Scobel – Sex gegen Geld. Prostitution in Deutschland

ResĂĽmee: Gelungene und investigative Sendung

Am vergangenen Donnerstag (16.10.) strahlte der Spartensender 3sat wieder sein Format „scobel“ aus. Thema dieses Mal: „Sex gegen Geld. Prostitution in Deutschland“. Zusammenfassend muss man definitiv sagen, dass dies eine gelungene und seriöse Sendung war. Moderator und Namensgeber Gert Scobel ludt dazu die Sozialarbeiterin (bei „Madonna“ in Bochum) Mechthild Eickel, den Bochumer Facharzt fĂĽr Haut- und Geschlechtskrankheiten, Norbert Brockmeyer, sowie den Soziologen Udo Gerheim (Uni Oldenburg) ins Studio. Brockmeyer und Eickel waren ĂĽbrigens beide am Runden Tisch Prostitution des Landes NRW beteiligt. Ein weiteres Zeichen fĂĽr die hohe Qualität der Sendung war, dass die zwischen den Einspielern und Kurzbeiträgen diskutierenden Gäste dies auf ĂĽberaus konstruktive Weise taten und dabei ĂĽberzeugend sachverständig ihre Erkenntnisse erörterten.

An dieser Stelle ein kleines ResĂĽmee der Sendung:

Ăśber Freier

Im ersten Film wurden, was eher selten der Fall und nicht selbstverständlich ist, Freier interviewt und deren BeweggrĂĽnde durchleuchtet. Dabei wurde weder angeklagt noch verurteilt. Polemische Verallgemeinerungen blieben auch im anschlieĂźenden Talk aus. Hingegen gab Udo Gerheim einige wissenschaftliche Erkenntnisse seiner Studie „Die Produktion des Freiers – Macht im Feld der Prostitution.“ wider. Ăśberraschend: Gerheim ist der erste, welchen ich in einer TV-Sendung mal eine Quellenangabe angebend gesehen habe. So geschieht es ja leider regelmäßig, dass vor allem von Prostitutionsgegnern unbelegte Aussagen getroffen werden, deren Echtheit dann ohne Quelle nicht nachvollzogen werden kann. Ein Lob an dieser Stelle an den Soziologen.

Von Seiten Gert Scobels wurde in diesem Zusammenhang auch Kritik darüber geäßtert, wie wenig Gehör die Wünsche und Meinungen von Prostituierten selbst innerhalb der meisten politischen Entscheidungsprozesse (so z.B. in Schweden geschehen) oder in Anti-Prostitutionskampagnen finden. Als Gegenbeispiel erwähnte er die Gesetzesinitiative in Neuseeland.

Ăśber den StraĂźenstrich

Im zweiten Beitragt wurde eine Beschaffungs-/Straßenprostituierte interviewt. Auch hier blieben Scobel und seine Gäste seriös und unterstrichen die Notwendigkeit der Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Facetten der Sexarbeit sowie den Beweggründen. Vorbildlich auch die Tatsache, dass sich der Moderator nach dem Einspieler noch einmal deutlich bei der Interviewten und deren Bereitschaft zum Gespräch bedankte.

Norbert Brockmeyer bemängelte u.a. die in Deutschland nicht anonymisierte und kostenfreie medizinische Behandlung hilfsbedürftiger Armutsprostituierter. Von allen Anwesenden wurde zudem die Einschränkung und Verdrängung des Straßenstrichs (ins Ungeschützte, ins Dunkle, ins Abseits) als negativ bescheinigt. Sie forderten stattdessen die rechtliche Gleichstellung, gesellschaftliche Akzeptanz und berufsbegleitende Betreuung/Beratung der Frauen.

Ăśber GroĂźbordelle

Einspieler 3: das Scobel-Team stattete dem neuen Luxusbordell „Paradise“ in SaarbrĂĽcken einen Besuch ab. Im Interview der als GeschäftsfĂĽhrer vorgestellte Michael Beretin. An dieser Stelle eine klare Kritik an die Scobel-Redaktion (bzw. die Autorin des Beitrags, K. Aschenbach). So maĂź man sich im Laufe des Beitrags doch einmal an, eine unbelegte und letztendlich nicht inhaltsschwere Behauptung zum Thema Steuerzahlungen aufzustellen.

