Solwodi kritisiert Jubiläumsfeier der Rotlichtmeile in Oberhausen

Empörend, entsetzlich, falsch und kriminell … – oder: Wenn eine Frauenhilfsorganisation überall nur noch Schattenseiten sieht.

„Wo viel licht ist, ist auch viel Schatten“, heißt ein gängiges Sprichwort. Die Kirche sieht sich dabei gerne als Vertreterin des sinnbildlichen Lichts und als Kämpferin gegen die Schattenseiten des Lebens. Eigene Schatten bleiben aber oft gänzlich unaufgearbeitet. Beinahe unerträglich wird es dann, wenn einzelne Kirchenämtler andere Gruppierungen, Lebensweisen und Gesellschaftsbereiche – bewusst oder unbewusst – pauschal vorverurteilen, stigmatisieren und verunglimpfen. Danach wäre der geworfene Schatten bei Rotlicht/in rotem Licht und somit im Rotlichtmilieu extrem groß. Gerade erst hatten wir hier über das Geschwurbel des erzkatholischen Herrn von Gersdorff berichtet. Nun folgt der nächste Nonsens …

In Oberhausen nämlich feierte die dortige Rotlichtmeile Flaßhofstraße ihr 50-jähriges Bestehen. Und um neben der Jubiläumsfreude Transparenz zu zeigen sowie dem Milieu etwas zu entmystifizieren wurde ein öffentliches/offenes Straßenfest, im Sinne eines Tages der offenen Tür, gefeiert. Zu diesem hatten ausnahmsweise sogar Frauen (also die, die nicht hier arbeiten) Zutritt. So weit so gut, wäre da nicht die Prostitutionskritische Frauenhilfsorganisation Solwodi.

Seit langem schon behauptet Solwodi frei heraus und unbewiesen in Deutschland arbeiteten bis zu 90 Prozent der Prostituierten unter Zwang. Der Einsatz gegen Zwangsprostitution und die Unterstützung betroffener Frauen in allen Ehren, aber haltlose Behauptungen von Seiten der Vorsitzenden, Ordensschwester Dr. phil. Lea Ackermann, sind nun gänzlich fehl am Platz.

Ähnlich sieht es bei Aussagen anlässlich des Oberhausener Straßenfestes aus. Wie „DerWesten“ (das Onlineportal der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung) berichtet, habe Frau Ackermann völlig entsetzt dazu gesagt, das Bordellviertel wolle damit die Schattenseiten der Prostitution wegfeiern. Laut der Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, die das deutsche Prostitutionsgesetz für einen schweren Fehler hält, verletze Prostitution elementare Menschenrechte, wonach es in Oberhausen kein Grund zum Feiern gäbe.

Mit einem Fest die Schattenseite einer Branche wegfeiern? Was soll das denn heißen? Argumentation sieht anders aus. Würde man Frau Lea Ackermanns Aussage folgen, dann stünde ein Verbot fast sämtlicher Branchen in Deutschland an. Wollte eine Metzgerei ihr Bestehen feiern, dürfte sie es nicht, weil Sie ja damit Gammelfleischskandal oder Massentierhaltung wegfeiern würde. Eine Party einer Supermarktkette/eines Warenhauses würde manch Videoüberwachungsskandal ins Lächerliche ziehen und die betroffenen Einzelhandelsangestellten verhöhnen. Ausgebeutete und verheizte Billiglöhner würden verspottet, sobald ein Großunternehmen ein Werkfest begeht. Und nicht anders sähe die Sache bei der Kirche selbst aus. Kirchenfeiern, nein eigentlich die komplette Institution Kirche hätte kein Existenzrecht mehr, denkt man nur mal an deren Schattenseiten. Kindesmissbrauch durch katholische Priester, Pädophilie unter Geistlichen … Die Vorfälle schnell mal pauschalisiert und verallgemeinert, dann noch eine haltlose Behauptung im Sinne „bis zu 90 Prozent“ in den Raum gestellt – wegen kaum zugänglicher oder vernichteter Akten, wegen Verschwiegenheit und Vertuschung lassen sich hier nämlich ebenso wenige reelle Zahlen feststellen – dann noch von „verletzen elementaren Menschenrechten“ sprechen und schon hätte Frau Ordensschwester keinen Arbeitgeber mehr.

Naja, wie wir alle „wissen“, ist ja Fleischeslust im christlichen Verständnis eine Sünde, also in diesem Sinne eine Schattenseite des menschlichen Lebens. Und aus diesem Grund scheint eine vernünftige Debatte zum Thema Prostitution mit Kirchenvertretern schwer möglich. Wäre man unverschämt, könnt man hier gar behaupten, anlässlich obiger von Frau A. aufgestellter Behauptung träfe auf sie eher das Sprichwort „einen Schatten haben“ zu. Aber wie gesagt, das wäre unverschämt.

Vielleicht überträgt Schwester Ackermann (sie gehört übrigens dem römisch-katholischen Missionsorden der „Missionsschwestern unserer Lieben Frau von Afrika“ an), unbewusst auch ihre Erfahrungen aus ihrer Arbeit in Ruanda, Kenia und Co. auf Westeuropa. Wer weiß? Aber um mit einer Branche in den Dialog zu kommen, sollte die Gesprächsebene vielleicht doch etwas geändert werden …

rmv

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