantwortlich, die Huren bei den Behörden zu melden. Diese Informationen (zuzüglich Beschäftigungs-, Mietverträgen oder Zusatzvereinbarungen) müssten dann wöchentlicht eingereicht werden. Offensichtlicher Vorteil seitens der Behörden: enorme Einsparungen bei Personal und bürokratischem Aufwand.

Fazit

Neben den genannten Punkten ist die rechtliche Legitimität einer solchen Zwangsregistrierung anzuzweifeln. Zitat von Dona Carmen:

Eine berufsgruppenspezifische Meldepflicht für Sexarbeiter/innen in der Prostitution ist diskriminierendes Sonderrecht. Keine andere Berufsgruppe wird einer derartigen Sonderüberwachung unterstellt. Diskriminierendes Sonderrecht verbietet sich grundsätzlich. Es widerspricht rechtlicher Gleichbehandlung.

Meldepflichten betreffen in der Regel nur Personen, von denen eine Gefahr ausgeht. Von Sexarbeiter/innen in der Prostitution geht aber nachweislich keine Gefahr für die Gesellschaft aus. Selbst Prostitutionskunden können sich jederzeit schützen, wenn sie es denn wollen. Auch wenn von Sexarbeiter/innen eine Gefahr ausgehen würde, wäre die Einführung einer Meldepflicht für eine gesamte Berufsgruppe rechtstaatlich bedenklich und verfassungswidrig.

Wer mehr erfahren will, dem sei an dieser Stelle die Kritik „Kontrollmädchen 2.0 – Oder: Wie Sexarbeiterinnen durch die Meldepflicht im Rahmen der neuen Prostitutions-Gesetzgebung zum Objekt umfassender Überwachung werden“ empfohlen.

Übrigens: Im Zuge der Anhörung zur „Regulierung des Prostitutionsgewerbes“ hat das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung u. Soziales Mecklenburg-Vorpommern (als eine von 40 befragten Organisationen/Gremien) auf die Frage nach der Positionierung in Sachen Meldepflicht keine Angabe gemacht. Insgesamt gab es 20 Ja- und 9 Nein-Stimmen, 7 Befragte äußerten Bedenken und vier machten keine Angaben.

rmv

Nachtrag, 03.09.2014: Gestern hat der BesD eine Stellungnahme sowie alternative Vorschläge zum Eckpunktepapier von CDU und SPD veröffentlicht. Der Text ist auf berufsverband-sexarbeit.de nachzulesen.

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