Dänische Ex-Prostituierte klagt Freier an

Tanja Rahm geistert verbittert einer verallgemeinernden Schuldfrage nach – mehr als Schwarz-WeiĂź-Malerei ist das nicht

Hohe Wellen hat die Prostitutionsdebatte hierzulande aufgrund Alice Schwarzers Frontalangriff geschlagen. Ă„hnlich scheint es bei unseren dänischen Nachbarn zu sein, dort allerdings aufgrund der Veröffentlichungen der Ex-Prostituierten Tanja Rahm. Welt.de veröffentlichte kĂĽrzlich unter „Ich ekelte mich vor Euch und Euren Fantasien“ Rahms Brief an ihre einstigen Kunden. In diesem Fall möchte ich nicht direkt auf das dort Gesagte eingehen, ist es schlicht von Verbitterung, Vorverurteilung, Verallgemeinerung und Hass geprägt, sondern schreibe einen Brief an Rahm selbst:

Liebe Frau Rahm,

falls du glaubst, jeder Freier gehe in dem Glauben zu einer Prostituierten, sie würde sich unbändig nach seiner Männlichkeit verzehren und immer Lust an ihrem Job habe, liegst du falsch. Das deren Hauptmotiv das schnelle Geld ist, ist den Männern klar.

Ebenso sind sie sich bewusst, dass die Lust und eventuelle Orgasmen der Dirnen sehr wahrscheinlich vorgespielt sind. Das hindert die Männer aber nicht daran zu fantasieren, in diese fiktive Welt des Begehrtwerdens einzutauchen und das Schauspiel einfach nur zu genießen. Um so besser eine Prostituierte die Illusion aufrecht erhalten kann, um so schöner ist ein solcher Besuch.

Wenn Du glaubst, dass der Freier dir keinen Gefallen getan hat, indem er dich fĂĽr eine halbe oder ganze Stunde bezahlt hat, dann verkennst du die Situation und wiedersprichst dir teils selber. Ja, er wird insgeheim akzeptieren, dass du ihn nur schnell rein und schnell wieder raus haben wolltest. Aber du wolltest schnelles Geld verdienen und er gab es dir. Somit handelt es sich nicht um einen Gefallen, sondern um einen Vertrag. Und beide, du und er, haben die Vertragsvereinbarungen eingehalten: Sex gegen Geld.

Wenn du glaubst, Freier hielten sich für Heilige, weil sie dich dies oder jenes fragen, dann irrst du. Dass du in diesem Zusammenhang pauschal behauptest, jeder Freier hätte deinen Körper durch seine Berührungen mit blauen Flecken markiert, werte ich als verläumderische Unterstellung. Für die Fälle, die wirklich so abgelaufen sind, schäme ich mich jedoch für mein Geschlecht.

Wenn du verurteilst, dass Freier versuchen, einer Sexworkerin ebenfalls einen Orgasmus zu bescheren, dann verstehst du Sex nicht. Es mag sein das der eine oder andere auch seine Männlichkeit beweisen will. Aber Sex macht nun einmal mehr Spaß, wenn beide Parteien Lust empfinden. Und sei es nur eine goldmedaillenreif vorgespielt Lust (zumindest im Hure-Freier-Verhältnis); wobei wir wieder beim Thema gewünschte Illusion wären.

Ich war vielleicht Nummer drei, Nummer fünf oder Nummer acht an diesem Tag. Glaubst du wirklich, obwohl du es ja so goldmedaillenreif beherrschtest zu Schauspielern, dass es meine Pflicht gewesen wäre, deine körperliche und seelische Qual dennoch zu erkennen und unseren Termin sofort zu unterbrechen? Vielleicht wäre es meine Pflicht gewesen. Aber du hättest mich doch in dem Fall auch gar nicht empfangen brauchen. Immerhin sagst du, du hattest dich aus freien Stücken prostituirt. Ach nein, du sagst ja, das einzige, was du wolltest, war schnell verdientes Geld. Und dieses Geld wolltest du mit Sexdienstleistungen erhalten.

Nur warum verurteilst du den hungrigen Brötchenkäufer?

