ZDF Morgenmagazin von der Abolitionisten-Lobby gekauft?

Duellistin Dorothee Bär zeigt wenig Expertise, dafür aber umso mehr populistisches Kampfgeschrei

Am Morgen des 21. September, 8:35 Uhr. Das ZDF-Format moma lädt zum politischen Duell. In den folgenden 11 Minuten werden sich die Bundestagsabgeordnete und ehemalige Beauftragte der Bundesregierung fĂĽr Digitalisierung, Dorothee Bär (CSU), sowie die Vorstandsvorsitzende des Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen e.V., Stephanie Klee, gegenĂĽber stehen und zum Thema „Prostitution verbieten?“ streiten.

Ehrlich? Das Thema ist „Prostitution verbieten“? Schon wieder? Seit Jahrzehnten scheinen weder Politik noch Medienhäuser zu lernen. So abgegessen und altbacken wie diese Fragestellung, so unwissend und fehlinformiert zeigten sich dann auch moma-Redaktion und, wie zu erwarten, die CSU-Vertreterin. Auf der anderen Seite Stephanie Klee. Sie tat ihr Bestes, ja wirklich. Vorhersehbar konnte sie letztendlich kaum was den einstudierten Floskeln und seit Jahrzehnten nicht aus der Welt zu schaffenden Falschbehauptungen der Abolitionist:innen-Lobby, zu der Bär voller Ăśberzeugung dazuzugehören scheint, entgegensetzen.

EU-Entschluss unzureichend widergegeben

Zum Entsetzen der informierten und diskurswilligen Community startet die moma-Sendung direkt mal mit einer extrem verkürzten Darstellung einer neuen EU-Resolution, womit man klerikalen Aktivistinnen wie Breimeyer, Mau, Schwarzer und jetzt auch Bär eigentlich perfekt nach dem Munde redet. So wird die Sendung aus dem Off mit den Worten „Schluss mit Sex gegen Geld. Das Europaparlament hat sich für ein Sex-Kauf-Verbot ausgesprochen. Damit werden die EU-Staaten aufgefordert, einheitliche Regeln für Prostitution zu schaffen und insbesondere die Freier zu bestrafen. Ein hochumstrittender Entschluss […]“ eingeleitet.

Doch stimmt das so? Hintergrund: Am 14. September stimmte das EU-Parlament über eine eingereichten Resolution mit dem Titel „Regulierung der Prostitution in der EU: ihre grenzüberschreitenden Auswirkungen und Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte der Frau“ ab (siehe hier). Verantwortlich dafür zeigte sich die bayerische Europaabgeordnete Maria Noichl (SPD), die einen 10-seitigen Eigeninitiativenbericht (den sie zusammen mit Christine Schneider (CDU) erarbeitete) einreichte. Ein Bericht, der von der Europäischen Allianz für die Rechte von Sexarbeiterinnen und der Europäischen Koalition für die Rechte und die Eingliederung von Sexarbeiterinnen, die wiederum weitere 12 Menschenrechtsorganisationen vertritt, strikt abgelehnt wurde. Zumal der Bericht mit Jahrzehnte alten Klischees und nicht totzukriegenden Falschbehauptungen der Abolitionist:innen-Lobby gespickt ist.

Das EU-Parlament verabschiedete mit einer einfachen Mehrheit von 234 Ja-Stimmen, 175 Nein-Stimmen und 122 Enthaltungen den Entschluss, die Prostitution innerhalb der EU einheitlich zu regulieren.

Klingt erst einmal wie das deutsche Prostituiertenschutzgesetz. Speziell auch weil es in der Erklärung heißt:

„Impact on women in prostitution
Members condemned the reality of coercion, manipulation, violence and exploitation in prostitution and pointed out that the lack of language skills of women and minors, as well as their vulnerabilities and precarious conditions, are exploited to make them enter and stay in prostitution.
Moreover, the deterioration of the social and economic situation as a result of the COVID-19 pandemic has increased all forms of abuse and violence against women, including sexual exploitation, which violates their human rights.
Members warned that this will be further aggravated by the current energy and cost-of-living crisis, with many women in vulnerable situations being driven into poverty and social exclusion. They called for the introduction of efficient policies that eliminate poverty and improve social protection, as well as the establishment of inclusive policies that support womens empowerment and economic independence, along with measures that condemn those who exploit them.“


Auswirkungen auf Frauen in der Prostitution
Die Mitglieder verurteilten die Realität von Zwang, Manipulation, Gewalt und Ausbeutung in der Prostitution und wiesen darauf hin, dass der Mangel an Sprachkenntnissen von Frauen und Minderjährigen sowie ihre Schwachstellen und prekären Bedingungen ausgenutzt werden, um sie dazu zu bringen, in die Prostitution einzutreten und dort zu bleiben.

