Wie sieht’s aus mit der Prostitution in Bremen?

Lara Freudmann und Klaus Fricke haben eine Studie ĂŒber rumĂ€nische Sexarbeiterinnen veröffentlicht

In Deutschland geistern leider unzĂ€hlige Halbwahrheiten, Vorurteile und subjektive Meinungsbilder zum Thema Prostitution umher. Dass hĂ€ufig auftauchende Behauptungen bei nĂ€herer Betrachtung nicht haltbar sind, habe ich hier schon mehrfach versucht darzulegen. Zum Beispiel wunderte ich mich erst kĂŒrzlich ĂŒber die Aussage in der Rhein-Zeitung ĂŒber rumĂ€nische und bulgarische Sexarbeiterinnen (siehe hier).

Gegen Ă€hnliche Zahlen-Jonglagen seitens der Politik muss sich auch das Bremer Rotlicht-Milieu erwehren. Weil die Datenlage aber völlig unzureichend ist, haben sich nun zwei Betreiber ran gesetzt und eine Studie gemacht. „Sexarbeit in Bremen. RumĂ€nische Sexarbeiterinnen – Arbeitsort Wohnung“ ist in einer Vorabausgabe bereits am 11.02.2014 veröffentlicht worden.

Einleitend heißt es da u.a.:

„Die Datenlage zum Wirtschaftszweig der sexuellen Dienstleistungen ist ebenso unzureichend, wie darauf aufbauende, sozialwissenschaftlich gesicherte, allgemeine Aussagen zum PhĂ€nomen. […] Trotz dieser fachlichen Einsicht wird der öffentliche Diskurs zur Sexarbeit mit individuellen Gewissheiten und

unter der Annahme von Wahrheiten gefĂŒhrt, die als Glaubenssatz taugen, nicht als RealitĂ€tsbeschreibung …“

So sei es auch in Bremen der Fall, dass „in der öffentlichen Diskussion um die Sexarbeit mit Zahlen operiert wird, deren Aussagekraft unklar ist.“

FĂŒr ihre Studie haben die Autoren Lara Freudmann und Klaus Fricke GesprĂ€che mit 64 in Wohnungen tĂ€tigen Sexarbeiterinnen rumĂ€nischer Herkunft gefĂŒhrt. Sie haben DatensĂ€tze des Werbeportals Hostessen-Meile ausgewertet und analysiert, schließlich die so gewonnenen Erkenntnisse mit jenen von der Öffentlichkeit vertretendenden Behauptungen verglichen.

Interessant dabei ist auch, dass Freudmann und Fricke gegen die angeblich in Deutschland existierenden, horrend hohen Dunkelziffern argumentieren. So sagen sie:

„Egal ob Frauen freiwillig der Sexarbeit nachgehen, oder sie gezwungen sind, dieser Arbeit gegen ihren Willen nachzugehen, mĂŒssen sie fĂŒr sich und ihre Angebote

Werbung machen oder wird fĂŒr sie Werbung gemacht. Sonst kommen keine Kunden zu ihnen. Sexarbeiterinnen bewerben sich und ihre Angebote im Wesentlichen ĂŒber Werbeportale im Internet. […]

Es ist eher unwahrscheinlich, dass es neben diesem öffentlich erkennbaren Angebot noch einen bedeutenden Bereich im geheimen stattfindender sexueller Dienstleistungen gibt (Dunkelfeld). Woher sollten die Kunden dieses im verborgenen liegenden Angebotes kommen, wenn bereits trotz großer Werbemaßnahmen die UmsĂ€tze im Hellfeld je tĂ€tiger Sexarbeiterin seit 2007 eher geringer geworden sind? Wieso sollten potentielle Kunden sich auf die Suche nach verborgenen, unsichtbaren Angeboten machen, wenn es eine sehr große Auswahl an Angeboten unterschiedlichster Arten und öffentlich bekannter Orte der Sexarbeit in Bremen gibt? Es ist daher auch unwahrscheinlich, dass ein großes Dunkelfeld entgeltlicher sexueller Dienstleistungen etabliert werden kann, das ausreichend profitabel ist, um fĂŒr Strukturen organisierter KriminalitĂ€t interessant zu sein oder gar deren Bildung anstĂ¶ĂŸt. Sofern es zu „GewaltverhĂ€ltnissen zwischen Schleppern, ZuhĂ€ltern und Frauen“kommt, sind die betroffenen Frauen zum ĂŒberwiegenden Teil ĂŒber das Hellfeld der Werbung fĂŒr sexuelle Dienstleistungen ermittelbar. Insofern sind Aussagen der Bundesregierung und des Bundeskriminalamtes (BKA) zu hinterfragen […]“

Leider hat die Studie nur einen Haken. Obwohl reprÀsentativ und inhaltlich gut, wurde sie nicht von einem unabhÀngigen Institut oder dergleichen verfasst. Unterstellungen, Freudmann und Fricke hÀtten aufgrund ihrer Position als Bordellbetreiber Einfluss auf die Befragten nehmen sowie Zahlen beschönigen können, sind denkbar. Das wissen auch die Autoren und weisen darauf hin:

„Zweifel und Kritik an der Studie, sind wie immer bei solchen Arbeiten, notwendig und zulĂ€ssig. Sie sind eine Herausforderung. In einer sachlichen Diskussion geht es

darum, Ergebnisse zu bestĂ€tigen, zu korrigieren, zu widerlegen. SchĂ€tzungen, Mutmaßungen und EinzelfĂ€llen sind unredliche Versuche in einem sachlichen Diskurs. Zu solchen Versuchen gehören auch zu erwartende VorwĂŒrfe, dass diese Studie von Pro-Sexwork-Lobbyisten oder gar im Auftrag dunkler HintermĂ€nner verfasst und vorgelegt worden ist. Wer Zweifel hat, der mache sich bitte die MĂŒhe der Erhebung und des GesprĂ€chs und mache transparent, woher Ergebnisse stammen und wie sie ermittelt wurden. Diesem Kriterium der Transparenz sollte auch das Land Bremen und insbesondere seine Polizei, genĂŒgen, sofern erneut Zahlen vorgelegt werden.“

FĂŒr alle, die sich interessieren: die komplette Studie kann man auf sexworker.at herunterladen. Zudem hat der Weser Kurier Online ein Interview mit Klaus Fricke gefĂŒhrt (vom November 2013) . Lesen lohnt sich …

rmv

Nach oben scrollen