Einigung zum neuen Prostitutionsgesetz?

Ein Kompromiss der keiner ist

„Durchbruch beim Prostitutionsgesetz“ titelt dar Nachrichtensender n-tv. Demnach habe sich die Große Koalition über die angestrebten Punkte für das neue Prostitutionsgesetz geeinigt. Laut verschiedenen Medienberichten bzw. Angaben der Deutschen Presseagentur (dpa) hat sich folgendes in puncto Reform ergeben:

– Die Kondompflicht für Freier soll eingeführt werden. Allerdings ohne Bußgeld-Androhung gegen die Prostituierten.

Was soll das heißen? Wenn ein Beamter, getarnt als Testfreier, eine Hure dabei erwischt, wie sie seinem Wunsch nach ungeschütztem Sex nachkommen will, darf er mit schüttelndem Kopf den Zeigefinger hin und her schwenken – als Zeichen der Missbilligung und Verwarnung. Oder was? Wo ist da der tiefere Sinn. Oder heißt „ohne Bußgeld-Androhung“ sie kommt gleich vors Gericht und dann ab in den Knast? Anders ist die Sache mit dem Kondomgebrauch doch gar nicht prüfbar. Wie sollten denn Freier kontrolliert und bestraft werden? Videoüberwachung? Ich versteh’s nicht.

– Das Mindestalter von 21 Jahren wird nicht in den Gesetzentwurf übernommen.

Gut ist’s. Wäre nur ein weiterer Schritt dahin, die freie Berufswahl ad absurdum zu führen.

– „allerdings soll es für die 18- bis 21-Jährigen demnächst besondere Auflagen geben“, heißt es auf spiegel.de. Demnach solle sich eine unter 21-Jährige immer nur für ein Jahr als Prosituierte anmelden dürfen. Dazu sei diese verpflichtet, sich alle sechs Monate medizinisch beraten zu lassen. Über 21-Jährige müssen hingegen alle zwölf Monate zu einer „medizinischen Beratung“ gehen.

Was soll denn das bitteschön? Anstelle der von der CDU/CSU geforderten medizinischen Untersuchung – man erinnere sich: bereits schon einmal, bis ins Jahr 2000 war diese für alle Sexarbeiterinnen verpflichtend (der sogenannte Bockschein) und ist mit Recht abgeschafft worden – schwenkt die GroKo nun um hin zu einer Beratung? Was soll das sein? Die Untersuchung wollten die Christdemokraten doch nur um ihr angestrebtes Prostituiertenregister zu perfektionieren und die Arbeit der Sexarbeiterinnen weiter einzuschränken, zu reglementieren, die Frauen zu gängeln… . Ob nun verpflichtende Untersuchung oder Beratung, wo ist da der Unterschied. So oder so stünde vielen Frauen damit ein Zwangsouting bevor.

– Ferner blieb man bei der Forderung nach einer Erlaubnispflicht für Prostitutionsbetriebe sowie dem Verbot von Flatrate-Sex-Angeboten. Auch die Anmeldepflicht für die Prostituierten selbst soll bestehen bleiben.

Während letzteres nichts mehr ist als eine hetzerische und stigmatisierende Ganzzeitüberwachung der Frauen – man bedenke, dass jene Anmeldepflicht nichts mit einer verpflichtenden Anmeldung bei Gewerbeämtern oder Krankenkassen zu tun hat sondern in einer bei Polizeibehörden zentralen und eigenständigen Hurenkartei inkl. mündet – klingt die Konzessionierung von Bordellbetrieben eigentlich nicht weiter verwerflich. Die eigentliche Absicht dahinter – sofern die CDU bei ihrer Linie bleibt – sieht man aber bei näherer Betrachtung. An dieser Stelle möchte ich den Verein Dona Carmen (der komplette offene Brief ist hier zu lesen) zitieren:

„Sowohl die eigenverantwortlich getätigte Meldung der einzelnen Sexarbeiterin an jedem Ort, an dem sie tätig ist, als auch die in die Erlaubnispflicht eingebaute, Betreiber gestützte Variante der Meldepflicht verstoßen gegen das grundgesetzlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das auch Sexarbeiterinnen zusteht.

Die nun im Zuge der Einführung der Erlaubnispflicht vorgesehene behördliche Registrierung von Sexarbeiter/innen ermöglicht ein umfassendes Bewegungsprofil der Frauen als Angehörige einer nach wie vor stigmatisierten Berufsgruppe. Ihre Erfassung zielt auf ein zentrales Register aller im Prostitutionsgewerbe tätigen Frauen. Das ist keine mutwillige Unterstellung seitens Doña Carmen e.V., das ist die erklärte Absicht des – nicht nur von der Regierung hoch geschätzten – Papstes der bundesdeutschen Prostitutionsgesetzgebung, Prof. Dr. Joachim Renzikowski, der ohne Scham die „Einrichtung eines zentralen Prostitutionsregisters“ fordert. (siehe: Stellungnahme Renzikowski zur Bundestagsanhörung vom 12.6.2014, S.8)“

Wie man sieht, haben SPD und CDU/CSU also keineswegs Kompromisse geschlossen. Das angestrebte Prostitutionsgesetz ist so verwerflich wie eh und je. Der wie immer behauptete Schutz der Prostituierten vor „Gewalt, Ausbeutung und Krankheiten“ ist nicht im mindesten das Ziel der Regierung Merkel. Erst recht nicht der Schutz vor der eigenen Behördenwillkür und Stigmatisierung. Und Zwangskennzeichen für eine bestimmte Gruppe von Personen gab es schon einmal in der Geschichte. Wärend dieser Tage Pegida und Co das Abendland „retten“ wollen, will man in Berlin die Sexarbeiterinnen „befreien“. Nur vor wem und zu welchem Preis?

Dass die ganze Debatte mit unsäglicher Doppelmoral geführt wird, kann man übrigens auch an den Medienberichten selbst sehen. Bspw. hat n-tv seine Berichterstattung in die Rubrik „Gesellschaft Kriminalität Prostitution“ verortet. Und so geschieht es ständig. Prostitution wird erst einmal pauschal kriminalisiert, die Frauen a prioril für unmündig, unselbständig und wehrlos erklärt. Dann beginnt deren glorreiche Rettung …

Linke dagegen

Die Linksfraktion im Bundestag hält indes nichts von den obigen Plänen. in ihrer Pressemitteilung sprach sich die frauenpolitische Sprecherin Cornelia Möhring gegen die damit einhergehende Stigmatisierung und Entrechtung der Sexarbeiterinnen aus. Auch die linke Politikerin Kersten Artus kritisierte kürzlich den Hamburger Senat für das in der Hansestadt geltende wirre Kontaktanbahnungsverbot (siehe hier)

Während man sich bei der Partei Die Linke weitgehend einig ist, fällt eine Dame seit Jahren völlig aus der Reihe: Die Wiesbadener Stadtvertreterin Manuela Schon, die auf abolition2014.blogspot.de und lipiwi.de auf weitgehend demagogische und verklärende Weise (teils sogar verschwörungstheoretisch) ganz im Stile von Schwarzer, Ackermann und Co. für eine Illegalisierung der Prostitution aufruft. Warum Frau Schon bei dieser Art diametralem Interessenskonflikt mit der Bundespartei nicht bereits längst aus der Partei ausgetreten ist, verstehe ich nicht. Wer weiß …

rmv

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