Die Fantastereien der Alice Schwarzer
Das Interview zwischen der „Welt“ und Alice Schwarzer ist zwar schon seit dem 04. November online (auf welt.de), heute möchte aber auch ich hier ein paar Worte darĂĽber verlieren. Das Thema Prostitution und Alice Schwarzer ist ein leidliches, sollte eigentlich kaum einer Erwähnung wert sein, dennoch muss es. Frau Schwarzer hat viel öffentlichen Einfluss, ihr Wort ist fĂĽr etliche Menschen Gesetz. Die Ă„uĂźerungen von Deutschlands Erzfeministin Nr. 1 erfahren häufig kaum Kritik und Reflektion. Und gerade weil das so ist, ist es immer wieder wichtig den Schwarzer’schen ErgĂĽssen entgegenzutreten.
Anfang November veröffentlichte die „Welt“ also unter dem Aufmacher „Nur eine Welt ohne Prostitution ist human“ das besagte Interview. Anlass war u.a. der von der „Emma“ (deren Herausgeberin Alice Schwarzer ist) initiierte Aufruf/die Unterschriftenaktion Appell gegen Prostitution. Die Welt bestach, mit stets gewahrter Neutralität, durch kritisches Hinterfragen, durch das Aufmerksam machen auf Schwarzers Denkfehler sowie durch etwas Streitlust (leider am Ende zu wenig). Und Schwarzer? Sie bot Paroli, aber nicht etwa mit stichhaltiger Argumentation oder der Vorlage von Beweisen. Nööö … Frau „ĂĽber-90-Prozent“ fantasiert und konstruiert sich was zusammen, dass sich die Balken biegen.
Hier einige Beispiele:
- Denn Prostitution ist in Deutschland heute gesellschaftsfähig. Sie gilt als cool.
- Nur eine Welt ohne Prostitution, eine Welt, in der Männer nicht für einen Geldschein den Körper und die Seele einer Frau benutzen können, wäre eine humane Welt.
- Dieses Gesetz (ProstG, Anm.) wurde von Anbeginn an für Menschenhändler und Zuhälter gemacht, nicht für die Prostituierten.
- Der Hauptfehler war die Leugnung der Machtverhältnisse: zwischen Erwachsenen und Kindern bei der Pädophilie, zwischen Männern und Frauen in der Prostitution.
- Die Frauen sind seither noch schutzloser. Mit Selbstbestimmung hat das fĂĽr 95 Prozent der Prostituierten nichts zu tun.
- Diese Verbände (Lobby-Verbände der Prostituierten, Anm.) sind in den Händen der Bordellbetreiber – und die verdienen an den Frauen.
- 90 Prozent aller Prostituierten wollen aussteigen – aber sie können es oft nicht
- Ăśber 90 Prozent aller Prostituierten erlitten schon als Kinder Missbrauch.
- 90 Prozent des so genannten Frischfleischs, das in Deutschlands Bordellen angeboten wird, kommt heute aus Bulgarien oder Rumänien.
- Sie (Prostituierte mit deutscher StaatsbĂĽrgerschaft, Anm.) sind entweder in das Milieu hineingeboren worden. Oder sie haben schon als Kind lernen mĂĽssen, gefĂĽgig zu sein, sich mit Sex Zuneigung zu erkaufen, sind also Opfer von Missbrauch.
- Drei von vier Prostituierten sind abhängig von Drogen und Alkohol, zwei von drei werden im Job vergewaltigt, zwei von drei leiden unter posttraumatischen Störungen.
Diese Aussagen brauchen nicht mehr wirklich kommentiert werden, weil wir sie schon des Öfteren klar widerlegt haben (z.B. hier). Auch die Welt fragte nach woher Schwarzer ihre Zahlen habe, denn die eigenen Recherchen ergäben ein komplett anderes bzw. lückenhafteres Bild. Schwarzers Antwort:
„Ihre Statistik zeigt nur, wie ineffektiv selbst auf der Ebene das Prostitutionsgesetz ist. Niemand hat ein Interesse, Transparenz in dieses dunkle Geschäft zu bringen. […] Wir sind also auf Schätzungen angewiesen.“
Vorher behauptete sie aber noch unumwunden, die Zahlen seien „sehr leicht auch selber zu recherchieren“.
