Populismus des Spiegels nimmt kein Ende

Wie Redakteure des Magazins unterschwellig immer wieder gegen das Rotlichtmilieu wettern

Falschbehauptungen, Halbwahrheiten und Logikfehler mit inbegriffen

Das das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL beim Thema Prostitution nicht vorurteilsfrei und unvoreingenommen berichtet, ist ja bereits bekannt (wir berichteten). So überrascht es auch kaum, dass das im aktuellen Artikel „Die Prostitution hat unerträgliche Ausmaße angenommen“ auf Spiegel.de nicht anders ist. Der Beitrag von Autor M. Schneider – Hintergrund ist die Debatte um einen geplanten Bordellbau (auf 4.500 Quadratmeter) in der 177.000-Einwohner Stadt Saarbrücken – besticht nämlich, zumindest in Teilen durch Falschbehauptungen, Halbwahrheiten und Logikfehler.

Einfach mal drauf los behaupten …

„Wer sich mit Leuten unterhält, die sich in der Szene auskennen, egal ob Polizisten oder Zuhälter, bekommt zwölf Jahre später zu hören, dass sich eigentlich nichts zum Besseren geändert hat. Das gut gemeinte Gesetz nutze vielmehr Zuhältern und Menschenhändlern statt den betroffenen Frauen“, schreibt Schneider. Ja, dieses Argument kennen wir bereits – oberflächlicher Populismus, mehr ist es nicht.

Auch ist der Bericht voller Widersprüche. So lautet gleich der erste Satz: „In Saarbrücken arbeiten rund tausend Prostituierte.“ Später gesteht der Autor jedoch ein, dass keiner so genau wisse wie viele es eigentlich sind. Die genannte Zahl sei eine Schätzung der Prostituierten-Beratungsstelle Aldona e.V.. Was nicht im Artikel steht, ist, dass Aldona von 800 bis 1.000 ausgeht. Und auch die Polizei schätzt die Zahl der Sexarbeiterinnen auf 750 bis 800.

Als nächstes behauptet er, das Bordell sei „der neueste Schritt einer Entwicklung, die viele in Saarbrücken nicht wollen“. Bekräftigen will er dies mit einem Argument, wie wir es nur allzu gut kennen. So betont er: „Viele Familien wohnen hier, Kinder spielen Fußball vor den Garagentoren, fünf oder sechs gehen mit Schulranzen die Straße hoch.“ An dieser Stelle ist wohl wieder mal eine Bedenkminute voller Fragezeichen angebracht. Was hat das Hervorheben von Fußball und Schulranzen mit einer sachlichen Diskussion zu tun? Zumal das Bordell laut Bericht nicht innerhalb eines Wohngebietes liege …

Auch in diesem Punkt ändert sich die Meinung in einem späteren Absatz. Da heißt es, die meisten Anwohner würden das Bordell befürworten. „Besser, die Frauen arbeiten unter hygienischen Bedingungen statt auf der Straße“, so oder so ähnlich würden viele Saarbrückener argumentieren. Hier widerlegt der Autor doch glatt seine erste Aussage.

Pro oder contra, für oder wieder ? Man weiß es nicht

Ähnlich paradox scheint auch die Herangehensweise von Saarbrückens Oberbürgermeisterin Charlotte Britz. Laut Spiegel wolle diese die Stadt bis auf zwei Straßen zum Sperrgebiet machen und damit die unter „katastrophalen hygienischen Verhältnissen“ stattfindende Straßenprostitution eindämmen. Die Prostitution habe unerträgliche Ausmaße angenommen, wird Britz zitiert. Auch dem Großbordell in Burbach stehe sie kritisch gegenüber.

Auf der anderen Seite fordert die Bürgermeisterin aber eine kommunale Sexsteuer. Vorgeblich um den Anreiz zur Prostitution zu mindern.

Was würde das denn für einen Sinn machen? Steuern werden doch erhoben, um der Stadt/dem Land/dem Bund Geld in die Kasse zu bringen. Zudem muss die Rentabilität im Vordergrund stehen. Warum sollte eine Kommune denn eine Steuer als präventive Maßnahme (also um die Steuerpflichtige Zielgruppe, in diesem Fall die Prostituierten abzuschrecken) fordern? Was macht das für einen Sinn, wenn die Finanzierung der bürokratische Maßnahmen, der Sachbearbeiter etc. später teurer wird als Einnahmen hereinkommen – weil ja Straßenprostitution abgeschafft, bordellartige Betriebe ihrer Zulassung beraubt bzw. geschlossen etc.pp.? Außerdem ist, glaube ich, nicht bekannt, dass irgendwo in Deutschland allein durch die Einführung der sogenannten Vergnügungssteuer (Sexsteuer) illegale und verborgene Hinterhofbordelle verschwanden.

Dann heißt es auch vom Spiegel-Autor in Bezug auf die finanzielle und versicherungstechnische Misere der Huren: „Keine Krankenversicherung nimmt eine Prostituierte zu bezahlbaren Konditionen. Und weil der Staat Steuern erheben will, aber die Einnahmen kaum nachprüfen kann, verlangen manche Städte etwa pauschal 25 Euro pro Tag von Bordellbetreibern. Die geben die Kosten meistens an die Prostituierten weiter, auch wenn sie nur 100 Euro am Tag verdienen.“

Das wird dann ebenfalls von einer Ex-Hure verdeutlicht, die hervorhebt, dass wegen gleichbleibender Nachfrage aber steigendem Angebot die Preise enorm gefallen seien. Armut, Drogen und keine medizinische Versorgung würden die Situation der Frauen noch verschlechtern, so die Zitierte. Wie also sollen Sexsteuer und Prostitutionsverbot die Lage der Frauen verbessern? Die Antwort bleibt einem der Artikel schuldig.

Aussage getätigt, Ziel weiterhin unklar

Diese Argumentation führt jedoch nicht nur die Denkweise von Frau Britz ad absurdum. Gleichwohl die des Autors selbst. Denn einerseits behauptet er, das Prostitutionsgesetz habe aus sich selbst heraus keine Änderung für die Frauen bewirkt. Andererseits legt er dar, dass es die Krankenkassen und Städte sind, die dem Gesetz entgegenwirken und mit Ungleichbehandlung und absurden Steuern das Leben der Prostituierten schwer machen.

Was will die Oberbürgermeisterin? Prostitution aus humanistischen und sozialen Gründen eindämmen? Oder vom Rotlicht-Milieu durch Steuereintreibung profitieren? Zieht sie das Prinzip des Verbots dem der Aufklärung, Prävention und Betreuung vor?

In einer Pressemitteilung von Aldona heißt es speziell: „ALDONA e.V. begrüßt den Vorstoß von Oberbürgermeisterin Britz, den Straßenstrich in Saarbrücken einzudämmen.“ Aber eben auch: „Mit der Maßnahme einer von der Landesregierung erlassenen Polizeiverordnung wird eine Eindämmung des Straßenstrichs erwartet und dass damit das „Angebot“ und die „Nachfrage“ im Saarland zurückgehen. Die Maßnahme bewirkt aber nicht die Lösung des Problems, sondern lediglich eine Verdrängung in andere Regionen/Bereiche.“

So ist es. Eine Lösung erreicht man auf diese Weise nicht!

Und was Will M. Schneider? Journalistisch gegen Sexarbeit vorgehen? Oder neutral berichten? Mal schreibt er so, dann wieder so – mit diesem hin und her schafft er aber nichts von beidem.

rmv

Nach oben scrollen