Darüber hinaus hat die Verschlechterung der sozialen und wirtschaftlichen Situation infolge der COVID-19-Pandemie alle Formen von Missbrauch und Gewalt gegen Frauen erhöht, einschließlich sexueller Ausbeutung, die ihre Menschenrechte verletzt.

Die Mitglieder warnten, dass dies durch die aktuelle Energie- und Lebenshaltungskostenkrise weiter verschärft wird, wobei viele Frauen in gefährdeten Situationen in Armut und soziale Ausgrenzung geraten. Sie forderten die Einführung einer effizienten Politik zur Beseitigung der Armut und zur Verbesserung des Sozialschutzes sowie die Festlegung integrativer Strategien zur Unterstützung der Stärkung und wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen sowie Maßnahmen, die diejenigen verurteilen, die sie ausbeuten.

Das EU-Parlament habe also erkannt, dass etwaige Missstände die Menschenrechte verletzten. Leider haben hier die Abolitionistinnen Maria Noichl und Christine Schneider gesiegt. Denn um dies zu erreichen, mĂĽsse die Nachfrage nach Sexdienstleistungen minimiert werden. Hierzu wird leider wahrheitswidrig behauptet eine „Entkriminalisierung von Zuhälterei“ hätte in den liberalen Mitgliedsstaaten die Nachfrage erhöht und den Sexkauf normalisiert.

Im Folgenden werden die Mitgliedsstaaten aufgefordert:

  • dringende MaĂźnahmen zu ergreifen, um Online-Werbung und Kontakterleichterungen zu bekämpfen, die direkt oder indirekt die Prostitution fördern … (die folgenden Zusätze sind ziemlich schwammig und verschieden interpretierbar verfasst)
  • umfassende Daten fĂĽr eine Studie zur Analyse der verschiedenen nationalen MaĂźnahmen zu sammeln. HintergrĂĽndig soll die Frage nach dem Verbot eines „Kaufs von Menschen in der Prostitution“ sein.
  • sicherzustellen, dass Frauen in der Prostitution gleichen Zugang zu Justiz, Gesundheitsversorgung, Wohnraum, Beschäftigung und öffentlichen Dienstleistungen haben und nach dem Gesetz gleichen Schutz genieĂźen.
  • sicherzustellen, dass MaĂźnahmen in den Bereichen Prävention, Entkriminalisierung von Menschen und insbesondere von Frauen in der Prostitution, […] ausreichend finanzierte werden.
  • sicherzustellen, dass es strafbar ist, von einer Person eine sexuelle Handlung gegen Entgelt zu erbitten, anzunehmen oder zu erhalten.

Spannend sind aber auch folgende Punkte: „Die Kommission sollte ihrerseits europäische Leitlinien ausarbeiten, die die Grundrechte von Prostituierten gewährleisten. Während die Regulierung der Prostitution weiterhin in der Verantwortung der Mitgliedstaaten liegt.“

OK, nach der ganzen LektĂĽre kann man, trotz inhaltlicher WidersprĂĽche und vieler offener Fragen (z.B.: was ist mit Männern und Trans Personen in der Prostitution?), tatsächlich glauben, dass nun ein staatenweites „Sex-Kauf-Verbot“ ansteht. Aber ist das wirklich so?

Dazu muss man jedoch wissen, dass eine Resolution (zu Deutsch: Entschließung) überhaupt nicht verbindlich ist und lediglich auffordernden Charakter hat. Hinzu kommt, der Aufwand, den ein wie obig erwähnter Studienauftrag mehrere Jahre in Anspruch nehmen würde. Ahnlich sähe es bei den von der Kommission zu erarbeitenden Leitlinien aus. Befeuert würde alles durch die inhaltlichen Widersprüche und bei einigen Punkten schwammigen Ausführungen (bspw. bei der Freierbestrafung und der Zuhälterei), die einem juristischen Prozess kaum standhalten würden. Letztenendes sind eben auch keine Fristen oder Terminierungen gesetzt, was eben einer Empfehlung zu eigen ist.

Auf all das gehen weder moma noch Bär ein. Leider!