Du verurteilst die Motivationen/das Handeln der Männer, sagst sie seien zynisch, eiskalt… Wenn du glaubst, das trifft nicht auf dich zu, dann meidest du wohl Spiegel. Immerhin erklärst du, wie wenig dich die Gespräche mit Freiern interessierten, wie gleichgĂĽltig dir die GrĂĽnde fĂĽr deren Besuch bei dir waren. Lass dir eines sagen: Auch Männer haben Ă„ngste, Sorgen, und Probleme. FĂĽr manche sind Prostituierte die einzigen Personen, mit denen sie darĂĽber sprechen können. Sie sind die einzigen, mit denen sie dann in eine sexuelle Fantasiewelt, fern ab der banalen Realität, reisen, bei denen sie ihre unerfĂĽllten Begierden und GelĂĽste ausleben können.

Die Freier haben nicht den Menschen hinter deiner Fassade gesehen? Das stimmt. Wie auch? Sie haben nur die Illusion gesehen. Ja, dass ist der Sinn! Darum gehe ich auch ins Theater, weil ich mich von einer Illusion bezaubern lassen will. Ich sehen nicht den Menschen hinter dem Schauspieler. Und was ist mit dir? Hast du den Menschen hinter dem sexhungrigen, vielleicht auch redebedĂĽrftigen Freier gesehen. Nein! Du siehst nur das, was du sehen willst!

Von den beiden Archetypen Täter und Opfer

Dass es der Freier einziges Ziel sei, ihre „Macht zu beweisen“ und „deinen Körper zu benutzen, wie es ihnen gerade gefällt“, ist eine feiste Unterstellung. Und fĂĽr jene Männer, die dies ohne dein Einverständnis so taten, schäme ich mich – wie schon gesagt.

Du sagst, und hier zitiere ich dich im Ganzen: „Die Prostituierten sind nur da, weil Männer wie Du einem gesunden und respektvollen Verhältnis zwischen Männern und Frauen im Weg stehen. Die Prostituierten existieren nur, weil Männer wie Du sich berechtigt fĂĽhlen, ihre sexuellen BedĂĽrfnisse in den Körperöffnungen anderer Menschen zu befriedigen.“

Mein Frage: Du sagst, du hättest den Schritt hin zur Prostitution freiwillig getan, hättest aber aufgrund verschiedener Lebensumstände keine Alternative gesehen, schnelles Geld zu verdienen. Bitte sage mir, was du getan hättest, wenn es keine Freier gäbe? Werden nicht auch viele Männer nur dadurch zu Freiern, weil es Frauen wie dich gibt, die sich freiwillig (welche Intension auch immer dahinter steckt) für bezahlten Sex zur Verfügung stellen?

Wenn du meinst, jene „mittelmäßigen“ Männer, die fĂĽr Sex bezahlen, haben den Kern ihrer eigenen Sexualität nicht gefunden, dann erkläre mir mal folgendes:

Was sollten deiner Meinung nach Männer (mit einem gesunden Lustempfinden) tun, die

  • monatelang auf See sind, unter ihresgleichen und nur kurze Landgänge (in fremden Ländern) haben
  • aufgrund einer Behinderung (geistig oder körperlich) beinahe keine Chance auf eine Partnerschaft haben
  • aufgrund von Schönheitsfehlern, fehlendem Selbstvertrauen, Angst usw. ĂĽber viele Jahre keine Partnerin finden
  • eine Partnerin haben, die aufgrund eines Unfalls/einer Krankheit nicht mehr zu sexuellen Handlungen fähig ist
  • eine Partnerin, die sie lieben, haben, welche aber keinen Bedarf an Sex verspĂĽrt
  • eine stark ausgeprägte sexuelle Neigung haben, welche ihre Partnerin aber nicht erfĂĽllen kann/will
  • eine Frau haben, die eine offene Partnerschaft befĂĽrwortet und auch Besuche bei Dominas o.ä. akzeptiert

