Göppingen: Eroscenter muss seine Pforten endgültig dicht machen

Verwaltungsgerichtshof teilt Rechtsauffassung der Stadt

Das Laufhaus „Eroscenter – Göppingen“ muss seinen Betrieb einstellen. Das entschied nun, laut der Neuen Württembergischen Zeitung (NWZ), in letzter Instanz der Mannheimer Verwaltungsgerichtshof. Grund: das seit 1977 als Bordell genutzte Haus befände sich in einem Mischgebiet. Damit sei der Betrieb unzulässig. Nachdem bereits 2011 die Stadt Göppingen dem Hauseigentümer untersagte, das Gebäude weiterhin als Bordell zu nutzen, zog der Eigentümer erst vor das Stuttgarter Verwaltungsgericht und klagte, nachdem dieses seinen Widerspruch abgewiesen hatte, letztendlich beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Allerdings ohne Erfolg.

Von 1977 bis 2011 duldete die Stadt den Betrieb, dann aber gab es scheinbar Beschwerden aus der Bevölkerung und der Göppinger Stadtverwaltung viel ein, dass sich das Haus ja in einem Mischgebiet befindet. Und ein Bordellbetrieb in einem sogenannten Mischgebiet ist in Göppingen leider unzulässig (im Gegensatz zur Wohnungsprostitution) – Legal wäre ein Bordellbetrieb hingegen in Kern-, Gewerbe- und Industriegebieten. Gleiches Verbot galt damals übrigens auch für das Nachbarhaus, die „Villa 17“. Deren Betreiber schloss im Gegensatz dazu jedoch unverzüglich seine Pforten.

Zu den zu unterscheidenden Baugebieten informiert die „Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke“ (BauNVO). Mischgebiete werden in Artikel 6 erklärt:

§ 6 Mischgebiete

(1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören.

(2) Zulässig sind

1. Wohngebäude,

2. Geschäfts- und Bürogebäude,

3. Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes,

4. sonstige Gewerbebetriebe,

5. Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,

6. Gartenbaubetriebe,

7. Tankstellen,

8. Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind.

(3) Ausnahmsweise können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 außerhalb der in Absatz 2 Nr. 8 bezeichneten Teile des Gebiets zugelassen werden.

Und hier steckt der Teufel im Detail – zumindest für Göppingen. Nach obiger Regelung wären ja Vergnügungsstätten, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind sowie sonstige Gewerbebetriebe zulässig. Dem ist aber nicht so. Ein Auszug aus der Göppinger Vergnügungsstättenkonzeption:

2.1.1 Unterschiedliche Nutzungsprofile und städtebauliche Störpotenziale von Vergnügungsstätten und Rotlichtangeboten

Prostitutive Einrichtungen wie Bordelle, bordellartige Betriebe, Terminwohnungen sowie Einrichtungen der Wohnungsprostitution werden hingegen nicht als Vergnügungsstätten sondern als Gewerbebetriebe eigener Art eingestuft.

Diesen Nutzungen ist gemeinsam, dass ihnen ein eher negatives Image anhaftet, aus denen sich nachbarschaftliche Konflikte mit „seriösen“ Nutzungen ergeben (kulturelle/ soziale Konflikte). Von diesen verstärkt in den Abend- und Nachtstunden frequentierten Nutzungen gehen Beeinträchtigungen der Wohnruhe aus, u.a. bedingt durch einen verstärkten Kraftfahrzeugverkehr als auch durch „milieubedingte“ Störungen (z.B. Belästigung der Anwohner durch das Klingeln an der falschen Haustür).

Ein Imageverlust geht auch mit Auswirkungen auf die Standortfaktoren einher, so dass Rotlichtangebote als Indikator für die Erzeugung von Trading-down-Effekten herangezogen werden können.

