CDU/CSU baut weiter auf Entmündigung der Frau

Neues Positionspapier der Union zelebriert das Narrativ der wehrlosen, schutzbedürftigen weiblichen Prostituierten – die Frau als Opfer

Die Christdemokraten haben am Dienstag Positionspapier zur Prostitution erarbeitet, in welchem Maßnahmen zur „Bekämpfung von menschenunwürdigen Bedingungen“, zur „Verdrängung von illegaler Prostitution“ und zur „Stärkung die Anmeldepflicht“ aufgelistet sind. der Titel: „Prostituierte schützen – Zwangsprostitution bekämpfen – Ausstiegsangebote stärken“ Ähh, Ok. Aber warum? Ja, warum eigentlich? Bevor ich genauer auf die einzelnen Maßnahmen eingehen möchte, stellt sich bei obigen Stichpunkten die reale Frage nach dem Warum. Denn Erinnern wir uns:

Nach jahrelangem Entwürfeschreibens bis hin zum fertigen Gesetz hat die Bundesregierung doch 2017 ihr (repressives) humanitäres ProstituiertenSchutzGesetz durchgeboxt – samt der dazugehörigen Zwangsregistrierung (inkl. unfreiwilligen Outings gegenüber Behördenvertreter_innen sowie verpflichtenden Mitführens der Arbeitserlaubnis), samt Einschränkung der Persönlichkeitsrechte, samt des ganzen bürokratischen Unfugs…

Und echt jetzt, erinnern wir uns mal bitte an die Retorik in all den Jahren vor 2017. Da behaupteten unterschiedlichste Unions- und SPD-Politiker_innen vielfach das Gesetz werde, sinngemäß, „nicht wieder nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht“.

Z.B Manuela Schwesig, damals Bundesfrauenministerin, im Juli 2016:

„Prostituierte waren lange nicht ausreichend geschützt. Weder vor Zwangsprostitution und Menschenhandel, noch vor ausbeuterischen und menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen. Ich freue mich, dass sich das nach intensiven Verhandlungen zwischen den Koalitionsfraktionen nun ändert. Mit dem Gesetz wird es erstmals verbindliche und einheitliche Regelungen für die legale Prostitution in Deutschland geben. Ich bin davon überzeugt, dass dies die Situation von Prostituierten langfristig verbessern wird. Denn mit dem Gesetz stärken wir die Grundrechte von Prostituierten auf sexuelle Selbstbestimmung, persönliche Freiheit, körperliche Unversehrtheit und auf Gleichbehandlung.“

Seitens des Bildungsministeriums hieß es 2016:

„Der Deutsche Bundestag hat heute (Donnerstag) in 2. und 3. Lesung das Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (Prostituiertenschutzgesetz) beschlossen.

Damit werden erstmals in Deutschland rechtliche Rahmenbedingungen für die legale Prostitution eingeführt. Gemeinsam mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer wird damit die Grundlage geschaffen, Kriminalität und gefährliche Erscheinungsformen in der Prostitution zu verdrängen und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu schaffen.“

Oder wie MDB Marcus Weinberg (CDU) im Februar 2016 verlauten ließ:

„Angesichts der ausufernden Zustände im Rotlichtmilieu ist es wichtig, dass das Gesetz kommt, und dass es wirkt und keine Lücken offen lässt. Wir bekämpfen damit die Fremdbestimmung in der Prostitution und erschweren den Zuhältern, Menschenhändlern und Ausbeutern ihr Geschäft. Wir stärken die Rechte der Prostituierten und mehr noch ihren Schutz.“

Der schleichende Weg hin zum Prostitutionsverbot

Wenn es also ein Prostituiertenschutzgesetz gibt, das in Gänze „Gesetz zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“ heißt (ehemals „Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“) heißt, warum dann ein solches Papier? Wirklich zum Schutz und zur rechtlichen Gleichstellung von in der Sexarbeit tätigen Personen? Nein, devinitiv nicht. Eher weil gewisse Bundestagsmitglieder wieder zurückschreiten zu alten Forderungen nach einem gänzlichen Verbot der Prostitution. Allen voran, wir erinnern uns, die Bundestagsabgeordnete Leni Breymeier (SPD). Ende 2019 initiierte sie zusammen mit MDB Frank Heinrich (SDU) bereits den sogenannten Arbeitskreis „Prostitution – wohin?“. Angeblich um ergebnisoffen und interfraktionell (CDU/CSU und SPD) zu beraten. In Wirklichkeit um sich an ein Prostitutionsverbot heranzutasten. Zuletzt machte Breymeier von sich reden, indem sie Bordellbetreiber_innen in Gänze „unvorstellbare Menschenrechtsverletzungen“ unterstellte. Im Nachgang haben dutzende Betreiber_innen Strafanzeige erstattet.

