Müllberge als Argument gegen den Straßenstrich

Oder: wenn das Vorhandensein von Abfall eine Moraldebatte beeinflusst


„Die Vermüllung ist ein Problem“. „Hier kommt es immer wieder zu enormer Verschmutzung durch die Prostituierten und ihre Freier“. „Den Auswüchsen des Straßenstrichs muss mit dem Abfallrecht beigekommen werden“.

Solche und ähnliche Aussagen sind immer häufiger in diversen öffentlich geführten Prostitutionsdebatten zu hören. In Saarbrücken brachte es Rechtsdezernent Jürgen Wohlfarth im Letzten Jahr gar mit folgenden Aussagen auf die Spitze:

„Der Wald nahe der Dr.-Vogeler-Straße im Deutschmühlental ist voller benutzter Kondome und Feuchttücher. Wild und Hunde könnten an diesem Müll elend eingehen, Kinder beim Spielen krank davon werden.“ „Wir werden diese ständige Verschmutzung, die Vermüllung unserer Stadt nicht hinnehmen. […] Wenn die Verursacher nicht reagieren, können wir den betreffenden Platz für die Prostitution zu sperren, und zwar mit einer sogenannten polizeirechtlichen Allgemeinverfügung.“

An solchen Beispielen ist schnell zu erkennen, wie voreilig und albern die Argumentationen für ein Verbot von in diesem Fall Straßenprostitution ausfallen. Weil jemand Müll unsachgemäß entsorgt, muss also ein Gewerbezweig verboten werden. Hier werden einfach nur Gründe gesucht, welche die vorher bestehende Meinung/Moralvorstellung festigen soll. Ob solche Argumente dann wirklich Sinn machen, ist egal. Im Beispiel Saarbrücken hatte die Stadt nicht mal in Erwägung gezogen, in der Dr.-Vogeler-Straße Müllcontainer hinzustellen. Mittlerweile gibt es für die Landeshauptstadt je eine Neue Sperrbezirksverordnung. Danach ist der Straßenstrich in der Straße zwar noch erlaubt, allerdings nur in den Abend- und Nachtstunden.

Ein Stadtspaziergang

Gut! Nehmen wir jenen Argumentationsstrang einmal auf und machen einen kleinen Stadtspaziergang (durch eine x-beliebige Stadt):

Voller Vorfreude und Tatendrang verlasse ich also an einem Sonntagmorgen meinen Aufgang, die Sonne scheint mir ins Gesicht und ich mache den ersten Schritt auf die Straße. Naja, nicht ganz denn erst einmal findet mein Schuh den direkten Weg in einen fetten Hundehaufen. Erst gestern musste ich die Hinterlassenschaften eines mir unbekannten Vierbeiners entsorgen, da sich sein Herrchen offensichtlich nicht darum schehrt, wohin er seine Notdurft verrichtet. Trotz Verordnung gibt es leider mehrere „Tierfreunde“ bei mir im Stadtteil, die es nicht für nötig halten, den Kot ihrer Hunde an Ort und Stelle einzutüten…

Meine Laune ist getrübt, dennoch will ich mir mein Vorhaben, die frische Luft zu genießen, nicht zunichte machen lassen. Ein paar Straßenzüge weiter bestaune ich den neu gepflasterten Gehweg. In einem angenehmen rotbraun werten die rechteckigen Betonsteine das Wohnquartier deutlich auf. Vorbelastet durch meinen morgentlichen „Fehltritt“ schaue ich nun aber etwas genauer gen Boden. Wahrscheinlich fallen mir nur deshalb die bereits hier und da befindlichen dunklen Flecken auf. Breitgetretene und von Schmutz dunkel gefärbte Kaugummis. Zwar nimmt man jene Flecken auf städischem Pflaster gar nicht mehr war, weil irgendwie Normalität geworden, aber hier auf diesem neuen Weg ist es was anderes. „Hmmm, schade drum“, denke ich mir und gehe weiter.

Der Spaziergang in Richtung „Grüne Wiese“ führt schließlich an einer stadtbekannten Diskothek vorbei. Zwar ist um diese Zeit keiner der feiernden Partygäste mehr vor Ort, jetzt dürfte nur noch die Putzkolonne über das Tanzparkett wüten, aber dass einige der Besucher am Vorabend etwas zu wild unterwegs waren ist nicht zu übersehen. In den nahen Gebüschen finden sich etliche leere Wodka-Flaschen, Zigarettenschachteln und diverser anderer Müll. Der Nahe Mülleimer ist bereits zum Bersten gefüllt. „Warum nur müssen sich manche Leute bereits vor dem Diskobesuch so vollaufen lassen“, frage ich mich gerade, bevor ich einige Meter weiter vor einer Zerstörten Bushaltestelle stehe. Zwei der Scheiben sind zertrümmert, tausende kleine Scherben zieren das Umfeld. Wahrscheinlich wird schon am nächsten Tag in der Zeitung zu lesen sein: „Körperverletzung in Diskothek. Trunkene Jugendliche verursachten Sachschaden in vierstelligem Bereich“ oder so in der Art.