Bitter lachen musste ich auch bei diesem Satz:
„Ich habe in den vergangenen 40 Jahren noch nicht eine Frau kennengelernt, die den Job gerne gemacht hätte und nicht eigentlich aussteigen wollte.“
Bedenkt man aber, dass Frau Schwarzer regelmäßiger Gast in diversen Talkshows war und ist, in denen dann auch emanzipierte und freiwillig arbeitende Sexarbeiterinnen zugegen waren, dann staunt man schon etwas über jene Behauptung. Aber was soll man schon erwarten von einer notorischen Wahrheitsverdreherin, um nicht zu sagen Lügnerin.
Wird man bei dieser kleinen „NotlĂĽge“ noch nicht stutzig, sollte man es aber werden, wenn die 70-Jährige ausschlieĂźlich Prozentangabe von ĂĽber 90 macht. Egal was, immer scheint die Beweislast eklatant hoch zu sein. Komisch irgendwie, wenn es keine verlässlichen Zahlen gibt. Vielleicht kann Frau Schwarzer aber auch gar keine Prozentrechnung. Mag ja sein. Aber dadurch wird es ja nicht entschuldbarer. Denn recherchiert man etwas genauer, dann gibt es keinerlei Beweise fĂĽr Schwarzers Behauptungen. Und jene wenigen Studien, auf die sie sich bezieht (dabei benennt sie diese ja noch nicht einmal beim Namen) sind dann entweder fehlerhaft oder in keiner Weise repräsentativ.
Dazu sollte auch der Beitrag „Prostitution ist ein Deal, kein Verbrechen“ (ebenfalls auf welt.de) des Hamburger Musikers Bernd Begemann gelesen werden: Eine Abrechnung mit Alice Schwarzer und der Emma …
rmv
Nachtrag, 18.11.2013 : Gestern veröffentlichte der österreichische Kurier (www.kurier.at) einen Artikel über die Prostitution in dem Alpenland. Neben den vier Prominenten, welche ein durchweg realistisches Verständnis von Sexarbeit, der Folgen ihrer Kriminalisierung sowie der Differenzierung zwischen Prostitution und Menschenhandel haben, kommt dann leider auch Frau Alice Schwarzer wieder zu Wort. Diese allerdings in einem ausführlichen Interview.
Unqualifizierte Aussagen wie:
„Die eigenen emanzipierten Frauen sind ihnen (Anm.: den Freiern) oft zu anstrengend. Sie haben keinen Bock auf Gespräche. Vielen geht es auch um Macht. Macht ĂĽber die Frauen finden sie geil“,
finden sich in jenem Gespräch leider nur allzu häufig.
Auf die ebenfalls vom Kurier gestellte Frage, ob es sich freiwillig prostituierende Frauen gebe (der Kurier bezeichnet das erstaunlicherweise selbst als Mythos), antwortet Schwarzer nun etwas anders, als noch gegenĂĽber der Welt:
„Reden Sie von diesem Dutzend der immer wieder selben Frauen, die seit Jahren in Talkshows sitzen und sagen, wie schön die Prostitution ist: Ich frage mich schon lange, was deren Haupteinnahmequelle ist – die eigene Prostitution oder die Propaganda fĂĽr die Profiteure der Prostitution. […] Aber in der Tat, wir kennen auch ein paar sogenannte „freiwillige“ Prostituierte. Die reden allerdings unter vier Augen ganz anders als in der Ă–ffentlichkeit. Sie sind meist seelisch kaputt, ihre Sexualität ist zerstört, und ihr Vertrauen in die Männer sowieso. Sehr häufig sind sie auch als Kind missbraucht worden – da war der erste Schritt in die Prostitution nicht mehr groĂź.“
Aha, nun kennt sie doch welche … Aber die Antwort könnte nicht diffamierender und verletzender sein. Wenn Frau Schwarzer von den „immer wieder selben Frauen“ spricht, sollte sie sich mal vor den Spiegel stellen. Kaum eine Frau ist in der deutschen Medienlandschaft so immanent präsent wie die fĂĽr ihren quälenden Tendenzjournalismus bekannte Emma-Herausgeberin. Der Rest des Zitats ist einfach nur Bullshit!
Zum Thema Sexarbeit kann man sich Aussagen dieser Frau absolut nicht antun. Und als „Vorzeige-Feministin“, wie sie der Kurier betitelt, kann man sie beim besten Willen schon lange nicht mehr sehen.
rmv