Weil ein Verbot der Sexarbeit derzeit aber nicht umsetzbar ist (und hoffentlich nie), bemüht man sich mit diesem Papier wohl, die lauthals krakehlenden Hardliner erst einmel milde zu stimmen – zumindest teilweise. Sehr vorhersehbar natürlich erneut unter dem Denkmantel eines intensivierten Schutzes der Prostituierten. In Wahrheit werden aber vor allem Frauen in der Sexarbeit weiter umfassend entmündigt, entrechtet und noch mehr stigmatisiert. Ein gänzliches Verbot wird perspektivisch übrigens nicht ausgeschlossen. Dazu aber später mehr.

Aber was steht denn nun genau drin? Unter anderem:

– Heraufsetzung des Mindestalters für Prostitutionserlaubnis auf 21 (bislang ab 18)

– Freierbestrafung bei Kontakten zu schwangeren Prostituierten

– weitere Regulierung des Straßenstrichs

– Ablehnung und Verbot von „Verrichtungsboxen“

– Freier sollen sich die Anmeldebescheinigung der Prostituierten nachweisen lassen

– Abschaffung von Wucherpreisen seitens der Vermieter

– Verstärkung der behördlichen Kontrollen in Betriebsstätten

– Krankenversicherungspflicht – ohne keine Anmeldebescheinigung

– Bekämpfung von Scheinselbständigkeit von Prostituierten

– Schaffung einer Monitoringstelle zur Überwachung der Fortschritte bei der Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes

Prostituierte schützen – Zwangsprostitution bekämpfen – Ausstiegsangebote stärken“

Einleitend heißt es im Papier mit dem noch harmlosen Titel:

„Unser Anliegen als CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist es, die Menschenwürde im-mer und überall zu verteidigen und zu schützen. Jenseits einer ethisch-moralischen Bewertung von Prostitution stellen wir fest, dass es nach wie vor trotz klarer Verbote Zuhälterei, Zwangsprostitution und Menschenhandel gibt. Dieser Zustand ist für uns inakzeptabel. Die Situation der Betroffenen, insbesondere junger Frauen, fordert uns zum Handeln auf.“

Aber anstatt folgend das ProstSchG als unwirksam zu erkennen (es wird sogar sehr gelobt, allerdings laufe die Umsetzung vielerorts noch schleppend, weil Ländersache) oder gar das in aller Regel postulierte hohe Ausmaß der „Zwangsprostitution“ nach unten zu korrigieren – nichts anderes lässt Datenlage seitens der Polizeistatistiken zu, fantasieren sich die Verfasser des Papiers so einiges zusammen. So hält man an der Mär fest, „für Freier aus vielen Regionen Europas wurde Deutschland zum Magneten“. Unerörtert behauptet man eine „dramatischen Veränderungen mit einer zunehmenden Verschlechterung der Lebensverhältnisse der Betroffenen“.

Weiter will man an der Geschichte festhalten, in Deutschland gäbe es eine enorme Dunkelziffer an illegal arbeitenden Prostituierten. Im Papier heißt es:

„In Deutschland waren Ende 2019 40 400 Prostituierte angemeldet. Da Schätzungen von einer weitaus größeren Zahl von in der Prostitution tätigen Menschen ausgehen, ist ebenfalls von einem erheblichen Bereich illegaler Prostitution auszugehen. Das werden wir nicht hinnehmen“.

