Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht lediglich Gesetzesnachbesserung vor
Das kam jetzt überraschend. Nachdem sich in den vergangenen Monaten zahlreiche Politiker und Medien wieder für ein sogenanntes Sexkaufverbot stark gemacht haben, Fernsehsendungen und Zeitungen dafür beinahe eins zu eins nach Skript der Abolitionist:innen redeten, ist der nun im Koalitionsvertrag der kommenden Regierung veröffentlichte „Umgang“ mit dem Thema Prostitution unerwartet spärlich.
Auf Seite 103 des Papiers heißt es lediglich:
„Prostituiertenschutzgesetz
Deutschland ist zu einer Drehscheibe beim Menschenhandel geworden. Die Opfer sind fast ausnahmslos Frauen. Im Lichte der Evaluationsergebnisse zum Prostituiertenschutzgesetz werden wir mit Unterstützung einer unabhängigen Experten-Kommission bei Bedarf nachbessern.“
Also kein Wort von Freierbestrafung, Gesetzesänderung nach Vorbild des „Nordischen Modells“, Verbot von Sexkauf, oder Verschärfung von Arbeitsauflagen.
Ja, die Aussage im ersten Satz „Deutschland ist zu einer Drehscheibe beim Menschenhandel geworden“ ist natürlich kompletter Mumpitz. Ein Satz, der seit wahrscheinlich 25 Jahren immer wieder Verwendung findet, ohne dabei jemals auf validen und empirischen Erkenntnissen zu fußen. Auch weil er framet, weil er der Straftatbestand Menschenhandel, der vielerlei Ausprägungen haben diverse erzwungene Tätigkeiten umfassen kann, einfach mal unisono auf das Thema Prostitution projiziert.
Satz zwei bedient natürlich ebenso das gängige Narrativ der Frau als Opfer. Er verallgemeinert und lässt gesellschaftliche Zusammenhänge aus. Dazu werden tatsächliche Straftaten zulasten von bspw. Transpersonen oder homosexuellen Strichern weg gelassen.
Doch mehr will die neue, aus Union und SPD zusammengesetzte Regierung offenbar nicht. Das ist wohl der SPD zu verdanken. Danach wolle man erst die (Anm.: im Sommer erwarteten) Evaluationsergebnisse zum Prostituiertenschutzgesetz abwarten und ggf. nachbessern. Das ist richtig. Und, wie gesagt, überraschend.
Aber wird das Kabinett Merz tatsächlich die Finger vom Sexkaufverbot lassen? Zumal gesellschaftliche Umbrüche von bedeutenderem Ausmaß bevorstehen. Vielleicht ist die Lobby der Abolitionist:innen im Bundestag doch kleiner und schwächer als gedacht? Wir werden es sehen. Letztendlich wissen wir aber auch, nur weil etwas nicht im Koalitionsvertrag steht, heißt es nicht, dass es nicht angestrebt wird.
Schließlich versuchen Teile der Union bekanntlich alle Jubeljahre, eine restriktive und misogyne Änderung der Prostitutionsgesetzgebung zu erreichen. Es bleibt also zu hoffen, dass die liberalen Kräfte in SPD (und Union) sich durchzusetzen wissen.
rde
Zum Koalitionsvertrag geht es hier entlang: https://www.koalitionsvertrag2025.de/sites/www.koalitionsvertrag2025.de/files/koalitionsvertrag_2025.pdf
Weitere Texte/Zuwortmeldungen:
Johanna Weber (BesD):
https://www.berufsverband-sexarbeit.de/index.php/2025/04/09/sexkaufverbot-steht-nicht-im-koalitionsvertrag-warum-ist-das-so-toll/
Howard Chance (Zukunft Rotlicht):
https://zukunft-rotlicht.info/2025/04/10/der-koalitionsvertrag-steht-sexkaufverbot-erst-einmal-nicht-in-sicht/