Rostock und die Sexarbeit …

Wann gab es in Rostock eigentlich die letzten interdisziplinären Gesprächsrunde zum Thema Prostitution?

Bis heute bin ich davon ausgegangen, dass es seit dem 23. November 2004 (in Rostock) keinen weiteren „Runden Tisch“ zum Thema Prostitution mehr in Mecklenburg-Vorpommern gegeben hat. Damals trafen sich Rostocker Ausländerbehörde, Gewerbeamt, Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft, Kommunale Frauenpolitik, die STD-Beratungsstelle/Gesundheitsamt/Streetwork sowie die Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt gegen Frauen in der Hansestadt. Zur Debatte standen u.a. die Themen „Illegale Migrantinnen“, „Gewerbeanmeldung nicht möglich“, „Bedeutung der Medien fĂĽr die Auseinandersetzung mit dem Thema Prostitution (Sensationsberichterstattung ĂĽber Menschenhandel in Rostock)“, „erschwerte Ermittlungen bei Schleusungs- und Menschenhandelsdelikten durch das ProstG“ oder auch „Steuergerechtigkeit“.

Fazit jener interdisziplinären Runde: man wolle die Kriminalität im Umfeld der Prostitution effektiv bekämpfen und Prävention durch Transparenz erreichen.

Runder Tisch „Menschenhandel und Frauen in der Prostitution“

Ja, dass dies das letzte Zusammentreffen in Mecklenburg-Vorpommerns einziger GroĂźstadt war, davon bin ich bis heute ausgegangen. Durch Zufall habe ich aber nun entdeckt, dass es eine weitere nicht öffentliche Sitzung gegeben hat. Leider gab es dazu keine mediale Berichterstattung, wie sie bei „Runden Tischen“ in anderen Bundesländern oder Städten hin und wieder stattfindet. Wenn man also nichts von dieser Tagung weiĂź, bekommt bzw. findet man Infos dazu auch nicht so leicht.

Der Runde Tisch „Menschenhandel und Frauen in der Prostitution“ fand bereits vor ĂĽber einem Jahr, am 15.10.2012, statt. Auf dem BĂĽrgerinformationssystem der Hansestadt Rostock kann man eine pdf-Datei dazu finden:

Danach trafen sich in jenem Oktober Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft, des Amtsgerichts, der Kriminalpolizeiinspektion, der Stadtverwaltung der Agentur fĂĽr Arbeit und der Koordinierungsstelle CORA. Zentrale Fragen waren u.a. die zur Anzahl der Prostituierten, zur Besteuerung sowie zur Arbeits- und Lebenssituation der Frauen oder zum Thema Beratungsstelle ja oder nein.

Einige der im Protokoll festgehaltenen Erkenntnisse:

  • In Rostock seien ca. 35 Modellwohnungen bekannt, in denen rund 50 Frauen (teils temporär) arbeiten. Dazu kämen etwa 40 Sexarbeiterinnen, die in einem der 3 örtlichen Bordelle tätig sind. Von einer nicht abschätzbaren Dunkelzahl in der Gastronomie-, und Hotelbranche wird ausgegangen.
  • Aufgrund der guten Verdienste käme ein Ausstieg fĂĽr viele nicht in Frage.
  • In Rostock gebe es weder StraĂźenstrich noch sichtbare männliche Prostitution. In der Zuhälterszene gehe es zur Zeit ruhig zu.
  • die Sexworkerinnen hätten untereinander wenig Kontakt, da die Konkurrenz zwischen ihnen sehr groĂź sei.
  • Osteuropäische Frauen, im Beispiel jene aus Lettland und Litauen träten ĂĽberaus selbstbewusst auf und kämen (zusammen mit ihren Freiern) gezielt mit dem Vorhaben sich zu prostituieren nach Deutschland. Daneben nehme die Zahl der ausländischen Frauen (so auch aus afrikanischen Staaten) zu.
  • Kostenfreie Untersuchungen und Beratung durch das Gesundheitsamt fänden groĂźen Anklang. Allerdings werde ĂĽberwiegend nicht verhĂĽtet, gesundheitliche Probleme keine Ausnahme.
  • Präventionsarbeit, vor allem in Jugendeinrichtungen, zum Thema Gelegenheits-, oder Gefälligkeitsprostitution mĂĽsse ausgeweitet und intensiviert werden.
  • Da es keine Lobby fĂĽr Sexarbeiterinnen in MV gibt, sei es notwendig in Rostock eine ĂĽberregionale Anlauf-/Beratungsstelle fĂĽr diese einzurichten.

Das dreiseitige Protokoll ist ĂĽbrigens hier zu finden.

Interessant ist die Aussage zur Anzahl der Modellwohnungen, denn 2004 hieĂź es noch „Die Polizei schätzt 150 bis 200 Prostituierte, davon zwei Drittel Migrantinnen. Bekannt sind ein Bordell, vier Bars/Clubs und 60 bis 80 Modellwohnungen.“

Erstaunlich auch, dass fĂĽr 2013 eine Fachtagung zum Thema Prostitution inkl. Begleitprogramm (Lesung, FilmauffĂĽhrung etc.) geplant war. Ja, geplant …

Nur Worte? Wer weiß. Weder gibt es bisher eine Beratungsstelle für Sexarbeiterinnen, noch fand eine solche Fachtagung statt. Es ist wohl wie immer: die behördlichen Mühlen mahlen langsam.

rmv

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