EU-Parlament will Prostitution verbieten

Mitgliedstaaten sollen Ausstiegsstrategien fĂĽr Prostituierte entwickeln. Resolution noch nicht bindend

Am gestrigen Mittwoch verabschiedete das Europäische Parlament eine nicht bindende Resolution, wonach Freier bestraft werden sollen. Bereits am 23. Januar hatte der Ausschuss des Europäischen Parlaments fĂĽr die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter / Women’s Rights and Gender Equality Committee, kurz FEMM, den der Resolution zugrunde liegenden Bericht verabschiedet – entgegen der Empfehlung aller europäischen Sexworker-Organisationen sowie verschiedener Gesundheits- und Non-Profit-Organisationen. Autorin von Bericht und Resolution ist die 61-jährige Europaabgeordnete Mary Honeybell.

343 Parlamentarier fĂĽr ein Prostitutionsverbot

Wie es in der Pressemitteilung des EU-Parlaments heiĂźt, stimmten 343 Abgeordnete fĂĽr und nur 139 Abgeordnete gegen die Resolution. 150 Parlamentarier enthielten sich der Stimme.

Weiter heiĂźt es auf europarl.europa.eu: „Das Parlament fordert die Mitgliedstaaten auf, Ausstiegsstrategien fĂĽr Prostituierte zu entwickeln, indem zum Beispiel alternative Einnahmequellen fĂĽr Frauen gefunden werden, die einen Ausweg aus der Prostitution suchen.“ SchlieĂźlich wĂĽrde nicht nur Zwangsprostitution, sondern auch freiwillige sexuelle Dienstleistungen gegen Bezahlung die Menschenrechte und die WĂĽrde des Menschen verletzen.

Honeywell postuliert gar: „Statt der Legalisierung, die in den Niederlanden und Deutschland zu einem Desaster gefĂĽhrt hat, brauchen wir einen nuancierten Ansatz, der die Männer bestraft, die die Körper der Frauen als Gebrauchsgegenstand behandeln, ohne dabei diejenigen zu bestrafen, die in die Sexarbeit abgeglitten sind“.

Gegen diesen ausgekochten Humbug wehrten sich vergangenen Monat auch 39 deutsche Organisationen, wie HYDRA, bufas, die Deutsche AIDS-Hilfe oder der BSD. Denn nichts anderes ist es als unausgegohrener, platt und verklärt gedachter Humbug. Sexarbeiter/innen werden hierbei pauschal als Opfer abgestempelt und entmündigt. Die aktuelle Entwicklung zeigt aber, dass diese und andere Proteste leider nicht von Erfolg gekrönt waren.

Abolitionismus Schwedens als Vorbild

So glauben die meiĂźten Europaabgeordneten immernoch, dass Prostitution eine Verletzung der Menschenrechte und eine Form von Gewalt gegen Frauen sei. Weiterhin fordern sie „käuflichen Erwerb sexueller Dienstleistungen von Prostituierten, die unter 21 Jahren sind“ in alle EU-Staaten zu kriminalisieren. Sexarbeit und Menschenhandel pauschal gleichsetzend heiĂźt es dann auch, dass „eine der besten Wege, Prostitution und Frauen- bzw. Mädchenhandel zu bekämpfen, das sogenannte nordische Modell ist, das in Schweden, Island und Norwegen angewendet wird.“

Warum weiterhin am Schwedischen Modell festgehalten wird, bleibt schleierhaft. Zumal immer mehr Zahlen dafĂĽr sprechen, dass jene Gesetz in Schweden und Norwegen im Hinblick auf die Abschaffung der Prostitution total ineffektiv sind.

AuĂźerdem, warum vergleicht das EU-Parlament innereuropäische, mehrere Dutzend Millionen Einwohner starke Staaten mit Island? Schon allein die Tatsache, dass der Inselstaat nur rund 320.000 Einwohner hat (davon leben allein 120.000 in der Hauptstadt Reykjavik), zeigt doch, dass man diesen nicht mit bspw. Deutschland vergleichen kann. Das Verhältnis ist doch ein völlig anderes. Auch das der Bevölkerungsdichte, leben in der Bundesrepublik 226 Einwohner auf einen Quadratkilometer, sind es in Island nur 3,1. Somit ist nicht nur der soziale und gesellschaftliche sondern auch der wirtschaftliche Hintergrund ein völlig anderer. Prostitution organisiert sich hier komplett anders – unabhängig von Verbot oder Legalität.

Zwar ist die Resolution nicht bindend, falls sie es dennoch zu einem Gesetz schaffen sollte, dann wird nicht nur Sexarbeitern und Sexarbeiterinnen ihre legale Arbeitsgrundlage beraubt. Nur spricht davon nie jemand, denn das Sexgewerbe besteht ja nur aus Opfern (Zwangsprostituierte) und Tätern (Freier und Zuhälter). Worunter fallen eigentlich Sexualassistenten/-begleiter? Fallen geschlossene Sexkontakte über einschlägige Seitem im Internet (wie bspw. gesext.de) auch unter die Kategorie Prostitution? Und was kommt danach? Wird dann die Produktion, der Besitz oder gar die Konsumierung von Pornografie verboten?

Neben den zigtausenden Sexdienstleister/innen in Europa verlören aber auch folgende Personen eine/ihre Einnahmequelle:

– Bordell- und Clubbetreiber

+ deren Angestellte (Tänzer, Bardamen, Reinigungskräfte, Hausmeister, Buchhalter …)

+ deren Hausvermieter

– Betreiber von Werbeagenturen (Print und Online)

+ deren Angestellte/Partner (Grafik-Designer, Programmierer, Telefonisten, Buchhalter, Reinigungskräfte …)

– Webseitenbetreiber

– Auch Tages und Wochen-Zeitungen, welche Inserate von Sexarbeiterinnen veröffentlichen, verlören eine enorme Erwerbsquelle.

Da kommt man ja gleich wieder zu oben erwähntem Zitat: „Das Parlament fordert die Mitgliedstaaten auf, Ausstiegsstrategien fĂĽr Prostituierte zu entwickeln, indem zum Beispiel alternative Einnahmequellen fĂĽr Frauen gefunden werden“. Hier sieht man ganz klar, wie einseitig und kurzsichtig die Sichtweise derer ist. Es verlören ja nur die Sexarbeiterinnen ihre Entgelte. AuĂźerdem wie und womit wollen die denn die Verdienstausfälle begleichen? Wo sollen denn die Jobs herkommen? Werden mit einem Prostitutionsverbot ganz automatisch auch die sozialgesellschaftlichen Missstände in Rumänien, Bulgarien und Co. gelöst, welche viele Frauen in die Prostitution „treiben“? Ist das EU-Parlament wirklich so naiv?

Bleibt zu hoffen, dass es bei dem vermeintlichen Coup von Ms. Honeybell nur bei jener nicht bindenden Resolution bleibt. Vielleicht ist das auch nur eine groteske Wahlkampfstrategie von ihr und diversen Abgeordneten. Eine europaweiter Weg in Richtung Prohibition wäre nur Fatal für das humanistisch geprägte Abendland.

rmv

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