Am 3. Oktober ist Nationalfeiertag – dann erinnern wir uns vereint an die deutsche Wiedervereinigung, an den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1990. Wir erinnern uns und feiern gemeinsam. Heute, 34 Jahre später, hat Mecklenburg-Vorpommern den Vorsitz im Bundesrat inne. Damit findet die offizielle Feier zum Tag der Deutschen Einheit in der Landeshauptstadt Schwerin satt. Das Motto des BĂĽrgerfestes: „Vereint feiern“. Es soll ein Fest werden, das Lust mache, MV und die Deutschland neu zu entdecken. Den Veranstaltern zufolge erwarte uns vom 2. bis 4. Oktober ein vielfältiges, buntes, nachhaltiges und inklusives Event fĂĽr alle Generationen.
Ein kleiner historischer RĂĽckblick
Die Wiedervereinigung könnte man vielleicht als ersten Lichtblick fĂĽr die Sexarbeiterinnen der DDR sehen. Denn noch in den 50ern und 60ern mussten sie Agitation des Staates bzw. Einweisung in „Heime fĂĽr soziale Betreuung“ befĂĽrchten. Ab 1968 waren Sexdienstleistungen wegen „Asozialität“ gesetzlich komplett und unter mehrjähriger Freiheitsstrafe verboten – zumindest offiziell. In Teilen wurden sie, mutmaĂźliche mit Geschlechtskrankheiten infiziert, aufgegriffen und zwangsweise in die Geschlossene Krankenanstalt (GKA) eingewiesen.
Eine der wenigen Ausnahmen, geduldet zu arbeiten, war, wenn das Ministerium fĂĽr Staatssicherheit junge, unverheiratete und gebildete „HWG“-Personen, wie sie damals im Amtsdeutsch bezeichnet wurden (HWG stet dabei fĂĽr häufig wechselnde Geschlechtspartner), zur Informationsbeschaffung in den sogenannten „Devisenhotels“ einsetzte. „Wenn Prostituierte in der AusĂĽbung ihrer illegalen Tätigkeit in den Blick der staatlichen Akteure kamen, waren sie fĂĽr die SED nichts weiter als kriminelle Straftäter*innen, denen keine UnterstĂĽtzung widerfuhr“, schreibt Steffi BrĂĽning in ihrer 2018 erschienenen Arbeit „Prostitution in der DDR. „Frauen und weibliche Jugendliche, die das offiziell saubere und moralisch einwandfreie Bild der DDR auch nur ansatzweise hätten stören können, wurden vorsorglich der öffentlichen Wahrnehmung entzogen.“
In der benachbarten Bundesrepublik Deutschland waren Sexarbeitende nicht viel besser gestellt. Ă„hnlich wie in der DDR mussten sich diese teils gesundheitlichen Zwangsuntersuchungen unterziehen – inkl. der Ausstellung eines „Bockscheins“. Prostitution wurde 1965 als gemeinschaftsschädlich gesehen und Huren als Berufsverbrecher gleichgestellt. 1980 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass Prostitution als sittenwidrig angesehen werde (wie schon 1948). Damit war Sexarbeit zwar nicht unter Strafe verboten aber auch nicht als Beruf anerkannt. Repressionen und die Rechtslosigkeit blieben bestehen. Zugleich grĂĽndeten sich ab da an Vereine, Organisationen und Beratungsstellen – wie z. B. mit HYDRA e. V. die erste autonome Hurenorganisation Deutschlands.
Die Rechtslage änderte sich zwar nicht mit der Wiedervereinigung. Aber sie war vielleicht erster Wegbereiter. Erst nach der Jahrtausendwende wurde sie mit dem Prostitutionsgesetz und dem Infektionsschutzgesetz (beide von 2001) liberaler und deutlich weniger repressiv.
ZurĂĽck ins Heute
Der Zusammenschluss von DDR und BRD steht sinnbildlich fĂĽr eine gemeinsame Zukunft, fĂĽr das „Grenzen hinter sich lassen“, fĂĽr die Verschmelzung von unterschiedlichen Lebensrealitäten. Die Einheit hat dafĂĽr gesorgt, dass es in Deutschland eine einheitliche Rechtsprechung gibt. DafĂĽr, dass die Bundesrepublik mit der Zeit (wenn auch langsam) Minderheiten, Vulnerable Gruppen und gesellschaftliche Randphänomene mehr und mehr anerkennt und schĂĽtzt. Und genau deshalb mĂĽssen Gesetze von freiheitlich demokratischen und liberalen Parlamenten erlassen und verteidigt werden. Damit das so bleibt, begehen wir gemeinsam den Tag der Deutschen Einheit auch stehen Seite an Seite fĂĽr Vielfalt, Emanzipation, Gleichstellung und Inklusion. Stellen wir uns gemeinsam gegen eine rechtskonservative und rĂĽckschrittige Politik!
Lesetipps:
Steffi BrĂĽning (2024): Prostitution in der DDR, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/themen/prostitution-der-ddr
Die Geschichte von Hydra e.V.: https://www.hydra-berlin.de/verein/geschichte
rde
Hinweis in eigener Sache: In Mecklenburg-Vorpommern ist der Internationale Frauentag ein Feiertag und deshalb ist das Büro nicht besetzt. In dringenden Fällen bitte eine eMail an info@rotlicht.de schreiben..