Freie Arbeitswahl ist ein Menschenrecht!

Sozialistische Alternative sieht ĂĽberall nur unterdrĂĽckte Frauen und verkennt die Causa Prostitution

Kürzlich auf sozialismus.info und rosareloaded.de: K. Hancke fragt, ob Prostitution ein Menschenrecht sei. Natürlich ist die Frage nicht ernst gemeint, denn die Autorin kennt die Antwort bereits. Zumindest die Antwort, die in ihr Menschenbild passt. Und so erfährt der Leser nach und nach, dass die „Degradierung der Frau zum Objekt“ und „Gewalt gegen Frauen von einer Milliarden Dollar schweren Pornoindustrie“ vorangetrieben werde, dass im aktuellen Diskurs von der „glücklichen und befreiten Sex-Arbeit“ die Rede sei, dass „60 Prozent der Prostituierten unter Bedingungen, die als Sklaverei zu bezeichnen sind“ arbeiten würden, dass der Umstand der beinahe immer männlichen Freier symptomatisch für die gesellschaftliche Unterdrückung der Frau stehe, dass der Handel mit Sex in Deutschland und den Niederlanden zugenommen habe, dass Sex zwischen Freiern und Prostituierten keineswegs Sex unter Gleichberechtigten sei…

Behauptungen, die wir alle schon gehabt haben und die bei kritischer Betrachtung nicht standhalten. Daher werden sie an dieser Stelle nicht aufgearbeitet. Das haben wir im Rotlicht-Weblog bereits ausreichend getan.

Recherche mangelhaft. Sechs setzen…

Zu untermauern versucht die Autorin ihre Argumente mit Fakten, deren Quelle die aktuellen „Metaanalysen zur Prostitution weltweit von Melissa McFarley“ sein sollen, welche sich ihrerseits „mit den Erfahrungen von Sex-ArbeiterInnen in neun Ländern befasst und auf den Aussagen von 845 Untersuchungspersonen basiert“. Nur:

Erstens heißt die Dame Farley und nicht McFarley.
Zweitens führt der Link nicht zur Metaanalyse (Einzahl) selbst sondern zu einem Blog, der wiederum Farleys Arbeit als Quelle angibt.
Drittens sind die von Hancke genutzten Zahlen wohl von jenem Blog-Beitrag („Prostitution: The Swedish or the Dutch model?“) abgeschrieben worden und nicht aus der angeblichen Metaanalyse extrahiert.
Denn viertens handelt es sich bei der Studie, bei welcher 845 Personen befragt wurden um die absolut nicht repräsentative sowie mangelhafte Erhebung „Prostitution & Trafficking in Nine Countries“ aus dem Jahr 2002/2003 (siehe mein Beitrag hier).
Und fünftens ist Farleys angebliche Metaanalyse aus dem Jahr 2008 schlicht nur eine Grafik in Form einer Pyramide („Prostitution’s Hierarchy of Coercion„) erstellt vom „Prostitution Research & Education“ für das Farley arbeitet.

Hat die Autorin ĂĽberhaupt ernsthaft recherchiert? Ich wage das zu bezweifeln.

Dass die Datenlage zum Thema Sexarbeit leider mangelhaft ist, die wenigen ernsthaften Studien meist äußerst unzureichend sind und einige Studien wissenschaftlichen Standarts nicht genügen, davon sprechen die Abolitionisten und Prostitutionsgegner natürlich nicht. An dieser statt wird lieber mit reißerischen Schätzungen und Behauptungen gearbeitet. Manchmal erst auf dem zweiten Blick erkennbar sind zweifelhafte Kausalketten bzw. Zusammenhänge von Ursache und Wirkung. Erkenntnisse wie bspw. die vom Runden Tisch Prostitution NRW werden regelmäßig unter den Teppich gekehrt, Standpunkte von Beratungsstellen, welche die Sexarbeit nicht verteufeln, werden verachtet und Bemühungen wie jene von Amnesty International werden verklärt. Das macht auch K. Hancke so, leider.

Opferbild von Sexarbeitern bereits vorgezeichnet

Was sie und ihre Mitstreiter notorisch (willentlich oder fahrlässig) verbreiten, ist die Mutmaßung, dass wer einen Beruf ohne Zwang ausübt, diesem auch immer gerne und mit Überzeugung nachgeht. Ergo sind laut dieser Überzeugung Sexarbeiter/innen wie z.B. Beschaffungs-, Armutsprostituierte oder jene, die sich aufgrund fehlender Alternativen prostituieren, immer gleich Zwangsprostituierte und Opfer von Menschenhandel – denn sie schaffen ja nicht gerne an und würden lieber in einem anderen Job arbeiten.
Verkannt wird von den Gegnern gleichwohl, dass es neben einem unmittelbaren Zwang von Seiten dritter Personen noch Selbstzwänge, soziale und finanzielle Zwänge gibt, die ebenso eine Rolle bei der Entscheidung hin zur Prostitution spielen. Abstand sollte daher vom Begriff „Beruf“ Prostituierte genommen werden. Für viele ist es nicht mehr als ein Job, ein schwieriger sicherlich, oft auch ein problematischer, aber einer der als Übergang gedacht ist, einer der letztendlich aus der eigenen Entscheidung heraus gewählt wurde.

Am Ende offenbahrt sich die K. Hancke dem Leser sogar. Denn Sie erklärt uns, warum sie wirklich so abgeneigt gegen Prostitution ist. Sie meint: „Wenn man Sex mit jemanden haben möchte“, müsse dieser mit einem „gleichberechtigten“ Partner geschehen und „nicht in dem Sinn, dass dieses System mit seinem wilden Streben nach Profit selbst dieses menschliche Grundbedürfnis in ein „profitables Geschäft“ verwandelt.“ Frau Hancke hat also ein Problem aufgrund ihrer persönlichen Vorstellung von Sexualmoral sowie ihrer Abneigung gegen den Kapitalismus. Um Menschenrechte, wie es die Überschrift vermuten lässt, geht es ihr also gar nicht wirklich.

Übrigens: Hancke behauptet auch, dass es sich beim „Kapitalismus um eine System handelt, in dem Spaltung und Diskriminierung ganz hervorragend gedeihen“. An dieser Stelle darf man dann auch anmerken, dass in der Menschheitsgeschichte jedwedes sozialistisch-kommunistische System scheiterte, sich zudem massiver Menschenrechtsverletzungen schuldig machte. In die Prostitutionsdebatte eine Grundsatzkritik am herrschenden wirtschaftspolitischen System einzuschmuggeln, ist hier wohl eher unsinnig Frau Hancke…

rmv

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