„Weg mit der Freierbestrafung!“: Verfassungsbeschwerde unterstützen

Neufassung des § 232a Abs.6 StGB vom Oktober 2021 kann als Prostitutionsverbot durch die Hintertür verstanden werden

„Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – effektivere Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings sowie Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen Zwangsprostitution“ – so der sperrige Titel einer Gesetzesnovellierung aus dem vergangenen Jahr. Bereits Am 1. Oktober 2021 trat die von der alten Bundesregierung initiierte Verschärfung der „Freierstrafbarkeit“ in Kraft. Klamm und heimlich war sie des nächtens verabschiedet worden.

Doch was sich auf den ersten Blick richtig anhört, nämlich die Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen Zwangsprostitution, entpuppt sich beim genaueren Hinschauen als Einführung der Lightversion des Nordischen Modells durch die Hintertür. Immerhin werden Freier damit unter Generalverdacht gestellt. Ihnen wird noch deutlicher ein Mitwissen attestiert, dass es sich bei ihrem Sexdate, im Falle des Falles, um ein „Opfer von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung oder um eine von Zwangsprostitution betroffene Person handelt“. Denn durch die Einführung des unbestimmten Rechtsbegriffes und Straftatbestandes der „Leichtfertigkeit“ wird eine höchst bedenkliche Formulierung verankert. Denn was heißt leichtfertig?

Freiern wird im Zweifelsfall also die Fähigkeit/ Expertise attestiert, Zwangsprostitution innerhalb eines einzigen Sexdates zu erkennen. Also etwas, was vorab weder Kriminalbeamten, Sozialarbeiter_innen in Beratungsstellen, Beratern der Gesundheitsämter oder jenen die Anmeldebescheinigung ausstellenden Behördenmitarbeiter_innen gelungen war. Im Gegensatz zu nachstehenden Personengruppen werden mit obiger Gesetzesnovellierung allerdings nur jene Freier kriminalisiert, sollte im Laufe eines späteren Verfahrens herauskommen, dass Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung im Raum stand.

(6) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer an einer Person, die Opfer
1. eines Menschenhandels nach § 232 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a, auch in Verbindung mit § 232 Absatz 2, oder
2. einer Tat nach den Absätzen 1 bis 5
geworden ist und der Prostitution nachgeht, gegen Entgelt sexuelle Handlungen vornimmt oder von ihr an sich vornehmen lässt und dabei deren persönliche oder wirtschaftliche Zwangslage oder deren Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, ausnutzt. Verkennt der Täter bei der sexuellen Handlung zumindest leichtfertig die Umstände des Satzes 1 Nummer 1 oder 2 oder die persönliche oder wirtschaftliche Zwangslage des Opfers oder dessen Hilfslosigkeit, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Nach den Sätzen 1 und 2 wird nicht bestraft, wer eine Tat nach Satz 1 Nummer 1 oder 2, die zum Nachteil der Person, die nach Satz 1 der Prostitution nachgeht, begangen wurde, freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht diese Tat zu diesem Zeitpunkt ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.

https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__232a.html

Kampagne und Verfassungsbeschwerde initiiert

Aus diesem Grund hat der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen e.V. (BSD) die Kampagne „Weg mit der Freierbestrafung!“ ins Leben gerufen. „Die Freierbestrafung ist das Prostitutionsverbot durch die Hintertür. Verbotspolitik funktioniert nicht und treibt die Beteiligten in den Untergrund. Bringt das in Ordnung!“, heißt es auf der zugehörigen Webseite bringt-das-in-ordnung.de. An den Bundesjustizminister gerichtet heißt es: „Sehr geehrter Herr Bundesjustizminister Buschmann, setzen Sie sich für die Abschaffung der intoleranten Gesetzesänderung ein. Finden Sie gemeinsam mit den betroffenen Menschen Lösungen für einen wirklich wirksamen Opferschutz!“

Die Kampagne unterstützt maßgeblich eine heute, anlässlich des internationalen Hurentags, von zwei namentlich nicht genannten Klägern beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereichte Verfassungsbeschwerde gegen die Verschärfung der „Freierstrafbarkeit“ in § 232a Abs. 6 Satz 2 StGB. Insbesondere weil sie mit dem Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar sei.

Mit Unterstützer_innen, Betroffenen und Fachleuten fand begleitend heute Vormittag die zugehörige offizielle Pressekonferenz zur Einreichung der Verfassungsbeschwerde statt. Ort war das FKK Artemis in Berlin.

Die Kampagnenseite stellt neben Hintergrundinfos alle aktuellen Entwicklungen rund um die Verfassungsbeschwerde sowie einen Faktencheck zu in der Sexarbeit und Sexbranche kursierenden Halbwahrheiten und Falschbehauptungen bereit.

Setze mit bereits über 100 anderen Menschen (Stand 02.06.2022) ein Zeichen gegen unwirksame Verbots- und Moralpolitik:

Gesetzestexte im Internet:

Strafgesetzbuch (StGB) § 232a Zwangsprostitution

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – effektivere
Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings
(23. Juni 2021)

zum Gesetzgebungsvorgang

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