Schwerin: Das Sexkino „Zur alten Post“ hat nicht nur Freunde

Ortsbeirat Wüstmark beriet sich – Anwohner sprachen sich gegen Bauantrag des Betreibers aus

Am Mittwochnachmittag tagte in Schwerin der Ortsbeirat Wüstmark, Göhrener Tannen. Dieses Mal stand unter anderem der bei der Stadtverwaltung eingegangene Bauantrag für das Erotikkino „Zur alten Post“ auf der Tagesordnung. Genauer das laufende Genehmigungsverfahren von Prostituierten-Wohnungen. Das Erotikkino selbst hat zwar schon seit Jahren seine Räumlichkeiten im ehemaligen Wüstmarker Postgebäude, der geplante Anbau scheint aber nun doch Unmut und Sorgen innerhalb der Bevölkerung zu erzeugen.

Die Ortsbeiratsvertreter waren schon vor der Sitzung etwas ergrimmt, denn wie es laut Pressemitteilung der Partei Unabhängige Bürger hieß, habe die Stadtverwaltung den Ortsbeirat nicht ausreichend in das Genehmigungsverfahren mit eingebunden. Es sei von Seiten der Verwaltung weder zu Erörterungen noch zur Einbeziehung von Gegenargumenten bei der Entscheidungsfindung gekommen.

Am 19. Februar trafen sich nun Beiratsmitglieder und einige Anwohner und Zuschauer (es waren sogar Vertreter von Antenne-MV und TV Schwerin anwesend) im Versammlungsraum der Freiwilligen Feuerwehr, um über das Erotikkino zu diskutieren.

Sexkino ja oder nein?

Auf der einen Seite ist das „Zur alten Post“ ein Erotikkino. Auf der anderen Seite will der Betreiber mehr. Mit dem geplanten Anbau soll ein Wohn- und Arbeitsbereich für Sexarbeiterinnen geschaffen werden. Sexdienstleistungen sollen hier also ganz legal und gesetzeskonform angeboten werden.

Baurechtlich wird es wohl keine Einwände gegen den An-/Umbau geben dürfen. Auch rechtlich nicht, denn Prostitution ist in Schwerin erlaubt – zudem befindet sich das Gebäude noch innerhalb des ansässigen Gewerbegebietes.

Zur Erinnerung:

Laut Art. 297 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) darf Prostitution bei mehr als 50.000 Einwohnern nur für einen bestimmten Teil der Gemeinde eingeschränkt werden. Ein gänzliches Verbot ist also nicht möglich.

Daneben gibt es in Mecklenburg eine 1992 inkraftgetretene „Landesverordnung über das Verbot der Prostitution“. Darin heißt es in Art. 1: „Zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes wird für das gesamte Gebiet von Gemeinden mit bis zu 15.000 Einwohnern verboten, der Prostitution nachzugehen.“

Auch gibt es für Schwerin keine Sperrgebietsverordnung. Der Betrieb eines Bordells oder bordellähnlichen Etablissements ist demnach innerhalb der Landeshauptstadt völlig zulässig!

Während der Sitzung wurde nun rege über das Etablissement diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass ein großer Teil der Wüstmarker gegen das Sexkino sei – zumindest gegen den geplanten Anbau sowie gegen Prostitution. Man mag sicherlich die einen oder anderen verlautbarten Sorgen und Bedenken nachvollziehen können. Für gewöhnlich, und so auch in diesem Fall, sind diese aber völlig unbegründet. So wurde auch hier befürchtet, ein zusätzliches Verkehrsaufkommen, Belästigung von Freiern etc. könnte sich in der Folge ergeben. Damit würde das Wohnklima gefährdet und gar die Grundstückspreise in den Keller gedrückt.

Alle reden über das Prostitutionsgewerbe, aber niemand mit deren Vertretern

Was an den Gesprächen ersichtlich wurde, ist dass die Beteiligten einen direkten Konsenz bisher nicht anstrebten. So wird fleißig über das Etablissement geredet. Mit dem Unternehmer oder den Angestellten wechselte jedoch niemand ein Wort. Warum nicht? Hat doch der UB-Fraktionsvorsitzender Silvio Horn von der Stadtverwaltung noch gefordert:

 „Es geht hier nicht darum, wie gefährlich oder ungefährlich die Prostitution in diesem Bereich ist. Es geht auch nicht darum, dass die Rechtslage offenbar keine oder nur geringe Möglichkeiten gegen diese Form von Prostitution bietet. Aber so ein Gewerbe weckt Befürchtungen in der Bevölkerung und dem muss sich die Verwaltung durch frühzeitige und ehrliche Bürgerbeteiligung stellen. Nur Information schafft Vertrauen“

Nur Information schafft Vertrauen. Er sagt es. Warum schafft man das aber von Seiten der Wüstmarker nicht? So merkte der Ortsbeiratsvorsitzende Roland Süß an, dass man über das Fehlen des Kino-Geschäftsführers enttäuscht sei. Allerdings: es hatte niemand Herrn Engelland eingeladen, noch diesen vorab anderweitig über die Sitzung informiert.

Hier passt wunderbar das Zitat des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen: „Alle reden über uns, aber niemand redet mit uns.“

Ein Grund sei angeblich der gewesen, dass man nicht in Erfahrung bringen konnte, wer der Betreiber sei. Tipp: Wie wäre es mit einfach mal rübergehen und klingeln/nachfragen??? Nochdazu sei den Diskutanten bewusst gewesen, dass der Betreiber auch das Motel Pampow führe. Hätte man im Impressum der Website nachgeschaut hätte man dort den Verweis auf die „E+E Entertainment GmbH“ gefunden. Eine kurze Nachfrage beim Gewerbeamt oder ein Blick bei der denic hätte schließlich schnell zu Herrn Engelland geführt.