Fun-Fact: Schon einmal, nämlich 2014 verabschiedete das Parlament eine ganz ähnliche, gleichfalls nicht bindende EU-Resolution:
https://www.feministcurrent.com/2014/02/26/eu-parliament-passes-resolution-in-favour-of-the-nordic-model/
Damals stimmten 343 Abgeordnete mit Ja, 139 mit Nein, bei 105 Enthaltungen

Kontext und Datenlage sind unwichtig – Meinung ist das neue Wissen

Aber es geht noch weiter. Kurz darauf erfährt man im Einspieler mehr. Da heiĂźt es: „In Deutschland ist Prostitution seit 2002 vollständig legal. Ein Milliarden-Geschäft mit hoher Nachfrage.“ Was diese Aussage nun bedeuten soll, weiĂź nur die Redaktion. Nehmen wir mal an, dass es sich um einen Wirtschaftszweig handelt, der wie erwähnt legal ist, dann sollten Milliardenumsätze persĂ© ja etwas Gutes sein, oder? Umsätze bringen Steuergelder usw. Im Kontext des vorherigen und weiteren Duktus soll damit aber wohl Gegenteiliges bezweckt werden. Denn das moma framt hier gewaltig zulasten der Sexarbeiter:innen.

Denn plötzlich wird ein kurzer Ausschnitt aus einem (nichtgenannten) Film hineingeschnitten. Darin kommt ein vermeintlicher Freier zu Wort, der behauptet: „Das ganze Paket kostet jetzt nur noch 10 Euro, ist fast gĂĽnstiger als Mittagessen.“ Teufel noch mal, wer ist der Mann? Wo ist er? Was meint er? Warum wird diese Aussage ohne Kontext und Datenlage so stehengelassen?

Und dann fĂĽgt die Offstimme direkt noch folgendes an: „Die gesetzliche Legalisierung sollte Prostituierte besser schĂĽtzen und Kriminalität in diesem Gewerbe bekämpfen. Doch aus Sicht vieler Experten hat sich das nicht erfĂĽllt. Die Situation habe sich sogar verschlechtert. Zwangsprostitution und Ausbeutung seien weiterhin verbreitet.“ Dann ein weiterer Einspieler. Aus 2016 (das merken wir uns mal!). Darin sagt eine nicht namentlich erwähnte Abgeordnete im Deutschen Bundestag: „Das kann nicht so weitergehen, wir sind das Bordell Europas, das darf nicht sein.“

Klarer könnte das moma-Statement nicht sein. Was wir verstehen sollen: Bei Prostitution handelt es sich trotz gegenteiliger Meinung um einen ethischen Sündenfall. moralisch nicht zu rechtfertigen und ein gesellschaftliches Desaster. Die Hure Babylon is in the house.

Harter Tobak. Nur kommt auch hier wieder zum Tragen, dass alles an jenen Äußerungen zur gesetzlichen Legalisierung und vermeintlichen Verschärfung der Kriminalität nicht stimmt und hier politische Verantwortlichkeiten entweder außen vor oder im zeitlichen Kontext vermischt werden. Definitiv hat sich die Redaktion politisch sehr einseitig beeinflussen lassen. Oder aber im Hause ist jemand extrem voreingenommen und Teil des abolitionistischen Netzwerks.

moma-Redaktion und CSU-Abgeordnete kennen Werdegang von Bundesgesetzen nicht

Doch was ist an den Aussagen denn falsch?

Fangen wir mal frĂĽh an. 2014 hatte sich die Union ein sogenanntes Prostitutionsregulierungsgesetz bemĂĽht. Anfänglich war darin gar ein Verbot der Sexarbeit angedacht. dann aber merkte man selbst, dass dies in Deutschland nicht umzusetzen sei. Der damalige stellvertretende Unionsfraktionschef Thomas Strobl (CDU) sagte dazu: „Ein Verbot funktioniert nicht. Dann wird das Dunkelfeld noch größer.“ Ach, das ist also kein rein „links-grĂĽnes“ Statement. WeiĂź Dorothe Bär davon? Der ĂĽberarbeitete Entwurf des Prostitutionsregulierungsgesetz war dennoch Mist. Er hätte weniger zu einer besseren Arbeits- und Lebensgrundlage der Sexarbeiter/innen als mehr zum ursprĂĽnglichen Ziel der Christdemokraten gefĂĽhrt: Einer mittel-/langfristigen ZurĂĽckdrängung der freien Prostitution durch Schikane, Stigmatisierung, uneingeschränkte Ăśberwachung/Kontrolle und Personendatenspeicherung.
Die Initiative scheiterte damals jedoch vor dem Bundesrat. Das Gesetz kam also nicht.

