Sexualassistenz: Grüne fordern staatliche Unterstützung

Sexarbeit in Deutschland aber weiterhin kein anerkanntes Gewerbe

Das Prostituiertenschutzgesetz tritt im Juli diesen Jahres in Kraft. Das hatte der Bund so beschlossen. In den Ländern selbst herrscht allerdings bis heute noch jede Menge Unklarheit. So weiß keiner so recht, welche Behörde für was zuständig sein soll, wie der Mehraufwand an Arbeit (Registrierung, Beratung, Sachbearbeitung etc.) innerhalb der Ämter gewuppt werden soll… Dazu kommt, dass wohl ein Gros der Prostituierten gar nicht genau weiß, was mit dem ProstSchG auf sie zukommt. Geschweige denn dass sie überhaupt Kenntnis von der Existenz des Gesetzes haben.

Die Opposition des Deutschen Bundestages (Linke und Grüne) hatte das vermeintliche „Schutzgesetz“ leider nicht verhindern können. Nun kommen die Bündnisgrünen mit einer (nicht ganz) neuen Idee daher. Sexualassistenz bzw. Sexualbegleitung soll staatlich finanziert werden. Gegenüber der „Welt am Sonntag“ äußerte die pflegepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Elisabeth Scharfenberg, dass sie sich ein Modell nach dem Vorbild der Niederlande vorstellen könne. Damit soll es Pflegebedürftigen und Schwerkranken möglich sein, Sex mit Prostituierten bezahlt, also auf Rezept zu bekommen.

Kaum war die Äußerung Scharfenbergs medial verbreitet worden, kamen auch schon die Unterschiedlichsten kommentare und Meinungen von allen Seiten. Eine der blödsinnigsten ist sicherlich die des Hochschulprofessors Wilhelm Frieling-Sonnenberg. Dieser halte das Konzept Medienberichten zufolge für „menschenverachtend“, da es die Betroffenen mittels „sexuellen Druckabbau wieder funktionstüchtig machen“ und so ruhig stellen soll. Menschenverachtend ist aber wohl eher seine Aussage, da er damit jenen Menschen in Pflegeeinrichtungen ihre Sexualität bzw. den Wunsch danach abspricht. Und als Pflegeforscher sollte er wissen, dass der Umgang mit Sex in vielen Einrichtungen ein Problem darstellt. So sind körperliche Beziehungen oft weder unter den Bewohnern und schon gar nicht zwischen Pflegern und Bewohnern möglich. Statt nach Lösungen zu suchen, werden die sexuellen Bedürfnisse von Patienten/Pflegebedürftigen öffentlich jedoch totgeschwiegen oder als unwichtig abgetan.

Eine Vorreiterin der Idee der Sexualassistenz ist die Niederländerin Nina de Vries. In Deutschland findet das Konzept seit rund vier bis fünf Jahren mehr und mehr an Bedeutung. So veranstalteten in der Vergangenheit u.a. der Verein Kassandra e.V. zusammen mit pro familia Nürnberg Fortbildungen für die „Qualifizierte Sexualbegleitung/Sexualassistenz“.

Hierzulande bekannte Dienstleisterinnen sind z.B. Stephanie Klee und Edith Arnold. Bereits 2013 machte der Berliner Kurier auf das Thema aufmerksam und sprach mit Klee über ihre Arbeit (hier geht’s zum Interview). Edith Arnold wurde im vergangenen Jahr gar zum Interview bei „Planet Wissen“ eingeladen.

Trotz der scheinbar größeren öffentlichen Akzeptanz der Sexualbegleitung (im Vergleich zur sonstigen Prostitution) bleibt anzuzweifeln, dass die Grünen mit „ihrer“ Idee Erfolg haben. Letztendlich müssen sich auch jene Frauen und Männer erst einmal, wie alle anderen Sexworker auch, den Vorgaben des herabwürdigenden ProstSchG beugen. Und wir erinnern uns. Letzteres sieht Sexarbeit immer noch nicht als anerkanntes Gewerbe (nach Gewerbeordnung) an. Wie soll da Sexualassistenz staatlich finanziert werden?

rmv

Nach oben scrollen