Benjamin Friedrich im Gespräch mit Katharina Pieri
Wie wichtig es ist, dass Medien unvoreingenommen und respektvoll über das Thema Sexarbeit und speziell mit Prostituierten sprechen, merkt man umso deutlicher, wenn es denn auch mal gemacht wird. Man kommt sofort raus aus seinem anerzogenen Drang vorzuverurteilen. Denn allzu oft strotzen Berichte, Artikel und Reportagen nur so vor Ressentiments, fest verankerten Klischees und den immergleichen Stereotypen. Leider lässt sich mit negativen aufgebauschten und teils voller Mutmaßungen strotzenden Berichten über Zwangsprostitution und Ausbeutung von jeher mehr Reichweite und Aufmerksamkeit generieren. Bestes Beispiel: die letzten Ergüsse der Ostseezeitung.
Wie man auf Augenhöhe mit Personen in der Sexarbeit spricht, zeigte man kürzlich bei der Greifswalder Konkurrenz, bei Katapult MV. Erst in der Printausgabe, jetzt auch kostenfrei als Onlineartikel. „Die Geschäftsfrau“ titelt Chefredakteur Benjamin Friedrich. Und genauso ist das Interview mit dem Rostocker Escort Katharina Pieri aufgebaut. Ein kurzweiliges Gespräch mit einer selbst bestimmten und strukturiert arbeitenden Karrierefrau. Pieri wird dabei mit knappen und ehrlichen Fragen konfrontiert. Suggestivfragen und Kliescheebehaftete Ressentiments bleiben aus. Kein Framing und kein peinlich berührter Duktus. Pieris Antworten werden nicht hinterfragt oder relativiert. Eben ein Gespräch auf absoluter Augenhöhe. Die Interviewpartnerin und ihr Job werden tatsächlich von Beginn an respektiert und gewertschätzt. Krass.
Klingt ja eigentlich selbstverständlich für ein journalistisches Format im Jahr 2022. Leider ist es das aber nicht. Yellowpress, Springer-Erzeugnisse, konservative Medien und voreingenommene Lokalredaktionen haben auch nach 20 Jahren Legalisierung der Sexarbeit ein immenses Problem mit dem Thema „einvernehmlicher Sex gegen Entgelt“. Und das ist mehr als absurd. Denn sobald sich Frauen selbstbestimmt für die Prostitution entscheiden (Transexuelle und Männer werden übrigens fast komplett ignoriert), sich anschließend outen, dann wird ihnen von außen diese Souveränität oft direkt aberkannt. Stattdessen werden ihnen eine Opferrolle und/oder Gewalterfahrungen in einem früheren Lebensabschnitt attestiert, sie werden als Spielball irgendeiner Rotlichtlobby gesehen usw. Frauen dürfen in diesem Diskurs einfach nicht selbstbestimmt über ihre Sexualität entscheiden. In einem anderen gesellschaftlichen Diskurs dürfen sie es übrigens auch nicht, wenn auch die Intention eine komplett gegenläufige ist. Nämlich beim Thema sexueller Missbrauch in Job und Privatleben. Urplätzlich wird hier die Wahrnehmung der Frauen als Hysterie und Mitläufertum einer herabgewürdigten MeToo-Debatte angesehen. Die Belange der wirklichen Opfer werden heruntergespielt. Ja, absurd und suspekt ist das.
Umso dankbarer darf und muss man über das oben erwähnten Interview von Katapult MV sein. Umso Dankbarer muss man auch Katharina Pieri sein, sich dem Interview und damit der Öffentlichkeit gestellt zu haben.
Das Interview gibt es hier: https://katapult-mv.de/artikel/die-geschaeftsfrau