Zuerst war da Berentins Satz: „[…] Prostitution ist fĂĽr den Staat ein verwaltungsrechtliches und technisches Problem.“

Die Autorin machte dann etwas ganz anderes daraus. Da hört man den Sprecher/Erzähler dann folgendes sagen:

„Rechtlich gesehen ist die Prostitution ein Gewerbe, dass wie jedes Gewerbe auf Gewinnerzielung ausgelegt ist. Deshalb mĂĽssten Sexarbeiterinnen ihre EinkĂĽnfte offenlegen und versteuern. Doch viele befĂĽrchten gesellschaftliche Stigmatisierung und wollen daher ihre Identität nicht preisgeben und lieber schwarzarbeiten.“

Eine ähnliche Unterstellung Prostituierte strebten Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit an, postulierte übrigens schon Herr Prof. Dr. Joachim Renzikowski, Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Juristischen Fakultät der Universität Halle Wittenberg und Gutachter für die Bundesregierung. Vielleicht hat die Scobel-Redaktion diese zum Vorbild genommen.

Ist Prostitution nun ein Gewerbe oder nicht?

Dass in Deutschland so wenige Prostituierte bei den Finanzämtern als solche registriert sind hat aber ganz andere Hintergründe als Steuerhinterziehung!:

Zwar erzielen selbständig tätige Prostituierte (wohlgemerkt ist das die Mehrzahl der Sexarbeiterinnen) EinkĂĽnfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Einkommenssteuergesetz – so ein Beschluss des Bundesfinanzhofs vom Februar 2013, GrS 1/12 – sie sind demnach zur Steuerzahlung (Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer) verpflichtet. Andererseits ist Sexarbeit gewerberechtlich kein anerkannter Beruf sowie kein anerkannter Freiberuf (siehe § 18 EStG und § 1 PartGG). Auch wenn der Bundesfinanzhof weiter vermerkt, dass die gewerberechtliche Einordnung oder eine Gewerbeanmeldung hierfĂĽr ohne Bedeutung sei. Hier liegt aber genau die Schwierigkeit. Die Steuerbehörden selbst bestreiten die Einordnung der Tätigkeit als Gewerbe nicht, wohl aber die Gewerbeämter. So entschied auch der Bund-Länder-Ausschuss „Gewerberecht“ im Juni 2002, dass Prostituierte somit weder eine Gewerbeanzeige tätigen, noch einen Antrag auf Reisegewerbekarte stellen können (mit Ausnahme einzelner abweichender kommunaler Entscheidungen). Damit erfolgt auch keine Information der Gewerbeämter an die Steuerbehörden.

Folgernd melden sich die meisten Sexarbeiterinnen eben auch nicht direkt als solche an. Ein Weiterer Grund ist (wie im obigen Zitat erwähnt) die Angst vor Stigmatisierung und fehlende gesellschaftliche Toleranz. Als Masseurin oder Tänzerin erwartet man eben weniger soziale Schädigung als geoutete Dirne. Jedoch eine daraus resultierende Schwarzarbeit ist wohl eher nicht allgemeine Regel.

Wörtlich nicht erwähnt, aber wahrscheinlich im Hinterkopf der Autorin Einfluss nehmend, so denke ich, ist die von der GroKo angestrebte Meldepflicht. Schon andere Medien und Einzelpersonen haben die Ablehnung einer solchen Meldepflicht von Seiten der Sexarbeiter_innen falsch widergegeben. Oft hieß es: Weil sie gesellschaftliche Stigmatisierung befürchten und ihre Identität nicht preisgeben wollen, verweigern sie sich der Anzeigepflicht bei den Finanzbehörden.