(Der im letzten Satz verwendete Begriff „Trading Down“ beschreibt übrigens einen „typischen Entwicklungstrend eines Stadtteilzentrums vom vollständigen Angebot mit pulsierendem Leben hin zu zunehmenden Leerständen und ausbleibender Kundschaft“. (Quelle: Flächenmanagement München))

2.2.2 Baurechtliche Zulässigkeit von Rotlichtangeboten

Prostitutive Einrichtungen wie Bordelle und Terminwohnungen sowie Einrichtungen der Wohnungsprostitution werden hingegen nicht als Vergnügungsstätten angesehen, so dass sich eine andere Zulässigkeit in den einzelnen Baugebieten ergibt.

Zunächst sind prostitutive Einrichtungen unabhängig ihres Typus als regelmäßig störende gewerbliche Nutzung in ohngebietenbauplanungsrechtlichunzulässig.

Im Mischgebiet ist ein Bordellbetrieb oder ein bordellartiger Betrieb nach der Rechtsprechung grundsätzlich unzulässig. Dies schließt auch Terminwohnungen mit ein.

Einrichtungen der Wohnungsprostitution sind auf Grund ihres geringeren Störpotenzials hingegen als eine einfache gewerbliche Nutzung im Mischgebiet zulässig oder allenfalls unter Hinweis auf §15 BauNVO unzulässig. Da Mischgebiete nach § 6 (1) BauNVO dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören, dienen, muss die gewerbliche Nutzung nach außen „wohnähnlich“ in Erscheinung treten. […]

Die erforderlichen besonderen städtebaulichen Gründe für einen Ausschluss in Bebauungsplänen können – wie bei den Vergnügungsstätten auch – aus den bereits genannten „Trading-down-Effekten“ hergeleitet werden. Da prostitutive Einrichtungen regelmäßig bei eher geringem Investitionsbedarf vergleichsweise hohe Gewinnerwartungen begründen, sind sie geeignet, andere Betriebe mit deutlich höherem Investitionsbedarf und geringer Ertragsstärke zu verdrängen.

Bordelle und bordellartige Betriebe sind also Gewerbebetriebe „eigener Art“. Und als eigene Art bedarf es hier wohl einer besonderen Handhabe. Eine Handhabe, die da bedeutet: „Wir wollen diese Art trotz gesetzlicher Legalisierung nicht!“ Schließlich sind dies ja auch „regelmäßig störende“ Einrichtungen. Sie führen zu einem Imageverfall und zu flächendeckenden Leerständen von Gewerberäumen in der nahen Umgebung. Sie führen zu Lärmbelästigungen aufgrund von extrem erhöhtem Kraftfahrzeugverkehr. Sie entbehren jeglicher Sittsamkeit und zu einem Werteverfall der Jugend. Ach, und gefährden tut Sex hinter verschlossenen Türen die Jugend ja außerdem und sowieso.

Unerträglich ist auch die Tatsache, dass die Gewinnerwartungen bei eher geringem Investitionsbedarf vergleichsweise hoch sind. Zwar ist dies grundsätzlich jeglichem Dienstleistungsgewerbe eigen, aber nur im Falle von Sexdienstleistungen schlicht verwegen. Ganz klar!

Nein, jetzt mahl ehrlich: Warum sollte denn das Inventar, die Ausstattung des Hauses kein Geld gekostet haben? Wenn ein Bordellbetreiber mal so einige hunderttausend Euro an Bau- und Einrichtungskosten investiert, warum sollte das in jener Rechnung vernachlässigt werden? Ein Immobilienmakler braucht lediglich ein Büro und erzielt vergleichsweise viel höhere Umsätze! Dessen Verdienst kann dann schon mal im hohen vierstelligen Bereich liegen. Aber ein Bordellbetreiber darf ja bekanntlich schon aus Gründen einer „gesunden“ Doppelmoral kein Geld verdienen …

Wie auch immer, „zum Glück“ wurde jetzt wieder einem Bordell ein Riegel vorgeschoben. Ein kleiner Sieg für die Heiligenschein-begünstigten Streiter der Sittsamkeit.

rmv

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