Welche Schätzungen hier gemeint sind, das erfährt der Leser nicht. Wahrscheinlich um niemandem auf den Schlips zu treten. Sind es 100.000 oder jene, von Hardlinern noch heute fröhlich, nein über die Maßen agressiv und inflationär postulierten 400.000 plus. Bei letzterer Schätzung wird nur eines gern verschwiegen. Aber pssst, denn sie ist bereits über 30 Jahre alt, hat keinerlei Evidenz und wurde von den Herausgebern ziemlich schnell zurückgenommen. (Die Zahl inkl. 1,2 Mio. Sexkontakte täglich wurde 1988 erstmalig von Hydra in „HYDRA-Nachtexpress – Zeitung für Bar, Bordell und Bordstein“ veröffentlicht, anschließend 1990 im Gesetzentwurf der Grünen (Drs. 11/7140) verwendet). Seither ist sie nicht totzukriegen.

Viel Framing und ne Menge heiße Luft

Ohne Quellenangabe und rein auf emotionaler Basis wird auch im Papier weiter argumentiert. Ja, es gebe auch „die selbstbestimmte, legale Prostitution“. Aber. Und das Aber ist lang:

„Im Zusammenhang mit Prostitution findet aber häufig auch Menschenhandel, Zwangsprostitution und Zuhälterei statt. Diese widersprechen der Menschenwürde, verstoßen gegen das Grundgesetz und müssen bekämpft werden. […] Darüber hinaus gibt es einen großen Graubereich, in dem die finanzielle oder emotionale Abhängigkeit, insbesondere junger Frauen, aber auch Männer, ausge-nutzt wird, um mit ihnen Geld zu verdienen. Besonders junge Personen sind in ihrer Persönlichkeit oft noch nicht gefestigt, leicht zu beeinflussen und verletzlich. Sie sind besonders häufig unter den Opfern von Menschenhandel zu finden. Ihre Situation ist oft mit unerträglichen Umständen verbunden, aus denen sich die Be-troffenen in vielen Fällen nicht lösen können -mit demütigenden Praktiken, mit bleibenden Verletzungen, mit Gewalt und Bedrohungen. Das führt bei vielen Prostituierten zu bleibender Traumatisierung und bleibenden körperlichen Schäden.“

Um vor diesen „körperlichen und seelischen Schäden“ zu schützen wolle die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nun handeln:

„Dazu setzen wir auf verstärkten Schutz junger und vulnerabler Personen durch Restriktionen, Verbote, gezielte Kontrollen und Strafen für Freier.“

Im Folgenden sind insgesamt 41 Punkte zum Schutz der Betroffenen aufgeführt. Allerdings erfährt man weder, wie diese umgesetzt werden sollen, welcher bürokratische Mehraufwand auf Länder und Behörden zukäme, mit welchen Partnern/Beratungsstellen man zusammenarbeiten wolle, noch wie viel Geld man in die Hand nehmen wolle, ergo wie das finanziert werden soll. Von Datenschutz- oder grundrechtlichen Hürden ganz zu schweigen.

Also Eigentlich wie immer. Die Union schreit „Zwangsprostitution“ und emotionalisiert fleißig (der Begriff „Framing“ passt hier wie die Faust aufs Auge), der Rest ist heiße Luft. Dieses nach Fleißarbeit aussehende Papier ist letztendlich oder vielleicht auch zum Glück nichts als eine Ansammlung von Lippenbekenntnissen. Leider ist aber auch zu erwarten, dass sich die heiße Luft als brandgefährlich erweisen wird. immerhin errweißt sie sich als Widerkäuer abolitionistischer Denkmuster.

Brandgefährliche Narrative

Brandgefährlich. Weil es genau genommen entmündigend, entrechtend und stigmatisierend und durchweg kriminalisierend ist. Ein Blick auf die Wahl der Sprache zeigt: Nur 3 mal und ganz das beiläufig wird erwähnt, dass es „legale“ bzw. „selbstbestimmte“ Prostitution gibt. Im Gegenzug kommen folgende Wörter mit klar negativer Konnotation zusammengenommen 61 Mal vor:

 „illegal“ (2), „Zwangsprostitution“ (12), Zwangslage (1), Menschenhandel (12), Zuhälter (4), *verbot* (11), menschenunwürdig (3), Ausnutzung (1), Ausbeutung (4) Opfer (2), Gewalt (3), Straftat* (3), Schwarzarbeit (1)

