Was bedeutet Sexualbegleitung oder Sexualassistenz?

Seien wir ehrlich: Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung werden in unserer Gesellschaft immer noch nicht zu 100% als dazugehörig empfunden. Ja, man akzeptiert diese Personen und gesteht ihnen auch weitestgehend die gleichen Rechte zu. Dennoch sind sie nicht vollständig in die Gesellschaft integriert. Soziale Kontakte oder was sonst ein privates Leben ausmacht, beschränkt sich meist auf die Familie oder maximal auf die direkte Nachbarschaft.

Wer nicht selbst jemanden aus diesem Personenkreis in unmittelbarer Nähe hat, der hat mit Sicherheit nicht den Einblick in das Leben dieser Menschen. Denn es handelt sich um Menschen, mit denselben Sehnsüchten wie nicht behinderte Menschen. Eine dieser Sehnsüchte ist das ganz normale Bedürfnis nach körperlicher Nähe und damit verbunden auch das Bedürfnis nach Sexualität. Letztere ist immer noch eines der immer weniger werdenden Tabuthemen unserer Gesellschaft. Bisweilen gilt diese Vorstellung sogar als pervers. Fakt ist jedoch, dass auch Menschen mit einer wie auch immer gearteten Behinderung das Bedürfnis nach Nähe, Zärtlichkeit und Sex in den Menschenrechten zugesichert wird. Das Problem dabei ist vielfach jedoch die Möglichkeit der Umsetzung dieses Menschenrechtes. Das hat neben Mangel an einem Partner logischerweise auch oft ganz praktische Gründe.

Hier kommt nun eine Dienstleistung ins Spiel, die kaum jemandem, der sich nicht mit dem Leben eines behinderten Menschen befasst, bekannt ist. Es handelt sich um die so genannte Sexualassistenz. Die Sexualassistenz ist eine Dienstleistung, die sich sehr deutlich von der reinen Prostitution abgrenzen möchte. Denn im Vordergrund dieser Dienstleistung ist der Mensch und nicht das simple bescheren eines Orgasmus für Geld.

Bei der Sexualassistenz oder auch Sexualbegleitung geht es darum, das Erleben von Zärtlichkeit, Sinnlichkeit und Erotik zu ermöglichen. Unterschieden wird bei der Sexualassistenz zwischen passiver und aktiver Sexualassistenz. Bei der passiven Sexualbegleitung geht es vermehrt um die reine Beschaffung und Vermittlung von Informationen zur Thematik. Auch Fahrdienste sind hier denkbar. Weiterhin sind physische Hilfestellungen denkbar um eine Selbstbefriedigung oder gar einen Sexualkontakt zu einer weiteren Person zu ermöglichen. Man kann sich vorstellen, dass gerade die passive Sexualassistenz sehr individuell von der jeweiligen Behinderung abhängig ist.

Bei der aktiven Sexualassistenz findet ein realer sexueller Kontakt in aktiver Form statt. Grundsätzlich geht es hier aber primär um das befähigen der betroffenen Menschen. Schließlich sollen sie ihr eigenes selbstbestimmtes Sexualleben führen können. Wie auch immer die Sexualbegleitung aussehen mag, eines steht mit Sicherheit fest: Es erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Vertrauen. Ein behinderter Mensch ist im Laufe seines Lebens möglicherweise oft auf Ablehnung gestoßen, wenn es um die Umsetzung körperlicher Nähe gegangen ist. Nicht wenige dürften sich vielleicht schon damit abgefunden haben, dass für sie dieser Lebensbereich nicht zugänglich ist. Dass nun mit einer Sexualassistenz die Türe zu genau diesem bereits für verloren erklärten Lebensbereich plötzlich doch geöffnet wird, erfordert mit Sicherheit ein hohes Maß an Vertrauen.

Denn erst einmal muss das Gefühl der Selbstverständlichkeit wieder erwachsen. Das Wissen, dass es völlig normal ist, dass man Gefühle wie Nähe, Zärtlichkeit und auch Lust empfinden darf, muss sich erst wieder bestätigen. Dies ist bei jedem Erstkontakt die wichtigste Aufgabe der Sexualassistenz. Der Klient muss sich und seinen Körper annehmen. Wie wir alle das Bedürfnis haben, begehrt zu werden, so trifft das in gleichem Maße auch für Menschen mit Behinderung zu. Nur dass diese eben oft starke Zweifel daran haben. Diese Scheu muss erst beseitigt werden, bis eine wie auch immer geartete Sexualassistenz stattfinden kann.

Eine Sexualassistenz benötigt daher ein hohes Maß an Behutsamkeit und Empathie. Denn es geht mehrheitlich um das Erlebnis für die Seele, die diese Menschen vielleicht noch mehr als gesunde Menschen benötigen. Hier ist es notwendig, dass es zu einer ehrlichen Verbindung zu der behinderten Person kommt. Denn schließlich ist Sex etwas sehr Intimes, da wir dabei vieles von uns preisgeben. Die Art und Weise also, wie dieser Sex stattfinden kann, muss bei jedem Klienten individuell entstehen und braucht daher Zeit. Regelmäßiger Sex sorgt für einen gewisse seelische und auch körperliche Ausgeglichenheit, dies ist bewiesen. Wenn einem behinderten Menschen diese Möglichkeit gegeben werden kann, so ist das mit Sicherheit ein schöner Beitrag dazu, das Leben der Betroffenen zu bereichern und ein Stück weit lebenswerter zu gestalten. Die Dienstleistung der Sexualassistenz ist meines Erachtens nach daher eindeutig im medizinisch pflegerischen Bereich anzusiedeln und hat absolut nichts verwerfliches an sich.

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