„Prostitution Zero – Die Welt ohne uns“ – Teil 1

Was würde in Deutschland passieren, wenn das Prostitutionsgesetz schlagartig gekippt und Sexarbeit verboten würde?

Angelehnt an den Weltbestseller des US-amerikanischen Autors Alan Weisman „The World Without Us“ sowie den gleichnamigen Film „Population Zero – Die Welt ohne uns“ soll im folgenden Beitrag einmal erwogen werden, wie sich ein weltweites Prostitutionsverbot bzw. ein Verbot speziell in Deutschland auswirken würde. Ich möchte aber betonen, dass es sich dabei um reine Fiktion handelt.

Prostitution Zero – Die Welt ohne uns

Wir schreiben das Jahr 201?, die Deutsche Regierung hat – beeinflusst durch die Resolution des Europäischen Parlaments sowie verschiedener von der „Emma“ und von konservativen Verbänden initiierten Petitionen – das Prostitutionsgesetz von 2002 überworfen. Angelehnt an das Schwedische Vorbild tritt nun mit sofortiger Wirkung ein Gesetz in Kraft, welches die Inanspruchnahme von sexuellen Dienstleistungen empfindlich bestraft. Das heißt, Freier haben nun sowohl hohe Geldstrafen als auch Haftstrafen zu befürchten. Damit ist die Bundesrepublik der letzte EU-Mitgliedsstaat, welcher sich von seinem bis dato liberalen Verständnis bezüglich Sexarbeit verabschiedet. Weltweit betrachtet ist nun lediglich noch in Brasilien die Ausübung und die Inanspruchnahme von Prostitution legal.

Ein Jahr später

Bereits innerhalb der ersten drei Monate nach Inkrafttreten des neuen Prostitutionsgesetzes fanden hunderte von groß angelegten Razzien u.a. in Bordellen, Terminwohnungen und Saunaclubs statt. Um mutmaßliche Freier zu überführen und deren vermeintliche Opfer, die Sexarbeiterinnen, zu schützen, drangen Polizeibeamte, SEK sowie Ermittler von Gesundheits- und Finanzbehörden völlig unsensibel in beinahe sämtliche verzeichnete Etablissements ein. Neben den Freiern wurden jedoch auch die anwesenden weiblichen und männlichen Sexworker vernommen – deren Daten erfasst und katalogisiert. Und um jene mutmaßlichen Zwangsprostituierten zu „befreien“ nahmen die Behörden Kollateralschäden gerne in Kauf.

365 Tage nach dem Gesetzesbeschluss gibt es in Deutschland de facto keine Bordelle und Laufhäuser mehr. Hunderte Etablissements mussten dicht machen. Einige wenige versuchen dennoch den Betrieb weiterzuführen – indem sie nun offiziell ausschließlich als Tanzbar (Tabledanze, Stripshows, Bourlesque) firmieren. Weitere versuchen sich mit „gefakten“ Swingerpartys, Lifeacts und Dildoshows über Wasser zu halten. Jedoch gelingt es nur selten, da die Exekutive stets ein wachsames Auge auf diese Betriebe wirft und bei strafrechtlich relevanten Vergehen sofort eingreift.

Deutschland wird immer mehr zum Überwachungsstaat

Damit ist Deutschland – wie einige Kritiker betonen – noch weiter zu jenem von der christlich konservativen Regierungskoalition gewünschten Kontroll- und Überwachungsstaat geworden. Denn auch gemeldete, bzw. bekannte Sexarbeiterinnen werden überwacht – offiziell um potentiellen Freiern habhaft zu werden. Inoffiziell ist mit dem Gesetz allerdings die Ausübung von Prostitution verboten worden. So haben durch jene Restriktionen tausende Frauen ihre Einnahmequelle/ihre finanzielle Grundlage verloren. Mindestens ebenso viele hatten bis dato ihr Einkommen als Gelegenheitsprostituierte aufgestockt – Geld was ihnen nun in der Haushaltskasse fehlt. Da es keine offiziellen Zahlen zur Summe der in Deutschland tätigen Sexarbeiterinnen gab, wird der plötzliche Anstieg der Arbeitslosengeld-Anträge von der Regierung heruntergespielt und mit andere marktwirtschaftlichen Ursachen erklärt.