2016 folgte das Prostituiertenschutzgesetz auf Initiative von Union und SPD und hatte Erfolg. Am 23. September 2016 stimmte der Bundesrat dem Beschluss des Deutschen Bundestages über das „Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“, wie es eigentlich heißt, zu.

Und genau jetzt kommen wir zurĂĽck zum oben erwähnten Video-Ausschnitt von 2016, den das moma zeigte. „Das kann nicht so weitergehen, wir sind das Bordell Europas, das darf nicht sein.“ Genau. Der stammt aus dem Zeitraum vor dem Inkrafttreten des ProstSchG. Das Morgenmagazin unterlässt es also zu informieren, dass es das damalige 22. Regierungskabinett (Kabinett Merkel III) war, dass das ĂĽbrigens von zahlreichen Fachberatungsstellen und Organisationen scharf kritisierte ProstSchG entwarf und durchbrachte. Also ein Gesetz zum angeblichen Schutz der Prostituierten. Es waren nicht die GrĂĽnen, nicht die Linken, und nicht die Liberalen wie es Bär, Noichel und Co. zwischen den Zeilen gerne suggerieren. Wer dieses Hintergrundwissen nicht hat, denkt seit 2016, seit dieser Aussage der Abgeordneten ist nichts geschehen. Der weiĂź gar nicht dass es ein ProstSchG gibt. Vielleicht erkennt er gar nicht mal die ins obere Eck gestellte Datumsangabe des Ausschnittes und verortet diesen ins Jahr 2023.

Gerade, weil ja dann die Offstimme weiter tönt „Doch aus Sicht vieler Experten hat sich das nicht erfĂĽllt. Die Situation habe sich sogar verschlechtert. Zwangsprostitution und Ausbeutung seien weiterhin verbreitet.“ Auch das behauptet das moma nur. Denn wer sind denn diese Experten? Warum hat sich die Situation verschlechtert? Wegen des ProstSchG? Aufgrund des in Deuschland „liberalen“ Umgangs mit Sexarbeit? Wir erfahren es einfach nicht. Seit wann hat sie sich verschlechtert? Vor oder nach dem ProstSchG?

Ăśbrigens auch kein Wort aus der Redaktion zu drei Jahren Corona-bedingter Repressionen. Und das, weil sich gerade hier die Situation vieler Prostituierten verschlechterte. Auch Dorothee Bär wird es im folgenden Streitgespräch unterlassen, dieses von der Merkel-Regierung verursachte Dilemma – ein riesiger Teil der Sexarbeiter:innen hatte nämlich keinen Zugang zu staatlichen Hilfen, währenddessen sie durchgängig nicht arbeiten durften. Wer dennoch erwischt wurde, der/dem drohte eine saftige Strafe.

Zahlen und Fakten sind eh ĂĽberbewertet

Und was heiĂźt eigentlich „Zwangsprostitution und Ausbeutung seien weiterhin verbreitet“? Zahlen des Bundeskriminalamtes erfährt man nicht. Lediglich bloĂźe MutmaĂźungen und nicht belegbare Behauptungen in Sachen Dunkelziffer geisterten durchs Studio. Bär gefällt sich im folgenden Gespräch ĂĽbrigens sehr als sich um die Opfer von Männergewalt sorgende Politikerin. Man erfährt aber auch von ihr keinerlei fassbare Zahlen. Nicht jene ĂĽber die registrierten Sexarbeiter:innen. Nicht die zu Gerichtsprozessen zum Thema sexuelle Ausbeutung, nicht jene zu sexueller Gewalt usw. Keine Zahlen zu ehemals in der Prostitution arbeitenden Menschen, die ĂĽber Beratungsstellen in andere Berufe vermittelt wurden. keine Daten zu RĂĽckfĂĽhrungen von Nicht-EU-BĂĽrger:innen…

Stellen wir noch mal zusammenfassend fest. Die Union strebte ein restriktives Gesetz an, was scheiterte. Anschließend brachte sie ein restriktives Gesetz durch, was aber nicht die Wirkung zeigte, die die Union wollte. Denn eigentlich ging es ihr immer um eine absolute Erfassung der in der Sexarbeit Tätigen. Und weil das alles nicht so funktioniert fordern konservative Abolitionistinnen (übrigens, das muss man festhalten: aus fast allen Parteien) nun zum xten Mal ein zutiefst restriktives Gesetz a´la Nordisches Modell. Das ZDF-Morgenmagazin behauptet sogar, dass die Union geschlossen ein Sex-Kauf-Verbot wolle und nutzt dafür einen Ausschnitt aus einer Bundestagsrede von 2016, die ja gar nicht die heutige Zeit meint, sondern im Vorfeld des Inkrafttretens des ProstSchG geäußert wurde. Krass.