Allein dieser Duktus verortet Frauen in der Prostitution persé in einem kriminellen, sie in Zwangssituationen bringenden Millieu – von Transexuellen ist hier übrigens nicht einmal die Rede, Männliche Sexworker werden ein einziges Mal erwähnt (beim Thema jung und ausgenutzt). Die Verfasser des Papiers wollen Prostituierte nicht schützen. Definitiv nicht. Es gilt allein das Narrativ der wehrlosen, schutzbedürftigen, entmündigten Frau zu bestätigen. Die Frau als Opfer. Die Frau ohne eigene Sexualität, ohne Entscheidungsgewalt über ihren Körper und was sie damit macht. Das mittelfristige Ziel der Autoren: Weil eine vollständige Kontrolle und Datenerfassung aller möglichen Prostituierten (inkl. der Fiktiven) ein Ding der Unmöglichkeit bleiben wird, soll letztendlich ein Verbot angestrebt werden.

So heißt es bereits im zweiten Punkt:

„Wir werden das Monitoring auswerten und, falls die Regelungen nicht zum gewünschten Schutz von Prostituierten geführt haben, weitere Maßnahmen vorschlagen und auch ein Sexkaufverbot in Betracht ziehen.“

Bis dahin, wird jenes Narrativ gebetsmühlenartig verbreitet und gefestigt, werden den Sexarbeiter_innen weitere Einschränkungen und Verbote auferlegt. Die logische Konsequenz ist aber ganz eindeutig: auf der einen Seite eine direkte Verschlechterung der Arbeits- und Lebensverhältnisse der Dienstleister_innen zu bewirken, auf der anderen, moralisierenden Seite eine Deutungshoheit zu erlangen und diese als gesellschaftlichen Konsenz zu etablieren. Der angebliche Wille, die Frauen rechtlich zu stärken, sie zu schützen und Beratungsangebote zu fördern ist eine Farce vor dem nächstenliebenden Herrn.

Infame Maßnahmen gegen die Selbstbestimmtheit und gegen die freie Arbeitsausübung:

„Eine Anmeldung (Anmerkung: Anmeldebescheinigung nach ProstSchG) soll nur erfolgen, wenn zugleich der Nachweis über eine Krankenversicherung vorgelegt wird[…].“

Dieser Schritt würde zahlreichen SD (insbesondere innerhalb der beratungsbedürftigen weil vulnerablen Gruppe) ihrer Arbeitsgrundlage berauben und diese (teils noch weiter) in die Illegalität treiben. Ja, in Deutschland gibt es eine Versicherungspflicht, aber wer nicht versichert ist, macht sich per Gesetz auch nicht strafbar. Dabei sind die Gründe für eine Nichtversicherung vielfältig. Nicht nur im Rotlichtmilieu. Laut der Verbraucherzentrale Hamburg haben deutschlandweit insgesamt rund 61.000 Menschen keine Krankenversicherung. Hier würde wieder ein Sondergesetz für Prostituierte geschaffen. Anstatt auf Rechtsberatung, Unterstützung und erleichterten Zugang zu setzen, wird weiter reglementiert und ausgegrenzt.

Stichpunkt Beschaffungs-, Armuts-, Gelegenheitsprostitution oder Prostitutionsleistungen aufgrund anderer Motive (ich beziehe mich eindeutig nicht auf Sex wegen Zwangs durch Dritte) – diese Personengruppe fällt ja bereits mehrheitlich duch das Raster der behördlichen Anmeldepflicht nach dem ProstSchG. Diese Personen blieben mit dem Zusatz Krankenversicherungsnachweis auch weiterhin von den validen Statistiken unberührt.

Und wie verhält es sich bei EU- und Nicht-EU_Bürger_innen? Bspw. ist die Europäische Krankenversicherung (EuKV) keine Krankenversicherung nach Deutschem Recht.

„Wir wollen die Prostitution von Heranwachsenden unter 21 Jahren verbieten“

Dazu bedarf es Gesetzesänderungen. Nach § 2 BGB tritt die Volljährigkeit mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein. Damit ist eine natürliche Person voll geschäftsfähig. Das ist nicht zu ändern. Also müssten hierfür entsprechende Änderungen im Strafgesetzbuch vorgenommen werden. Das heißt im Endeffekt Prostitution und SD werden nicht entkriminalisiert sondern weiter marginalisiert.