Das ist aber falsch. Die Bundesregierung will nämlich eine verpflichtende, behördliche Meldepflicht fĂĽr Prostituierte einfĂĽhren, welche gegenĂĽber – jetzt kommt’s – den Polizei- und Ordnungsbehörden abzuleisten ist. Dazu soll den Sexarbeiter_innen eine Art Ausweispapier (mitsamt aller persönlicher Daten) ausgestellt werden, welches darĂĽber hinaus gegenĂĽber Bordellbetreibern, Freiern usw. bei Verlangen vorgelegt werden mĂĽsse. Sexworker mĂĽssten sich zudem in jeder neuen Stadt registrieren. Das wĂĽrde den Behörden die Erstellung eines kompletten Bewegungsprofils ermöglichen. Wo da der Schutz der Huren sein soll …?

An dieser Stelle ein Zitat von „Dona Carmen“: „Die Meldepflicht fĂĽr Sexarbeiter/innen als eine Form der berufsspezifischen Ăśberwachung ist Ausdruck polizeilicher ĂśberwachungsbedĂĽrfnisse und spiegelt einen spezifischen gesellschaftspolitischen Kontext“. Mehr zum Thema Meldepflicht fĂĽr Sexarbeiter/innen in der von „Dona Carmen“ verfassten Kritik „Kontrollmädchen 2.0“!

Einen weiteren Grund fĂĽr die schwierige PrĂĽfbarkeit von gezahlten Steuerbeiträgen nannte auch der Runde Tisch Prostitution NRW: „Sexuelle Dienstleistungen werden ĂĽblicherweise gegen Bargeld erbracht. Diese Form des sofortigen Leistungsaustauschs, die unter Ausschluss der Ă–ffentlichkeit geschieht, hat zur Folge, dass ĂĽber die dabei flieĂźenden Summen und die damit erzielten Einkommen kaum Transparenz herrscht.“

Gegen Steuerbetrug sprechen zudem Sonder-/Doppelbesteuerungen wie mittels des „DĂĽsseldorfer Verfahrens“ oder mittels kommunaler Aufwandsteuern (VergnĂĽgungssteuer) – diese werden meist ĂĽber die Bordelle entrichtet. Hier bleibt in den Diskussionen aber häufig unberĂĽcksichtigt, dass diese Sonderbesteuerungen zum Einen bĂĽrokratischer Unfug sind und zum Anderen fĂĽr die (gesetzestreu handelnde) Dirne mitunter steuerrrechtliche Probleme darstellen: Unklarheiten und Schwierigkeiten bezĂĽglich Verrechnung/Nachweis in der Steuererklärung usw..

Das in der Breite vorsätzlich schwarzgearbeitet werde, ist also klar anzuzweifeln! In welchem Ausmaß Schwarzarbeit allerdings existiert, ist kaum prüfbar.

Was ich an dieser Stelle noch schade finde, ist, dass auf diesen einen Satz leider niemand in der Talk-Runde einging. Gesprochen wurde jedoch ĂĽber Prostitution als „Tauschhandel“ von sexuellen Dienstleistungen gegen Entgelt, ĂĽber Stigmata, sexuelle WĂĽnsche, etc. pp.. Dabei blieben die Diskutanten gewohnt seriös und kompetent.

Ăśber Zwangsprostitution

Der nächste Clip wurde von Scobel mit dem Hinweis eröffnet, dass laut der Erkenntnisse des Runden Tisches ein vermeintlicher Anstieg des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung nach Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes von 2002 nicht zu belege sein. Dann der Beitrag… Durchaus interessant beinhaltet auch dieser zwei fragwĂĽrdige Aussagen:

Zum Einen von der Redaktion selbst, so wird behauptet, die Frauen seien der Willkür von Bordellen und Zuhältern ausgeliefert, da die Polizei ohne Anfangsverdacht keine Durchsuchung durchführen kann. Auch Beratungsstellen/Streetworker kämen nicht an diese Frauen heran.

Das stimmt einfach nicht. Darauf wies anschließend auch Mechthild Eickel hin. Sie erklärte, dass den Beratungsstellen von den meisten Bordellbetreibern sehrwohl Zutritt sowie Kontakt zu den Prostituierten gewährt werde und auch die Polizei deutlich mehr Zugriffsrechte hätte.