Ich will mir wegen sowas nicht den Tag versauen! „Einfach weitergehen und den Frühling genießen“, sag ich mir und verlasse den Schauplatz ungezügelter Aggressionslust. Endlich im nahen Wald- und Wiesengebiet angelangt kann ich so richtig abschalten und das Sein genießen. Über beinahe zwei Stunden hält der Zustand auch an. Dann aber, während des Rückweges, komme ich an einer Stelle vorbei, die hin und wieder unerlaubt von PKW frequentiert wird. In einem Straßengraben – im letzten Jahr gab es schon einmal so einen extremen Fall – türmt sich dann plötzlich ein riesiger Abfallhaufen. Schrott, ein alter Kühlschran, Asbestplatten???, diverse Mülltüten und noch einiges mehr wurden hier widerrechtlich entsorgt. Aus einer der aufgerissenen vielleicht auch von Tieren aufgeknabberten Mülltüten stiert mich unter anderem ein Stück Papier an. Mit einer Idee im Hinterkopf gehe ich darauf zu und entnehme es dem Haufen. Tatsächlich ist es ein aufgerissener Briefumschlag mit einer alten Rechnung. Natürlich mitsamt Adresszeile. Ich telefoniere also mit der Polizei und warte auf die Beamten. Ich bin ganz froh darüber, dass der Täter in diesem Fall so überaus unachtsam war. In welchem Maße er später zur Rechenschaft gezogen wird, ist mir einigermaßen egal, hauptsache nur er wird es.

Ich will, dass alles verboten wird

Mein Spaziergang verlief zwar etwas anders als gedacht, aber nur dadurch habe ich mir, wieder zu Hause angekommen, Geanken über das Thema gemacht. Kann man überhaupt, und wenn ja, wie kann man jene Umweltverschmutzung durch Privatpersonen angehen? Reicht die Bestrafung von überführten Tätern aus oder muss die Stadt/das Land hier mehr tun? Sind Präventions- Und Informationsveranstaltungen zum Thema, die bereits für Kinder im Grundschülalter durchgeführt werden, zielführend und nutzbringend? Oder was kann man sonst noch tun? Zumal jene Materie ja so vielschichtig, die Schwere der Vergehen so unterschiedlich ist.

Bei Verschmutzungen im Umfeld von Straßenstrichen sind viele Parteien dafür, das Problem nicht auf sozial und zwischenmenschlich verträgliche Weise zu lösen. Hier soll am besten gleich das ganze Gewerbe verboten werden. Oh ja, dass ist die Lösung! Warum also nicht den Besitz von Hunden verbieten? Hunde gehören sowieso nicht in eine Wohnung. Verstehe gar nicht, warum da nicht längst schon alle Tierschutzvereine gegen vorgehen. Ist doch keine Artgerechte Haltung.

Kaugummikauen in der Öffentlichkeit sollte verboten werden – ähnlich wie es in einigen US-amerikanischen Bundesstaaten mit dem Verzehr von Alkoholika gehandhabt wird. Achja, das mit dem Alkohol darf dann hierzulande gleich auch eingeführt werden. Oder wie wäre es gleich mit einer Abmahnung von Wrigley’s und Co., schließlich verbreiten die ja erst jene unsäglich nervige Kaumasse.

Wie Wikipedia dokumentiert, stellen ausgespuckte Kaugummis ein großes Problem für Reinigungskräfte dar. „Sie lassen sich nicht mit einfachen Mitteln wie Fegen oder Bürsten entfernen. Die Stadt Köln zum Beispiel entfernt Kaugummireste mit einem Spezialgerät […], so dass diese anschließend durch Bürsten entfernt werden können.“ Zwar verhängen scheinbar immer mehr Städte Bußgelder für das Ausspucken eines Kaugummis – Köln z.B. in Höhe von 35 bis 50 €. Aber das reicht mir nicht. Ich will ein Verbot. Schließlich macht Kaugummikauen auch dumm und verklebt den Magen. Mir egal, ob Studien und Mediziner was anderes sagen…

Auch gehören Diskotheken verboten! Leider hebt die jährlich erscheinende Polizeiliche Kriminalstatistik nicht differenziert hervor, in welchen Gebieten und Umfeldern es zu Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Missbrauchshandlungen, Raubstraftaten oder Straftaten unter Alkoholeinfluss kommt. Aber das ist mir egal, wahrscheinlich liegt der Prozentsatz mindestens bei 70 Prozent im Umkreis von Diskotheken und Musikkneipen.

Jaaaa! Was ich nicht mag, muss verboten werden. Vor allem dann, wenn einzelne Personen im entsprechenden Umfeld straffällig werden. So soll es sein! …

rmv

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