SVZ berichtet ĂĽber Model-Wohnungen in Schwerin

An Belanglosigkeit kaum zu ĂĽberbieten

Was machen, wenn’s mal nicht viel zu berichten gibt? Diese Frage stellen sich einige Medienhäuser wohl regelmäßig und sogar außerhalb des sogenannten Sommerlochs. Die Antwort ist dann ganz leicht: entweder man konstruiert ein kleines Skandälchen oder man bauscht einfach wieder ein Thema auf, dass von jeher zwiespältig betrachtet wird. Zum Beispiel Prostitution. Jaaaa … Sex gegen Geld, das ist böse und frauenverachtend. Also los kleiner Lokalredakteur, schreib was über das Rotlicht!

Ob es sich im Folgenden so abgespielt hat, kann man nur mutmaßen. Doch aufgrund der entweder inhaltlich völligen Belanglosigkeit oder der versuchten Skandalisierung spricht einiges dafür. Am 27. November erschien also in der SVZ ein Bericht über die Wohnungsprostitution in Schwerin unter dem Titel „Und nebenan gibts Sex für Geld„. Darin wird der Leser über einen Wohnblock am Stadtrand informiert, in welchem sich eine Modelwohnung befindet. Eine Wohnung über deren Existenz die anderen Anwohner alles andere als erfreut zu sein scheinen.

Gucken wir uns nun ein paar Aussagen des Autors mit dem KĂĽrzel TAKE an. Er schreibt:

„Barbara, Bonnie und Betty sind auch manchmal da. Zwei, drei Tage, vielleicht auch eine Woche. Sind sie weg, kommen andere Damen. Sie nennen sich Mija, Monique oder Melody und werben auf einschlägigen Internetseiten dafür, sie zu besuchen. Wer kommt und Geld mitbringt, erhält als Gegenleistung Sex.“

–> ??? Und was nun? Hat der Autor was aufgedeckt oder braucht er nur Textfüller? Wohl eher letzteres.

„Zu viel Verkehr“, stöhnen die anderen Bewohner, die sich in diesem Haus Wohnungen als Eigentum zugelegt haben. Sie fühlen sich belästigt. „Hier leben Kinder. Es ist absolut inakzeptabel, was hier passiert. Die Jungen werden von den Damen manchmal sogar angemacht“, sagen sie.

–> NatĂĽrlich, die Kinderschiene wieder! Wie soll es auch anders sein. Wenn jemand in der Nachbarschaft, wohlgemerkt in verschlossenen Räumen, Geschlechtsverkehr hat, dann ist das vollkommen inakzeptabel und natĂĽrlich schädlich fĂĽr Heranwachsende. Echt albern und scheinheilig. Es wird sich doch nur ĂĽber sowas aufgeregt, wenn bekannt ist, dass dort Frauen anschaffen. Sonst kräht kein Hahn danach. Immerhin gibt es solche Appartements in fast allen Schweriner Wohngebieten. Hier passt der Spruch: „Was ich nicht weiĂź, macht mich nicht heiĂź.“

–> Und was soll das heißen: „Jungen werden angemacht“? Klingt nach Hörensagen! Denn: war das ein Einzelfall oder ein sich wiederholendes Vorkommnis? Gab’s mal einen dummen Spruch oder war es Belästigung? Wurde der Vorfall zur Anzeige gebracht oder war es eine Bagatelle? Was heißt Jungen? Kinder? Jugendliche? Am Ende hat die Aussage keinerlei Aussagekraft, leider aber jede Menge Emotionalität.

„Als eine nackte Prostituierte zeternd und volltrunken hinter einem Mann in Unterhose über die Flure her läuft, rufen Nachbarn die Polizei. Die Frau wird zur Wache mitgenommen. Dort muss ein Dolmetscher her – der ungarischen Sprache waren die Beamten nicht mächtig. Die Polizei nimmt auch die Wohnung in Augenschein. Für sie steht fest: das ist eine Model-Wohnung.

–> Hier ist’s wie beim vorherigen Zitat: keinerlei Aussagekraft, jedoch jede Menge Emotionalität. Das Geschriebene lässt (bewusst) viel Raum fĂĽr Spekulationen. Solche faktenlosen Geschichten könnte man hundertfach erzählen bzw. zusammenspinnen. Hier wird von Seiten des SVZ-Redakteurs klar Meinungsmache betrieben! Allerdings ist nicht ganz klar, welche Meinung Vermittlung finden soll. Ich fĂĽr meinen Teil weiĂź jedenfalls nicht, was mir das jetzt sagen soll.

