Zwei Prostituierte in Ludwigsaue versetzen Gemeinde in Angst und Schrecken

Stadt kann „Straßenstrich“ nicht verbieten. Anwohner befürchten Drogenhandel und Beschaffungskriminalität

Unmut und Angst breiten sich in Ludwigsaue aus, einem Dorf, das zur Brandenburgischen Kleinstadt Kremmen gehört. Grund: an der nahen Landstraße haben zwei Straßenprostituierte Einzug gehalten. Die Dorfbewohner befürchten nun, dass damit Drogenhandel und Beschaffungskriminalität einher gehen wird. Es seien bereits öfter benutzte Kondome im Wald auf dem Gebiet von Beetz und Ludwigsaue gefunden worden, berichtet die „Märkische Allgemeine“.

Und an dieser Stelle darf ich jetzt mal zynisch lachen. Wieder diese Kondomgeschichte. Weil benutzte Präservative herumliegen, ist auch ein Anstieg von Kriminalität zu befürchten … . So ein Schmarrn!

Im Bericht auf maz-online.de, heißt es dann noch, dass die Einwohner mittels Unterschriftensammlung die Errichtung eines Sperrbezirks fordern. Laut befragten Ordnungsamtschef wäre dies verwaltungsrechtlich wohl nicht möglich. Besser noch die Antwort des Kremmener Bürgermeisters. Gegenüber der Märkischen Oderzeitung (MOZ) sagt er zum Thema Sperrbezirk: „Ich weiß nicht einmal, was das sein soll. Ich kenne keinen Weg, wie so etwas von uns eingerichtet werden könnte.“ Großartig, gut vorbereitet der Mann. Zwar kann er selbst wirklich keinen Sperrbezirk einrichten, was ein Sperrbezirk aber ist, hätte er sich ja mal vor dem Interview erlesen können.

Auf jeden Fall hätten die beiden Sexarbeiterinnen sowohl eine Aufenthaltsgenehmigung als auch einen Gewerbeschein. Das sei bereits von der Polizei überprüft worden. Also alles Rechtens. Oder doch nicht? Die Unterschriftenaktion haben 75 Männern und Frauen aus Beetz, Sommerfeld und Ludwigsaue unterstützt. Wie es heißt „zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands“. Zitat auf moz.de: „Prostitution wirft ein schlechtes Licht auf unser Dorf, wir werden in die Schmuddelecke gestellt.“ Und weiter: „Wir wissen nicht, welche kriminelle Energie dahinter steckt. Das schürt Ängste.“

In Ludwigsaue herrscht also ein „Klima der Angst“? Wegen zweier Sexarbeiterinnen? Wie groß muss denn die gesellschaftliche Phobie vor bzw. die Kriminalisierung von Prostituierten sein, dass eine Gemeinde so panisch reagiert?

Sperrbezirk nicht möglich? Im Land gibt es keine entsprechende Verordnung!

Was mich jedoch kurz wunderte, ist, dass es in Kremmen scheinbar keine verwaltungsrechtliche Handhabe gegenüber der ausgeübten Prostitution gebe. Schließlich ist die Stadt samt eingemeindeter Ortsteile nur etwa 7100 Einwohner groß. Sollte Prostitution dort nicht grundsätzlich verboten sein? Nicht ganz, denn im Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB), Art. 297 heißt es:

„Die Landesregierung kann zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes (1.) für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu fünfzigtausend Einwohnern, (3.) unabhängig von der Zahl der Einwohner für öffentliche Straßen, Wege, Plätze, Anlagen und für sonstige Orte, die von dort aus eingesehen werden können, im ganzen Gebiet oder in Teilen des Gebiets einer Gemeinde oder eines gemeindefreien Gebiets durch Rechtsverordnung verbieten, der Prostitution nachzugehen.“

Hierbei fallen zwei wichtige Punkte ins Auge:

1. das Wort „kann“. Eine Landesregierung „kann“ also zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes verbieten, der Prostitution nachzugehen.

Bereits 2009 beschäftigte sich die brandenburger CDU mit einem ähnlichen Fall im Raum Potsdam (2 Prostituierte an der B2). Bis dato gab es im ganzen Bundesland keinen einzigen Sperrbezirk, ist eine entsprechende Rechtsverordnung nicht erlassen worden. Und auch heute, 2014, gibt es keineSperrbezirksverordnung in Berlin und Brandenburg – trotz alljährlicher Anträge der Oppositionsparteien (vornehmlich CDU).

2. Sexarbeit auf öffentlichen Straßen kann verboten werden, wenn die Straßen von der Gemeinde aus eingesehen werden können.

Eventuell könnte, gäbe es eine einschränkende Verordnung, auch die Einsehbarkeit ausschlaggebend sein, denn die L19 verläuft nicht durch das Dorf Ludwigsaue. Die Landstraße ist a) rund 400 Meter vom Dorfeingang entfernt und b) aufgrund von Waldbeständen von dort eben nicht einsehbar.

Ob der zweite Punkt nun rechtlich relevant ist oder nicht, auf jeden Fall zeigt er ganz pragmatisch die Unbegründetheit der geschürten Ängste auf. Denn wie soll die Jugend oder der öffentliche Anstand gefährdet sein, wenn der Arbeitsplatz der beiden Frauen vom Dorf aus nicht einsehbar ist? Zumal es nicht deren Arbeitsplatz ist, Sex wird sicherlich nicht direkt am Straßenrand verrichtet. Es ist lediglich ihr „Werbeauftritt“. Somit kann sich doch niemand von den Damen gestört fühlen, weil er im Vorbeifahren mal für einige Sekunden einen Blick auf sie richten konnte/musste. Und als öffentlicher Fußweg wird die Landstraße sicherlich nicht genutzt.

Ein Tipp von mir: vielleicht sollten die aufgebrachten Dörfler erst mal mit den Frauen sprechen, bevor gegen sie gehetzt wird. Und wenn ein Dialog nicht möglich sein sollte (evtl. Sprachbarriere) dann darf man trotzdem freundlich sein. Der einzige Grund, warum das Ansehen der Gemeinde geschadet werden könnte, ist der, das diese mithilfe der lokalen Medien eine kriminalisierung der Prostituierten anstrebt.

rmv

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