Und schon wieder heißt es „Prostitutionsverbot“

Bundestag im Reichstag in Berlin

Prostitutionsstätten-Schließung soll angeblich bestätigen: „Die Frauen haben keine eigene Existenz.“

Nu ist es also schon wieder geschehen. 16 Parlamentarier von CDU/CSU und SPD fordern in einem neuen Papier einen langfristigen „Shutdown“ für den Erwerb von sexuellen Dienstleistungen. Die lieben Bundestagsabgeordneten haben sich dafür diesmal sogar eine ganz neue Begründung einfallen lassen – inkl. beeindruckender Terminologie. So habe das Gewerbe die „Wirkung eines >epidemiologischen Superspreaders<„. Mal unbeachtet, dass diese unterstellende und entwürdigende Bezeichnung gar nicht geht. Als langfristigen Shutdown verstehen sie letztendlich ein grundsetzliches Verbot von Prostitution. Jaja, schon wieder. Unter den 16 Politikern finden sich dann weniger verwunderlich Namen wie Leni Breymaier (SPD), Karl Lauterbach (SPD)

Wir erinnern uns:

Bereits Im September vergangenen Jahres hat sich SPD-Mann Karl Lauterbach, den ich bislang zu den seriösen und bedachten Bundestagsabgeordneten zählte, auf die Seite der sexualitätverklärenden Abolitionisten und moralkonservativen Verklärer geschlagen. Gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger postulierte er damals ohne Rot zu werden Sätze wie: „Prostitution trägt in Deutschland Züge einer modernen Form von Versklavung“ oder „Man könne nicht Frauenrechte fordern und und gleichzeitig Zwangsprositution gesetzlich ermöglichen.“

Und das obwohl seine Partei maßgeblich an dem Gesetzesdesaster namens „Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“ (Prostituiertenschutzgesetz – ProstSchG) beteiligt war. Wir erinnern uns, schon mit Beginn der ersten Entwürfe wurde es von etlichen Organisationen und Verbänden und dazu allen Prostitutionsvereinigungen verrissen. Nichs als ein bürokratisches Monster ist es geworden, eines, das noch dazu die Persönlichkeitssrechte der zu schützenden Personenruppe einschränkt.

Ohne klip und klar einzugestehen, dass das Union/SPD-Gesetz nicht nur gescheitert ist, sondern den angeblichen und viel postulierten Schutzcharakter nur im geringsten zu erfüllen, Wollte Lauterbach nun einen neuen, alten Weg gehen. Er forderte nun ein gänzliches Verbot, also ein Gesetz im Sinne des schwedischen Vorbilds.

Nur kurtz darauf dann folgte der nächste Streich der Monogamie-vor-der-Gerechtigkeit-Gottes-Anhänger. Im Bundestag wurde jener Arbeitskreis zur Eruierung der Gegebenheiten rund um die Prostitution in Deutschland gegründet.

Keine eigene Existenz – Schwedisches Modell – 400.000 in Ausbildung und Beruf bringen

Und nun, die Corona-Pandemie hat die Welt erfasst und auch in Deutschland kämpfen unzählige Menschen und Unternehmen um ihre Existenz. Viele finden sie Wege aus der Krise. Und beinahe überall unterstützt der Staat mit immensen Geldmitteln. Nur eine Berufsgruppe fällt durch das Raster. Schlimmer noch, jetzt werden sie weiter diffamiert. 

Als Untermauerung ihrer Forderung stellen die 16 Parlamentarier die These auf, wonach „die derzeitige Schließung der Prostitutionsstätten bestätige, dass die Frauen keine eigene Existenz hätten.“ Ganz im Gegensatz seien sie Sklaven ihrer Zuhälter. 33.000 ausgelieferte Frauen ohne eigene Existenz? So viele sind nämlich aktuell in Deutschland behördlich registriert. Und Lauterbach und Co. gehen in ihrer kruden Argumentation sogar noch weiter, denn sie kramen einen altbekannten Mythos hervor. Jenen der eigentlich 400.000 Prostituierten.

Krass. 400.000 Frauen – ja Frauen, denn andere Geschlechter gibt es nicht in der Sexarbeit sollen nun… ja was eigentlich. Achso: „eine Ausbildung oder Tätigkeit in einem existenzsichernden Beruf“ wahrnehmen.

OK, jetzt wird es wirklich wild. Europa und die Welt steckt in einer nie dagewesenen Krise. …bleiben wir für unsere Geschichte mal in Deutschland. Wahrscheinlich werden hierzulande tausende Menschen ihren Job verlieren oder für Jahre in der Kurzarbeit steckenbleiben. Und da kommen 16 gelangweilte Bundestagler und wollen so zwischen 33.000 bis 400.000 Prostituierten Ausbildung und Beruf sichern. Außerdem, wie kommen die eigentlich darauf, dass all jene über nichts davon verfügen? Wo kommen denn die freien Stellen überhaupt her? Und heißt das, dass die Herren und Damen Abgeordneten auch den ganzen ausländischen Sexarbeiter_innen Job und Ausbildung gewärleisten wollen? Was haben sie mit jenen Menschen vor, die jetzt genau wegen der Pandemie-Auswirkungen als einzigen Strohhalm die Prostitution sehen?

Hoffen wir, dass dieses Hirngespinst ein solches bleibt. Eines, das ganz schnell wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwindet…

Übrigens: Die LGBTI-Organisation der Linkspartei (Die Linke.queer) verurteilt das Papier, spricht von Doppelmoral. So heißt es: „Die durch die Corona-Krise ausgelöste wirtschaftliche Not von Sexarbeiter*innen für Verbotsforderungen zu missbrauchen statt Hilfeprogramme aufzulegen, zeigt auch die moralische Verkommenheit der Abgeordneten um Leni Breymeier deutlich auf.“ Die Linke.queer stellt ferner einen Vergleich mit dem Vorstoß des CSU-Politikers Peter Gauweiler vor 30 Jahren her, als dieser in seiner Funktion des bayerischen Innenstaatssekretärs Aids-Kranke gegen ihren Willen internieren wollte.

Insbesondere die Hurenverbände sind in den vergangenen Wochen nicht untätig geblieben. Anstatt auf billige Polemik zu bauen, wie ihre Kritiker, haben sie nach Lösungen aus der Krise gesucht. Der BesD hat ein Hygiene-Konzept erarbeitet und fordert eine gleichberechtigte Behandlung. Näheres auf berufsverband-sexarbeit.de Ebenso hat der UEGD ein Hygienekonzept entwickelt. Und auch der BSD e.V. setzt sich für die Branche ein.

rde

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