Mach ich doch mal ein ähnliches Beispiel: Ein Mann wird vollgekotzt und lauthals grölend in einem Treppenflur aufgefunden. Eine Frau wird wimmernd in der angrenzenden Wohnung angetroffen. Die gerufenen Polizeibeamten nehmen den Mann in Gewahrsam. Da er nur weiĂźrussisch spricht, muss ein Dolmetscher her. Bei der Begutachtung der Wohnung wird schnell klar: diese wird fĂĽr Erntehelfer untervermietet.

“ „Im gesamten Landesgebiet sind uns 196 Prostitutionswohnungen bekannt“, so ein Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA).“

–> Allerdings sind a) nicht alle gleichzeitig besetzt und b) wird die Liste unseren Informationen zufolge vom LKA nur sporadisch bereinigt, d.h. einige dieser Modelwohnungen werden bereits seit längerem nicht mehr als solche genutzt.

„Doch was tun, wenn sich Anwohner von dem Treiben nebenan gestört fühlen? „Wer sich in seinem Recht als Mieter verletzt sieht, […] der kann eine Anzeige […]“, rät das LKA.

–> Ja, das Recht haben Mieter auch bei anderweitigen Ruhestörungen, Ordnungswidrigkeiten etc.. Somit hat auch diese Aussage irgendwie 0 Wert. Nur eben wirkt sie wieder emotionalisierend.

„Angst vor Repressalien – die spielt in diesem Milieu, in dem es häufig zu Straftaten kommt, eine große Rolle.“

–> Jetzt dreht der Autor auf und sein eigentliches Ziel wird überdeutlich: die Verläumdung und Kriminalisierung der Sexarbeit. Und das mit einer immer wieder in den Raum gestellten Verlautbarung, die, so weiß es nur der gut informierte Leser, keinerlei empirischen Bestand hat, für die es keine stützenden Beweise gibt.

Zwar will er seine Behauptung mit nachfolgendem Zahlenmaterial untermauern, doch beweist er eher das Gegenteil:

„Im Jahr 2014 wurden in MV sieben Ermittlungsverfahren im Bereich des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung abgeschlossen, bundesweit waren es 392. Sechs der Opfer waren Frauen im Alter von 19 bis 28 Jahre, die mehrheitlich aus Osteuropa stammten.“

–> So schlimm solche Taten auch sind, aber sieben Verfahren innerhalb eines Jahres in ganz MV sollen ein hohes Straftatenaufkommen belegen? Sieben sind ganz kühl betrachtet so wenig, dass der Zahlenwert nicht einmal in der Polizeilichen Kriminalstatistik MV 2014 auftaucht (2012 waren es übrigens neun und 2013 vier Ermittlungsverfahren). Hier sei auch noch einmal darauf hingewiesen, dass es sich um Ermittlungsverfahren und nicht um Verurteilungen handelt.

-> andere Straftaten listet der Autor gar nicht erst auf. Warum nicht? Nicht, weil es keine im Rotlichtmilieu gibt, sondern weil er es nicht kann. Denn Diebstahl, Körperverletzung, Raub, Veruntreuung etc.pp. werden statistisch nicht nach Örtlichkeiten/Gewerben getrennt erfasst.
Die Worte „Häufig“ und „große Rolle“ dienen also einfach nur einem gewissen Populismus.

„Zurück in das Haus am Schweriner Stadtrand: Dort haben die Wohnungseigentümer einen Anwalt eingeschaltet. Ist die Prostitution in der sich ebenfalls in Privatbesitz befindlichen Wohnung überhaupt zulässig? Das soll geklärt werden. Die Hausgemeinschaft will keine Prostituierten und Freier mehr im Treppenhaus haben, denn das geht ihr gehörig gegen den Strich.“

–> Gegen den Strich geht einigen Bürgern vieles. Ich erinnere mich gerade an Debatten/Verfahren der vergangenen Jahre, die einzelne Szeneclubs in der Altstadt zum Gegenstand hatten. Die Ansichten der Gegner waren nicht groß anders: Lärm, eine Vielen fremde Subkultur… Auch dort immer mit dabei: das Ordnungsamt.

–> Juristisch ist dem Betrieb von und in Modelwohnungen zudem aber auch gar nicht so leicht beizukommen. Denn in Schwerin gibt es keine entsprechende Sperrbezirksverordnung, welche Prostitution für bestimmte Stadtteile oder sogar ganz verbieten könnte.

Fazit: Die SVZ und ihre Berichterstattungen ĂĽber das Rotlicht: alles andere als ein journalistisches HusarenstĂĽck! Sie können’s einfach nicht, die Damen und Herren des Medienhauses. Andere Themen ja, aber nicht ĂĽber Prostitution. Wir erinnern uns nur mal an die Artikel ĂĽber den Fachtag „Prostitution in Mecklenburg-Vorpommern“ oder ĂĽber das Sex-Kino „Zur alten Post“ .

rmv

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