Übrigens gibt es bereits zwei Paragraphen im StGB, die ein Mindestalter von 21 vorgeben: § 232 (Menschenhandel) und § 232a (Zwangsprostitution). Danach werden letztendlich alle unter 21-Jährigen in eine Opferrolle gedrängt. Da heißt es:

„Mit Freiheitsstrafe […] wird bestraft, wer eine andere Person […] unter einundzwanzig Jahren veranlasst, die Prostitution aufzunehmen oder fortzusetzen […].“

Demnach wäre u.U. ein Bordellbetreier Täter und der/die Prostituierte Opfer. Irgendwie schon, oder? Zumindest wenn es das Gericht es mit dem „veranlasst“ als erwiesen sieht. Dass bereits Sexdienstleister_innen fälschlich als Zwangsprostituierte erfasst wurden, kann man im wiki der Piratenpartei nachlesen (hier).

Anderes Beispiel: bei der Bundeswehr arbeiten hunderte minderjährige Soldat_innen. Auslandseinsätze sind nach mehreren Vorbereitungsphasen theoretisch vor Vollendung des 21. Lebensjahres möglich, kommt praktisch auch vor. Hier sieht der Gesetzgeber also kein Problem.

Mit Stand 25. Januar 2021 waren 3.157 Soldat_innen der Bundeswehr unmittelbar bei Auslandseinsätzen eingesetzt (Quelle Statista Research Department). Wie viele davon unter 21 Jahre alt waren, dazu habe ich keine Daten gefunden. Schade, denn platt gesagt, Einsätze in Kriesenbieten / bei bewaffneten Konflikten inkl. aller körperlichen und psychischen Risiken sind also OK, aber beruflich Sex haben nicht.

„Ebenso soll Prostitution für schwangere Frauen verboten werden. Dies dient dem gesundheitlichen Schutz der werdenden Mutter und des ungeborenen Kindes. Prostituierte, die wegen einer Schwangerschaft nicht mehr arbeiten dürfen, wollen wir unterstützen. Den werdenden Müttern sollen Ausstiegshilfen angeboten werden, um ein Leben mit ihrem Kind im Sinne des Kindeswohls gestalten zu können.“

Oha. Bislang sieht das ProstSchG vor, dass werdenden Müttern, die bei der Anmeldung in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung stehen, die Anmeldebescheinigung verwehrt wird. Das ist unter gesundheitlichen und arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten wohl richtig. Auch wenn es gleichwohl für Dominas, Sexualbegleiterinnen oder Tantra-Masseurinnen ein Arbeitsverbot bedeutet. Für andere Berufsgruppen muss entweder ein ärtzliches Attest eine Gesundheitsgefärdung bestätigen oder bestimmte Kriterien müssen erfüllt sein. Hier waltet das ProstSchG wieder als Sondergesetz.

Die Forderung im Positionspapier geht aber viel weiter. Es fordert ein generelles Arbeitsverbot. Und warum ist ist dies mit einer Ausstiegshilfe verknüpft? Klar, weil Müttern a priori eine Kindeswohlgefährdung unterstellt wird. Wenn das mal nicht eine dreiste Kriminalisierung, wie sie im Buche steht, ist. Nicht nur das, wir sind auch wieder beim Thema Verleumdung der weiblichen Sexualität und der mündigen Entscheidungsfindung. Danach wird dies alles Müttern abgesprochen.

„Wir wollen eine Freierstrafbarkeit für die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen von Heranwachsenden und offensichtlich schwangeren Frauen einführen“

Ähh, also bei der Inanspruchnahme von Sex gegen Entgelt mit Heranwachsenden, also Personen zwischen 18 und 21 Jahren, und Schwangeren wird der Freier bestraft. Das bedeutet ja dann im Umkehrschluss, dass die betreffenden Prostituierten straffrei bleiben. Dann aber stehen sie vor dem selben Dilemma, wie die Sexarbeiter_innen in jenen Ländern stehen, in welchen das Schwedische/Nordische Modell gilt. (Mehr genau dazu bspw. hier und hier und hier)

“ Wir wollen darauf hinwirken, dass der Straßenstrich aufgrund der dort oft herrschenden menschenunwürdigen Bedingungen stärker reguliert wird. Kommunen sollen von ihrer Möglichkeit Sperrbezirke auszuweisen stärker Gebrauch machen.“

„Sogenannte „Verrichtungsboxen“ wie in der Stadt Berlin lehnen wir als men-schenunwürdig ab.“

… was mal wieder ein Paradebeispiel für die völlige Unkenntnis und Unqualifiziertheit der Autoren spricht. Allein mit dem herausschreien des Wortes „Menschenunwürdig“ will man die Sachlage dargestellt und erklärt, die Maßnahme gerechtfertigt haben.