Hier ist Kritik am Vorgehen des Ortsbeirates eindeutig angebracht.

Weiterhin stellt sich die Frage, warum sich in all den Jahren zuvor niemand am Kino gestört hat? Beschwerden seien beim Ordnungsamt nämlich bis dato keine eingegangen. Weil man Angst hat, durch eine Vergrößerung des Etablissements um wenige Quadratmeter werde von diesem ausgehend aus dem Stadtteil plötzlich ein Sodom und Gomorrha? Warum sollte es? Die Ängste sind schlicht unbegründet. Einzelbeispiele von erhöhtem Straßenverkehrsaufkommen sind schwerlich auf das Vorhandensein eines Bordells oder bordellartigen Betriebs zurückzuführen!

Das Thema Belästigung und Jugendgefährdung ist meist auch nur ein Scheinargument von konservativen Populisten. Den Vorwand, man könne von einigen angrenzenden Gebäuden aus auf den Hof des Erotikkinos blicken und dort im Sommer schon mal eine der sich dort sonnenden Damen sehen, darf man bewerten wie man will… Allerdings ist auch hierbei nicht zu verstehen, warum bisher noch niemand mit diesem Anliegen auf den Betreiber bzw. die Mitarbeiter zugegangen ist. Wenn hier die Jugend gefährdet sein sollte (auch wenn man das im Angesicht von sich schlicht sonnenden Damen wohl eher bezweifeln darf), dann sollte doch der erste und simpelste Weg der sein, sich an den Verursacher zu wenden. Eine Einigung und Lösung ist dann für Gewöhnlich schneller zu finden, als über eine hinterrücks und im Nachhinein geführte Debatte.

Prostitution in Schwerin ganz verbieten?

Eine andere Forderung war, Prostitution in Schwerin gänzlich zu verbieten – so wie es in Ribnitz und in Stralsund der Fall sei. Oha, in Stralsund ist Prostitution verboten? Das ist neu. Und auch falsch!

Zwar fällt Ribnitz-Dammgarten mit seinen 15.058 Einwohnern (Stand Dez. 2012) noch in die Städtekategorie, in welcher es nach Landesverordnung nicht verboten ist, der Prostitution nachzugehen. Aber 1995 ist hier tatsächlich eine eigene Verordnung in Kraft getreten, die besagt:

Landesverordnung über das Verbot der Prostitution in der Stadt Ribnitz-Damgarten

Vom 30. März 1995

Eingangsformel

Aufgrund von Artikel 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 6. Juni 1994 (BGBl. I S. 1170), in Verbindung mit § 2 der Landesverordnung über das Verbot der Prostitution vom 30. Juni 1992 (GVOBl. M-V S. 384) verordnet das Innenministerium:

§ 1

Zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes wird für das gesamte Gebiet der Stadt Ribnitz-Damgarten verboten, der Prostitution nachzugehen.

In Stralsund hingegen kann schon allein aufgrund der Einwohnerzahl (57.357 im Dez. 2012) gar kein generelles Verbot für Sexarbeit ausgesprochen werden. Zudem besagt die 1996 inkraftgetretene und 2011 geänderte „Verordnung über das Verbot der Prostitution in der Hansestadt Stralsund“:

Eingangsformel

Aufgrund von Artikel 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 6. Juni 1994 (BGBl. I S. 1170), in Verbindung mit § 2 der Landesverordnung über das Verbot der Prostitution vom 30. Juni 1992 (GVOBl. M-V S. 384) verordnet das Innenministerium:

§ 1

Zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes wird für das gesamte Gebiet der Hansestadt Stralsund verboten, auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen, in öffentlichen Anlagen sowie an sonstigen Orten, die von dort aus eingesehen werden können, der Prostitution (Straßenprostitution) nachzugehen.

§ 2

Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.

Schwerin, den 19. Januar 1996

Das heißt, jener Diskutant, welcher diese Behauptung aufgestellt hat, war unzureichend informiert. Das Verbot beschränkt sich lediglich auf Straßenprostitution. Wie war das noch gleich: „Nur Information schafft Vertrauen.“ Dann sollten die Informationen aber auch richtig sein. Gleich der Aussage des US-amerikanischen Nobelpreisträgers Enrico Fermi: „Der größte Feind des Wissens ist nicht das Nichtwissen, sondern das Halbwissen.“ Gleichwohl wird in öffentlich geführten Diskussionen nur allzugern Meinung und Gefühl mit Sachverhalt und Faktenlage verwechselt.

So erinnern wir uns an die Schwarzer`sche Hetzkampagne gegen Prostitution, welche nur so strotzt vor Halbwissen, Falschbehauptungen und Lügen.

Zum Leidwesen der Sexdienstleister/innen, Bordellbetreiber/innen etc. ist es jedoch so, dass hier Meinung vielfältig mehr wiegt als Sachverstand. Um beim Halbwissen zu bleiben, das erkannte auch Friedrich Nietzsche als er sagte: „Das Halbwissen ist siegreicher, als das Ganzwissen: es kennt die Dinge einfacher, als sie sind, und macht daher seine Meinung fasslicher und überzeugender.“ Traurig eigentlich…

rmv

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