Querdenken mit MdB Leni Breymaier

Was in Bordellen tatsächlich los ist: „Dort finden tagtäglich unvorstellbare Menschenrechtsverletzungen statt.“

Neulich in der Presse gefunden: die Berliner Morgenpost berichtet in der letzten Woche „Steuermillionen für Bordellbesitzer. Kritik an Corona-Hilfen für Prostitutionsbetriebe – auch wegen Menschenrechtsverletzungen in der Branche“. Darin schreibt der Autor Alessandro Peduto kritisch über die staatliche Überbrückungshilfen für Bordelle und lässt drei Frauen zu Wort kommen. Das ist natürlich völlig legitim und erst einmal keinen Aufschrei wert. Was aber nicht geht sind die zitierten Äußerungen der Bundestagsabgeordneten Leni Breymaier (SPD). Denn diese begibt sich auf eine Argumentations- und Beweisebene, die zur Zeit eher in ganz anderen gesellschaftlichen Lagern zu finden ist.

So nämlich bei jener diffusen Querdenkerbewegung. Dort bediehnt man sich bekanntlich mehr und mehr dem Mittel der Falschbehauptungen, Überspitzungen, Panikmache und erfundenen Verschwörungsmythen. Im Diskurs ist es mehr als mühsam, dem mit quellenrecherchierten Fakten entgegenzutreten. Allein Umgangston und eine von Anstand und Respekt geprägte Redeweise zählen weniger zu den Stärken dieser immer weiter nach rechts rückenden Gruppierung.

Was das mit Frau Breymaier (übrigens zum linken Lager der SPD gehörend) zu tun hat? Frau Breymaier ist bekennende Prostitutionsgegnerin, war im vergangenen Jahr Mitbegründerin des Parlamentskreis „Prostitution wohin?“, ist also , eine Abolitionistin par excellence. Und die Verbreitung von unverschämten Verallgemeinerungen, Überspitzungen und Falschbehauptungen ist ein bekanntes Stilmittel vieler Streiterinnen für ein Prostitutionsverbot. Dabei werden Quellen unterschlagen, Studien falsch widergegeben, Meinungen und Gefühle als empirische Erkenntnisse verkauft. Hierin unterscheidet sich also wenig von den Querdenkern.

„Massive Gewalt, Misshandlung und Ausbeutung von Frauen“

Aber gucken wir uns doch einmal den besagten Artikel an.

Darin behauptet die SPD-Politikerin, Bordelle seien „eben keine Betriebe wie alle anderen. Dort finden tagtäglich unvorstellbare Menschenrechtsverletzungen statt. Es geht hier um massive Gewalt, Misshandlung und Ausbeutung von Frauen“. Woher sie diese Erkenntnisse hat, gibt sie nicht natürlich Preis. Dafür schießt sie weiter: „Zwang ist die Regel.“ So würden die Frauen, die pro Tag 20 bis 30 Freier bedienen müssten, bei Ablehnung eines Freiers von ihrem Zuhälter körperliche Gewalt erfahren. „Das ist die kriminelle Wirklichkeit in einer Branche, die wir gerade mit Steuergeld unterstützen“, weiß die Sozialpolitikerin.

Das es schwarze Schafe unter den Betreibern gibt oder Banden und Klans, die bspw. mit Straßenprostitution Geld machen, ist unwidersprochen. Das sagt Breymaier aber auch gar nicht. Nein, sie behauptet, dass in Bordellen persé Menschenrechtsverletzungen wie körperliche und psychische Gewalt stattfänden. Sie suggeriert ein durch und durch kriminelles Millieu, das sich auf die Ausbeutung von Frauen begründet. Zwischen den Zeilen aber auch, dass Freier Teil dieses ausbeuterischen Systems sind.

Wie unverschämt und bösartig diese pauschalen Behauptungen sind, wird einmal mehr deutlich, wenn man sich die aktuelle Rechtslage in Deutschland anschaut. Denn all das Geschilderte sind anklagbare Straftaten. Hier haben Exekutive und Judikative uneingeschränkte Handlungsbefugnis. Außerdem sieht das seit mehr als drei Jahre gültige Prostituiertenschutzgesetz einen umfassenden Handlungs- und Pflichtkatalog für Betreiber vor. Bordelle sind ferner erlaubnispflichtig, was heißt, sie benötigen ein amtliches OK seiten der örtlich zuständigen Behörde. Verstoßen Betriebe gegen einzelne Auflagen, dann wird ihnen die Bescheinigung entweder erst gar nicht erteilt oder gar wieder entzogen.

Gibt Breymaier ein vollumfängliches Behörden- und Polizeiversagen zu?

Was Breimayer also ohne es zu wollen suggeriert, ist ein vollumfängliches Behörden- und Polizeiversagen. Denn wenn diese ganzen Menschenrechtsverletzungen bekannt seien, dann wären Stadtverwaltungen, Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften Mitwisser und Mittäter. Wir leben in einem Rechtsstaat, in welchem Menschenhandel, Zuhälterei, körperliche Gewalt, Ausbeutung, Nötigung etc.pp. strafbar ist und solcherlei Straftatbestände regelmäßig auch zu Gericht gebracht werden. Dazu haben die Polizei- und Steuerbehörden, sobald es um Prostitution geht, fast unbeschränkten Handlungsspielraum.

Wie können Rechtsbrüche von Seiten der Bordelle in diesem System also möglich sein?

Im besagten Artikel kommt übrigens auch BSD-Sprecherin Stefanie Klee zu Wort. Sie gibt das Fehlen regelmäßiger Kontrollen in den Bordellen zu bedenken:

„Natürlich gibt es auch in unserem Gewerbe Unternehmen, die sich nicht an die Regeln halten. Das ist in jeder Branche so. […] Derzeit schaut der Staat untätig zu, selbst wenn Gesetze verletzt werden.“ Sie sagt aber auch: „Stattdessen wird öffentlich behauptet, in unserer Branche gehe es drunter und drüber und keiner halte sich an irgendwelche Regeln. […] Ich bezahle Steuern. Damit wurde die Lufthansa gerettet und damit wird die Grundsicherung für die Menschen finanziert, die diese Hilfe jetzt brauchen. Warum sollte mein Betrieb jetzt also keine Unterstützung vom Staat bekommen?“

Schwarze Schafe und das Fehlen regelmäßiger Kontrollen, das kenne ich doch irgendwoher? Hmm, lass mich raten. Achja: Tönnies! Somit ist bewiesen – zumindest nach Breymaier: die fleischverarbeitende Industrie ist durchweg schwer kriminell und gehört verboten!

Aber im Ernst, wie kann es möglich sein, dass „massive Gewalt, Misshandlung und Ausbeutung von Frauen“ in deutschen Bordellen und Co. „die Regel“ sind? Genau. Gar nicht.

Ergo sind die von Leni Breymaier postulierten Behauptungen in dieser Weise nicht nur falsch sondern auch äußerst fahrlässig.

rde

Funfact: Die SPD wirbt potentielle Parteimitglieder mit dem Slogan „In die SPD, jetzt erst rest. Für Weltoffenheit und gegen Engstirnigkeit“ an. Anscheinend ist das wohl kein bindender Leitspruch für bereits bestehende Parteimitglieder…

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