Travestie-Ikone Lilo Wanders schließt sich sexworkerfeindlicher Kampagne an

BesD zeigt sich schockiert über die 180 Grad Wende | Sexarbeiterin Madame Kali mit persönlichem Brief an Wanders

Mit falschem Feminismus kennen sich die Macher:innen der sexworkerfeindlichen Kampagne #RotlichtAUS aus. Neuester Medien-Clou sind „Aufklärungsveranstaltung“ und Plakataktion „gegen Zwangsprostitution“ in und um die niedersächsische Städte Stade und Buxtehude. Ein Clou, weil sie es schafften, die emotionalisierende und absolut stigmatisierende Plakatierung neben einem Bordell zu installieren und alle lokalen Medien davon berichten zu lassen. Ein Clou, weil wieder einmal auch seriöse Medienhäuser öffentlichkeitswirksam auf den Fake hereinfallen. So schafften es die #RotlichtAUS-Macher:innen um den Verein Sisters e.V. u.a. den NDR (hier) davon zu überzeugen, dass Zwangsprostitution und Menschenhandel hierzulande die Norm und nicht die Außnahme ist. Davon, dass man mit der Bordellplakatierung die Bevölkerung sensibilisieren und aufklären und zugleich die Prostituierten schützen wolle.

Ein Clou, weil sie örtlichen Treiberinnen der Mär vom machtlosen Staat und der übermächtigen Rotlicht-Lobby gefunden haben, wie die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Buxtehude, Gabi Schnackenberg. Dem NDR gegenüber sagte sie: „Wir möchten der Seite der Prostitution eine Stimme geben, die keine eigene hat, weil sie von Menschenhandel betroffen ist.“ In der Morgenpost spricht sie von einem „Meilenstein“: „Es ist nicht okay, Frauen zu verkaufen. Deshalb müsse Prostitution verboten werden.“ Verallgemeinerungen mittels der Plakataufschriften wie „Dein Spaß ist mein Horrortrip“ oder „Du bekommst und ich verkomme“ findet Schnackenberg gut (hier). Von freiwilliger Prostitution scheint Schnackenberg nichts wissen, den inneren Widerspruch zu ihrem Job nicht erkennen zu wollen. Was hat ein bundesweites Verbot für alle in der Sexarbeit tätigen Frauen denn mit Gleichstellung zu tun? Was ist mit dem Recht auf freie Berufsausübung? Wo ist die Gleichstellung hin, wenn unisono allen Prostituierten eine menschenunwürdige Zwangslage attestiert wird? Eine Farce ist Schnackenbergs Wunsch: „der Prostitution eine Stimme geben, die keine eigene hat, weil sie von Menschenhandel betroffen ist.“

Ein Clou der Abolitionist:innen-Bewegung, dass sie es schafft die Zahl der Kampagnen-Unterzeichner:innen prominent auszuweiten. Neusestes Mitglied im Chor der Faktenfremden: Schauspieler Ernst-Johann Reinhardt aka Travestie-Ikone Lilo Wanders. Wie sie das geschafft haben ist noch ein Rätsel. Denn bislang galt Wanders als Vorreiter der Sexpositivy-Bewegung, als Stimme für die queere Community, als Sprachrohr diverser stigmatisierten und victimisierten Minderheiten. Noch 2020 unterstützte die Kunstfigur Lilo Wanders öffentlich die Kampagne #RotlichtAN! und damit die Rechte von Sexworkern.

Zwei Jahre später eine 180 Grad Wende? Bis auf das Konterfei samt Handzettel gibt es bislang kein Statement von dem 66-jährigen Schauspieler. Sexarbeiterin Madame Kali hat ihr Entsetzen darüber daher in Zeilen gepackt und einen Brief an Wanders geschrieben. Weil dieser unbeantwortet blieb, ist der Text nun beim BesD öffentlich zu lesen (siehe hier). „Hallo Frau Wanders, seit gefühlten Ewigkeiten bin ich nun schon ein Fan von Ihnen“, beginnt die Bielefelder Domina. Mit Achtung und Respekt der Adressatin gegenüber schreibt Kali weiter. Wird aber deutlich in Sachen Hurenstigma und Tokenismus. Denn genau das ist jenen sexworker- und diskursfeindlichen Kampagnen wie #RotlichtAUS von jeher zu eigen. Madame Kali stellt Lilo Wanders Fakten zum Schwedischen Weg und zu Expert:innenwissen zur Verfügung und schließt ihren Brief mit „wir können Sexarbeit nicht verbieten, wir können aber mit entscheiden unter welchen Bedingungen sie stattfindet“.

Weltweit versuchen derzeit konservative, christlich fundamentale und rechtsnationale Kräfte Hand in Hand die Rechte von Frauen sowie von ethnischen, religiösen und queeren Minderheiten auszuhebeln und zu unterminieren. Was mit den Abtreibungsverboten in den USA und Polen zum Ausdruck kommt, ist beim Kampf gegen Prostituiertenrechte vielleicht nur noch eine Frage der Zeit. Meines Erachtens sind die Bestrebungen von sexworkerfeindlichen Vereinigungen wie Sisters, Mission Freedom oder Solwodie ein Teil des westlichen rechtsrucks. Denn diese und weitere abolitionistische Vereine haben es gemeinsam mit medial aufmerksamkeitsgierigen Einzelpersonen wie bspw. Leni Breymaier (MdB), Alice Schwarzer (Publizistin), Huschke Mau (Aktivistin) oder Manfred Paulus (Krimonalkommissar a.d.) innerhalb der letzten Jahre geschafft, ein gewichtiges, rechtskonservatives Netzwerk zu spinnen. Dabei gelingt es ihnen mittlerweile in allen großen und kleinen Medienformaten (von Printmedium über Podcast bis Talkrunde und Podiumsdiskussion) Gehör zu finden. Was ihnen noch gelingt: sich von ihrem eigenen Selbstanspruch (Opferhilfe und -beratung, Kampf für Gleichstellung von Minoritäten…) mehr und mehr zu entfernen und ins komplette Gegenteil zu wandeln. Hin zu einem mittlerweile offenkundig antifeministischen, sexualfeindlichen, ideologiebasierten und vor allem sich selbstüberhöhenden Missionarstum.

Tragisch, dass von öffentlicher Hand finanzierte Gleichstellungsbeauftragte, Aufklärer-Ikonen und Öffentlich Rechtliche darauf herein fallen…

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