An dieser stelle möchte ich aus dem 2014 erschienenen Abschlussbericht des Runden Tisches Prostitution des Landes NRW zitieren:

Straßenprostitution „bietet insbesondere den Frauen und Männern, denen der Zugang zum regulierten Arbeitsmarkt aus unterschiedlichen Gründen verschlossen ist, die Möglichkeit, relativ schnell, ohne weitere Zugangsvoraussetzungen oder Qualifikationen, Geld zu verdienen. Die Ausübung der Prostitution auf der Straße wird von vielen auch bevorzugt, weil sie mit hoher Flexibilität und Unabhängigkeit verbunden ist […] Aufgrund der – aus Sicht mancher Prostituierter – vorteilhaften schnellen und voraussetzungslosen Verdienstmöglichkeit bietet sich Straßenprostitution aber auch besonders für vulnerable Gruppen an.“

„In den letzten Jahren erfolgt die Erbringung sexueller Dienstleistungen auch in sogenannten „Verrichtungsboxen“, die typischerweise Elemente eines geschützten Straßenstrichs sind.“

„In Nordrhein-Westfalen haben einige Kommunen die Ausweisung neuer oder erweiterter Sperrgebiete mit Konzepten verbunden, um die Straßenprostitution in ausgewählte und teilweise geschützte Bereiche zu verlagern. Ziel war es den berechtigten Belangen von Anwohnerinnen und Anwohnern Rechnung zu tragen […] eine bloße Verdrängung der Prostituierten zu vermeiden.“

„Allerdings müsste die Einrichtung von Sperrbezirken nach Auffassung der Sachverständigen mit der Ausweisung von Toleranzzonen einhergehen. […] Da Prostitution ein legales Gewerbe ist, sollte die ohnehin vorhandene Straßenprostitution akzeptierend und aktiv gestaltet werden.“

„Wir wollen eine deutliche Intensivierung der Kontrolle des Prostitutionsgewerbes […]“

„Wir wollen die Befugnisse für Ermittler stärken.“

Achja. Die Befugnisse von Polizei, Steuerfahndern, Zollbeamten waren bereits vor 2017 umfangreich. Mit Einführung des ProstSchG wurden sie noch einmal ausgeweitet. Razzien mit Hundertschaften, Besuche während der Arbeitszeit sind für niemanden angenehm, nein anders, sind für Prostituierte und Freier für in der Regel absolut entwürdigend und beschämend. Wie will man das intensivieren?

Mit diesen beiden Forderungen wird doch nur suggeriert, die Exekutive hätte in Deutschland nur eingeschränkte Kontrollmöglichkeiten und kriminelle Machenschaften blieben so außerhalb ihres Radars.

„Wir wollen mit Blick auf den Jugendschutz und den Schutz der Prostituierten einen restriktiveren Umgang mit Werbung, insbesondere auf Plakaten, Bussen und Taxis, und werden entsprechende Maßnahmen prüfen.“

Mit einem restriktiveren Werbeverbot wird Prostituierten ihre Arbeit noch mehr erschwert. Zumal warum sollte eine Bordellwerbung auf nem Taxi die Prostituierte selbst gefährden? Das Thema Jugendschutz ist hier doch fadenscheinig. Es gibt keinerlei seriöse Erkenntnisse, dass Kinder und Jugendliche in Ihrer Entwicklung gefährdet sind, wenn sie irgendwo das Wort Laufhaus lesen zusammen mit einer Abbildung einer halbnackten Frau.