Den schwarzen Peter schiebt man derweil dem sozialen und linken politischen Flügel zu. Eine bekannte und wirksame Masche der Rechtsnationalen. Ja es stimmt: SPD und Grüne (Die Partei die Linke war übrigens zu keiner Zeit in Regierungsverantwortung) verabschiedeten 2002 das Prostitutionsgesetz. Das Minigesetz fand übrigens auf einer einzigen A4-Seite Platz, holte die Prostitution aus der Sittenwidrigkeit und ermöglichte den Sexarbeiter:innen erstmals eine sozialversicherungsrechtliche Tätigkeit. Diese Info wird nur zu gerne außen vor gelassen.

Noch unverantwortlich als das populistische Gebaren der Prostitutionshasser:innen ist, was das Morgenmagazin daraus macht. Das lässt alle wichtigen Informationen aus und vermischt die wenigen, die es Preis gibt, miteinander. Zudem tut man so, als hätte es 16-Jahre Merkel-Regierung nicht gegeben. Darum steht die Union nun in Person von Dorothe Bär als eloquente Ansprechpartnerin mit Expertise zur Verfügung.

Prostituiertenbashing im Streigespräch zwischen Bär und Klee!

Ab Minute 2 beginnt die Diskussion zwischen der stellvertretenden CSU-Parteivorsitzenden und der politisch aktiven Sexarbeiterin. Ein Streitgespräch, in welchem die CSU-Politikerin macht, was populistisch agierende Abolitionistinnen so machen: Behaupten, verurteilen, leugnen, emotionalisieren und sich und ihre eigene Moral Beweihräuchern. Ach ja und lügen, Fakten und real existierende Zahlen auslassen und die andere Seite verunglimpfen.

Stephanie Klee hält sich derweil wacker. Auch wenn ihr ihre Expertise aus 40-jähriger Berufstätigkeit und langjähriger Aktivismus lapidar aberkannt wird. Was kann Klee denn bitte auch einer Volksvertreterin entgegensetzen, die sich nach eigener Aussage „intensiv wirklich fast täglich mit dem Thema beschäftigt“? Ja, Bär sagt, dass sie Stephanie Klee nicht glaube. Erstens weil diese einen Verband vertritt, in welchem „hauptsächlich Bodelle organisiert sind“. Zweitens weil Bär sich selbst, wie erwähnt, fast täglich mit dem Thema Prostitution auseinandersetzen wĂĽrde.

Damit wir das übrigens mal einordnen können: eine CSU-Politikerin, die in den letzten Jahren eher mit Negativschlagzeilen á la Attackierung der Meldestelle Antifeminismus, Anbiederung an den amerikanischen Rechtsaußen-Gouverneur DeSantis oder ihre Stimmungsmache gegen queere Menschen, für Aufsehen sorgt, wird als Expertin für Sexarbeit eingeladen? Echt jetzt moma?
Und dass sie ihr „Fachwissen“ eben nicht durch stetige Auseinandersetzung mit dem Thema erlangt, wird bei der ganzen vorgetragenen Polemik mehr als deutlich. Wer ĂĽbrigens mal nach den Stichpunkten „Dorothee Bär“ und „Prostitution“ googelt, der findet extrem viele Medienberichte aus September 2023 und dann nochmal diverse ähnliche (wenn auch weniger) aus den Monaten und Jahren zuvor. Allerdings nur Medienberichte ĂĽber Bärs Forderung eines Verbotes und entsprechende Interviews. Man ahnt bereits, was Bärs mit „fast täglich mit dem Thema Prostitution auseinandersetzen“ meint. Sie meint, dass sie von Zeitungsgespräch zu Zeitungsgespräch tingelt, in x Fernsehsendungen sitzt und dort ihre Phrasen widerkaut.
Ja wenn das so ist, dann kann Stephanie Klee mit ihrem Fachwissen wirklich einpacken.