Deine Antwort kann doch nicht rigoros Enthaltsamkeit sein oder gar sie haben einfach die „eigene Sexualität nicht gefunden“. Ich weiĂź, es gibt genug andere Männer, die nicht in diese Kategorien fallen. Aber ich versuche zu differenzieren. Du nicht! Und mit der Aussage „Es gibt keine lieben Kunden. Es gibt nur Kunden, die das negative Selbstbild von Frauen verstärken.“ sprichst du nicht nur den Männern alles humane ab, sondern auch allen Frauen die Fähigkeit zur Selbstbestimmung. Du machst damit alle Freier zu Tätern und alle Sexarbeiterinnen zu Opfern. Das finde ich wahnsinnig schade…

Herzliche GrĂĽĂźe, ein Mann

Fazit

Frau Rahm soll hiermit nicht verunglimpft werden, noch sollen ihre Erfahrungen klein- und heruntergeredet werden. Sie steht sicherlich nicht als einzige Frau mit solchen Empfindungen da. Aber Freier auf diese Weise so pauschal zu verurteilen und durchweg ins schlechte Licht zu stellen zeugt nicht davon, dass sie ihre Erlebnisse aufgearbeitet hat. Daneben ist es schwer zu glauben, dass sie, die sich freiwillig prostituierte, von jeglichen Freiern schlecht und entwĂĽrdigend behandelt wurde. Und Sexarbeiterinnen, die selbst aussagen, ihren Beruf gerne und mit Freude auszuĂĽben, spricht sie an dieser Stelle pauschal einfach mal die GlaubwĂĽrdigkeit ab. Interessant…

Laut Welt.de erklärt sie weiter: „Ja, ich habe es freiwillig getan. Aber verschiedene Umstände in meinem Leben haben bewirkt, das ich gar keine Alternative sah, es war, als ob andere fĂĽr mich entschieden hatten.“ Allerdings erkennt sie an keiner Stelle ihrer Männerverurteilung, dass viele Freier vielleicht auch keine Alternative haben, als zu einer Sexworkerin zu gehen. Nein, Frau Rahm behauptet eher, dass es im Milieu eine groĂźe Anzahl von Psychopathen gebe. Hingegen seien die Prostituierten gar nicht in der Lage, eine freie Wahl zu treffen. Aufgrund von schlimmen Kindheitserfahrungen und familiengeschichtlich bedingt wäre deren Psyche und Sexualität negativ beeinflusst worden.

Diese Argumentation bzw. dieses pauschale Schubladendenken kennen wir doch schon von Alice. Hat vielleicht eine der beiden schlicht von der anderen abgeschrieben?

Laut der „Welt“ arbeitet sie als Therapeutin. Wenn aber eine Therapeutin in einer Weise an die Ă–ffentlichkeit tritt, die eigene Depressionen, psychische Probleme und unverarbeitete HassgefĂĽhle vermuten lassen, dann darf man sich schon fragen, ob sie so ĂĽberhaupt in der Lage ist, selber andere Menschen zu therapieren…

rmv

Nachtrag 20.01.2014:

Welt-Autor P. Hinrichs, der den Offenen Brief von Rahm ĂĽbersetzte, hat nun ein Interview mit der Dänin gefĂĽhrt. Auch dieses ist auf Welt.de zu lesen. Ich gehe jetzt nur auf einen einzigen Punkt ein. Auf die Frage zum Verdienst antwortet Rahm: „Es ging mir nie um das Geld. Es war nicht das Geld, das mich zur Prostituierten gemacht hat.“

Wie das zu verstehen ist, nachdem sie in ihrem Brief noch genau das Gegenteil behauptete, weiĂź ich nicht. Nur zeugt es schlicht von ihrer UnglaubwĂĽrdigkeit. So ist es nunmal bei Hetzkampagnen – sie sind geprägt von: WidersprĂĽche, Verallgemeinerungen und Doppelmoral.

Lesenswerte Antworten auf die Rahm`schen ErgĂĽsse haben auch Guido Keller und „erzaehlmirnix“ gegeben. Neben etlichen sehr emotionalen und teils moralisch fragwĂĽrdigen Kommentaren im Netz, sind jene beiden durchaus einen Blick wert.

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