Das wird vor allem deutlich, wenn man sich die wenigen veröffentlichten Datenlagen (in einigen Bundesländern wird die Zahl der durchgeführten Razzien wird statistisch nicht erfasst) anschaut. So gab es 2013 allein in Nordrhein-Westfalen ganze 821 Razzien und Kontrollen.

An dieser Stelle noch einmal ein (etwas älteres) Zitat von „Dona Carmen“: „Die Razzien- und Kontrolldichte ist im bundesdeutschen Prostitutionsgewerbe so hoch wie in keinem anderen Wirtschaftszweig. Ausweislich der seit ĂĽber zehn Jahren von Dona Carmen gefĂĽhrten Razzien-Statistik (vgl. www.donacarmen.de) wurden allein in den Jahren 2000 bis 2009 im Zuge von 223 GroĂźrazzien im bundesdeutschen Prostitutionsgewerbe in etwa 410 Städten und Gemeinden rund 4.000 Prostitutionsstätten und damit etwa 20.000 Frauen kontrolliert.”

Meine nächster Kritikpunkt bezieht sich auf die Auffassung/Wortwahl der GeschäftsfĂĽhrerin von „Frauenrecht ist Menschenrecht“ (FIM), Elvira Niesner.

Da behauptet sie, heute gäbe es deutlich mehr erzwungene Prostitution als noch vor 10 Jahren. Grund: die Armutsmigration infolge der EU-Osterweiterung. Mag ihre Aussage erst einmal plausibel klingen, allerdings gibt es für eine Verbindung von Armutsmigration und Zwangsprostitution kaum stichhaltige bzw. empirische Beweise. Denn das muss klar gestellt werden: Armutsprostitution ist nicht gleich von Menschenhändlern erzwungene Prostitution.

Weil Beweise fĂĽr einen angeblichen Anstieg von Menschenhandel einfach nicht existieren und diese Erkenntnis (nach Beendigung der Dreharbeiten) nun noch einmal von der Arbeitsgruppe in NRW offiziell kommuniziert wurde, war das wohl auch ein Grund, warum Moderator Scobel noch vor dem Einspieler darauf hinwies.

Elvira Niesner behauptet aber noch etwas anderes. Und zwar sagt sie: „… Männer kaufen Frauen, kaufen Sexualität, kaufen Körper von Frauen …“

Nein, das ist nicht so! Denn zwischen Prostituierter und Freier wird ein einvernehmlicher Abmachung getroffen, ein mündlicher Vertrag geschlossen, dem Freier wird eine temporäre Dienstleistung angeboten, Prostitution ist die Vornahme sexueller Handlungen gegen Entgelt. Würde der Freier eine Frau/einen Körper kaufen, wäre das Leibeigentum, Sklavenhandel, Übertragung von Besitz. Und das ist definitiv nicht der Fall.

Schlussplädoyer

Am Ende der Sendung trifft Gert Scobel noch einige wichtige Aussagen. Er kritisiert populistische Aktionen wie jene von Alice Schwarzer und der Emma (siehe dazu auch den Beitrag im hiesigen Blog) und dass, sobald der Begriff Menschenhandel aufkommt, immer alle jenen Äußerungen unhinterfragt Glauben schenken. Er stellt klar, dass Menschenrechtsverletzungen/Lohndumping als gesamtwirtschaftliches Problem gesehen werden müssen und nicht ausschließlich Prostituierte davon betroffen sind.

Sein Fazit: „Mann sollte vorschnellen Zahlen und leider auch Medienberichten nicht trauen. Es ist wichtig Sexarbeiterinnen oder Selbsthilfegruppen selber zu Wort kommen zu lassen, auch wenn das auf den ersten Blick fĂĽr viele unseriös und politisch unkorrekt erscheint.

In Wahrheit entspricht es aber dem Grundgedanken unserer Demokratie. Sexarbeiterinnen sollten, wie andere BĂĽrgerinnen auch, unabhängig von moralischen Urteilen die Chance haben, politisch handeln zu können. […] Die Prostituierten und Die Männer gibt es nicht. […]“

Das darf man so stehen lassen!

rmv

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