Im Gegenteil, ohne Werbung in der Öffentlichkeit (dass diese jugendschutzkonform bleibt, versteht sich) und der damit einhergehenden Kenntlichmachung, dass es sich dabei um einen legalen Beruf handelt, wird Prostitution in der Zeit zurück, hin zur einer erneuten Sittenwidrigkeit gedrängt.

Fünf lange Punkte unter der Überschrift „Prävention stärken -Ausstieg unterstützen“

Von „Wir wollen insbesondere Präventionsprogramme und umfassende in der Breite wirkende Bildungsprogramme gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution unterstützen“

über „Wir wollen eine Studie über die psychischen und physischen Folgen von Prostitution in ihren verschiedenen Ausprägungen, insbesondere auch in Bezug auf unfreiwillige Prostitution in Auftrag geben.“

und „Deshalb wollen wir den Ausstieg aus der Prostitution stärker unterstützen.“

bis hin zu „Wir wollen eine bundesweite, multimediale Kampagne starten, die Frauenbil-der von Freiern thematisiert und für Menschenhandel und Zwangsprostitution sensibilisiert.“

Die Autoren sprechen machen also abschließend noch einmal klar worum es ihnen geht. Nicht etwa wie es im ersten Teil der Überschrift des Positionspapiers heißt „Prostituierte schützen“. Es geht ihnen allein darum ein Bild von der flächendeckenden Zwangsprostitution zu konstruieren.

Warum sonst wird nicht gefordert, die finanziellen Mittel der bundesweit agierenden Beratungsstellen deutlich zu erhöhen – für Rechts- und Steuerberatung, Gesundheitsberatung, Aufklärung, Schaffung von Workshop-Angeboten, Begleitung zu Ämtern und Behörden, psychosoziale Begleitung etc.pp.

Nein, stattdessen heißt es Zwangsprostitution, Zwangsprostitution und nochmal Zwangsprostitution. Wie Groß kann man „Opfer“ denn noch schreiben?

Ein lobenswerter Punkt?

Folgende Forderung finde ich dan doch noch lobenswert und notwendig – zumindest prinzipiell:

„Betreibern eines Prostitutionsgewerbes ist es bereits jetzt verboten, sich von Prostituierten für die Vermietung von Räumlichkeiten Wucherpreise zahlen zu lassen. Dieses Verbot muss effektiver kontrolliert und durchgesetzt werden.“

Aber leider liegt der Hase da gar nicht im Pfeffer. Nicht mangels Kontrollierbarkeit werden mancherorts weiterhin horrende Mietpreise erhoben. Es gibt einfach keine verbindlichen Angaben, ab wann es sich um Wucher handelt. Also ist der Punkt wieder mehr heiße Luft als zu Ende gedacht.

… und einmal kräftig lachen

Folgende Maßnahmenbegründung hat mich dann aber noch zum Lachen gebracht, weil er so absurd ist im Jahr 2021:

die „Intensivierung der Kontrolle des Prostitutionsgewerbes“, der „Ausbau der personellen und strukturellen Ressourcen“ die Stärkung der „Befugnisse für Ermittler“ etc.pp. seien in der Sache begründet, dass – und jetzt kommt es, u.a. weil „auf neue Lageentwicklungen wie die Prostitutionsvermittlung über das Internet und die sozialen Medien entsprechend reagiert werden“ müsse.

OK, für einige Politiker_innen der Union ist das Internet immernoch Neuland. Da mag es ihnen entgangen sein, dass heutzutage Kommunikation jeglicher Art im Netz ablaufen. Jetzt von einer „neuen Lageentwicklung“ zu sprechen ist total banane. Dazu kommt natürlich, dass die jener Forderung inneliegende Aussage völliger Quatsch ist. Es wird u.a. ein Straftatbestand wie „Menschenhandel“ allein mit der Begründung „Internet“ in Verbindung gebracht. In den anschließend aufgeführten Maßnahmen wird indes überhaupt nicht mehr auf dieses neue Internet oder jene ominösen sozialen Medien eingegangen. Ja, sehr absurd das ganze.

Fazit

War was anderes zu erwarten von dem Positionspapier? Wahrscheinlich nicht. Leider nur hat es die CDU/CSU-Fraktion geschafft mal wieder die Entmündigung und Ungleichbehandlung der Frau zu postulieren. Na prost Mahlzeit und Willkommen im Jahr 1850.

rde

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