Das widersprĂĽchliche Dunkelfeld

Eine der widersprĂĽchlichen und absurden Aussagen von Bär (hat ĂĽbrigens niemand im Studio gemerkt) war die zum Dunkelfeld. 90 Prozent der Prostituierten befänden sich ihr zufolge in jenem Dunkelfeld. Ihrer Meinung nach ist es „naiv zu glauben, wenn die Freier die Prostituierten finden, dass wir sie nicht finden wĂĽrden.“ Mit „wir“ meint sie u.a. die Behörden. Dann schwadroniert sie davon, dass die betroffenen Menschen (also hunderttausende) allesamt von Gewalt betroffen seien.

An dieser Stelle mĂĽssen wir mal definieren was eine Dunkelziffer/Dunkelfeld ist. Laut Wikipedia ist „eine Dunkelziffer bei statistischen Angaben eine geschätzte Zahl von Fällen oder Ereignissen in einem Bereich, zu dem keine oder unzureichende Informationen vorhanden sind. Der unbekannte Bereich wird Dunkelfeld genannt.“ Aha, also ein unbekannter Bereich.

Wie also kann Bär bitte wissen, dass sich in diesem unbekannten Bereich 90 % der Prostituierten befinden? Wenn die Datenlage doch unbekannt ist? Wenn sie jetzt aber sagt, dass es naiv sei zu glauben, dass „wir sie nicht finden wĂĽrden“, dann heiĂźt das doch, dass sich das Dunkelfeld zum Hellfeld wandelt. Oder nicht, Frau Bär? Wenn diese 90 % von Gewalt betroffenen Personen nun also auffindbar sind, wie ist es dann bitte zu erklären, dass diese Straftaten nicht zur Anzeige gebracht werden? Warum tauchen diese Gewaltdelikte in keiner Polizeistatistik auf? Warum schreitet der deutsche Sicherheitsapparat da nicht ein?
Ihr erkennt schon: Dorothee Bär erzählt einfach nur Müll.

Und das geht die komplette Sendung so weiter. Auf Stephanie Klees Bitte hin „Sprechen Sie doch mal mit uns, holen Sie sich da Informationen nicht ausschlieĂźlich von Sexkaufgegnerinnen“, weiĂź die CSU-Vize auĂźer einem abschätzige Lächeln auch nichts zu erwidern.

Fazit

Zusammengefasst ist die Sendung absoluter Murks. Dorothe Bär ist eine vom größer werdenden, rechtskonservativen Abolitionist:innen-Netzwerk eingeschleuste Querulantin ohne Feingefühl, dafür mit umso mehr Floskeln und Schauermärchen in Petto. Die Redaktion war grottenschlecht, also eigentlich gar nicht journalistisch tätig. Hat einfach nur die in die deutsche Presselandschaft inflationär hinausposaunten Statements des Netzwerks hinter Bär widergegeben. Und Moderatorin Harriet Freifrau von Waldenfels? Die macht ihren Job zwar passabel. Hintergrundwissen scheint die Journalistin selbst aber keines zu haben. Vielleicht ist das auch die Idee des Formats. Nur bleibt somit das wirre Sexarbeiterinnen-Bashing und die antifeministische Opferstilisierung aller Prostituierten durch die Abgeordnete Bär unwidersprochen. So werden die Widersprüche in der eigenen Vorabrecherche nicht erkannt. Und das ist Fatal. Das ist zutiefst unprofessionell.

Leid tut einem dann auch Stephanie Klee. Zwar versucht sie ihr Bestes. Aber wenn sie von einer Bundestagsabgeordneten offensichtlich nicht ernst genommen wird und die moma-Redaktion ihren Job nicht kann, da können auch 40 Jahre Berufserfahrung nicht gegen ankommen.

rde

Ăśberarbeitete Version vom 5.10.2023

Korrektur 6. Oktober 2023:
Leider wurden wir unserem eigenen Anspruch nicht gerecht, selbst permanent sorgfältig zu recherchieren und keine Fehlinformationen zu verbreiten. Im Ursprünglichen Text haben wir behauptet, das EU-Parlament hätte der Resolution aufgrund der 234 Für- gegenüber den 297 Gegenstimmen/Enthaltungen nicht zugestimmt. In der Annahme, dass das Gremium dafür eine absolute Mehrheit benötigen würde.
Richtig ist, dass eine einfache Mehrheit reicht. Somit stimmten 234 Abgeordnete dafür und 175 dagegen. Unsere Unterstellung, die moma-Redaktion hätte den Ausgang der Resolution persé unwar kommuniziert und das Ergebnis erfunden, müssen wir somit zurücknehmen. Wir bitten das zu entschuldigen. Die stark verkürzte Darstellung in der ZDF-Sendung kritisieren wir weiterhin.

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