Neben dem Anstieg der Sozialhilfezahlungen verlor der Staat bereits im ersten Jahr Steuereinnahmen (u.a. Gewerbe-, Einkommens- und sowie Vergnügungssteuer) in Millionenhöhe. Auch hier werden die Ursachen heruntergespielt, genaue Zahlen nicht veröffentlicht. Dennoch wird das Gesetz von dessen Befürwortern und von der Politik als Erfolg gefeiert. Schließlich würden dadurch Frauen nicht mehr als Ware angesehen werden. Sie wären somit nicht mehr gezwungen, sich zu Prostituieren.

Keine Unterstützung für Sexarbeiterinnen

Dem erklärten Versprechen, ehemalige Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter mittels Aussteigerprogramme in andere Arbeitsbereiche zu integrieren, ihnen Jobs zu vermitteln und ihnen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, kam die Bundesregierung indes nicht nach. Zugesagte Gelder aus Steuereinnahmen zugunsten bewährter und neuer Beratungsstellen blieben (bis auf wenige kommunale Ausnahmen) beinahe gänzlich aus. Ehemalige Huren, sind, sofern sie sich nicht im Untergrund weiterhin als Prostituierte verdingen, auf sich allein gestellt.

Nach 12 Monaten Prostitutionsgesetz hat sich die Prozesslast der deutschen Gerichte drastisch erhöht. Infolge der Flut an Razzien und Kontrollen, wurden tausende meist männliche Freier angezeigt. Zwar wurde der große Teil zur Zahlung von hohen Geldstrafen verurteilt. Aber dennoch gab es nicht wenige, welche nun eine mehrmonatige Haftstrafe absitzen müssen. Die bereits vorher enorm überlasteten Gerichte haben sich daher entschlossen, Haftstrafen nur noch auf Bewährung auszusetzen sowie Geldstrafen auf Maximum festzulegen. (Übrigens: Auch die Einnahmen aus den Gerichtsprozessen, kamen bisher nicht den Huren-Beratungsstellen zugute. Natürlich muss in diesem Zusammenhang auch bedacht werden, dass durch die erhöhte Zahl der Inhaftierungen A) Mehrkosten für deren Unterbringung und B) Gewerbeausfälle zu Lasten des Staates entstehen.)

Ein Fall berührt die Gemüter

Die Prozesslast hat dazu geführt, dass die getroffenen Urteile in mehreren Fällen von Kritikern angezweifelt wurden. Bekanntester Fall war der eines Bochumer Familienvaters, der auch ein hohes mediales Echo nach sich brachte:

Am 25.03. 201? wurde der 35-jährige Richard K. verhaftet, nachdem ihn Kriminalbeamte der Stadt Bochum dabei ertappten, wie er in einer sogenannten Terminwohnung verbotener Weise die Dienstleistungen zweier bulgarischer Prostituierter in Anspruch nahm. Die beiden kaum der deutschen Sprache mächtigen Frauen im Alter von 19 und 20 Jahren hatten in der Vernehmung berichtet, dass sie sich zwar freiwillig prostituierten (was ihnen die Beamten allerdings – wie im Protokoll festgehalten – nicht abnahmen) jedoch nur mit Hilfe eines Mittelsmannes in die Bundesrepublik einreisten. Somit wurde Herrn K., Vater zweier 7- und 12-jähriger Kinder, zur Last gelegt, wider besseren Wissens zwei Zwangsprostituierte sexuell genötigt und deren finanzielle Notlage gewissenlos ausgenutzt zu haben. Auch legte die Anklage dem Gericht vor, das Richard K. bereits vorher mehrfach die Dienste einer der Frauen in Anspruch genommen hatte und deren Leistungen in einem sogenannten Freierforum mit derber Ausdrucksweise bewertete. Die Folge: 1,5 Jahre Gefängnis ohne Bewährung. Dass sich die beiden Frauen hingegen weder von ihm bedrängt noch genötigt fühlten sowie ihn als großzügigen Stammkunden beschrieben, nahm das Gericht nicht zur Kenntnis.

Der Fall bekam auch dadurch vermehrte Aufmerksamkeit, weil die kleine Familie keine nahen Verwandten besaß – die Mutter verstarb zwei Jahre zuvor bei einem Autounfall. Infolge der Inhaftierung K.s wurden die beiden Kinder in die Obhut eines Heims übergeben. Ob sie nach der Freilassung ihres Vaters wieder zu diesem zurückkehren dürfen, ließ die zuständige Sozialbehörde offen.

Fortsetzung folgt …

rmv

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