Kritik an „Mission Freedom“ und Gaby Wentland. Teil 1

Warum der christliche Verein aus Hamburg, der sich gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution einsetzt, in die Negativschlagzeilen geraten ist.

In jeder Gesellschaft gibt es Ungerechtigkeit und Grausamkeiten, das zieht sich durch alle Epochen und sämtliche sozialen Schichten. Besonders wenn menschliche Grundbedürfnisse, unterschiedliche Moralvorstellungen oder persönliche Triebfedern im Spiel sind, ist die Gleichstellung untereinander nicht unwidersprochen gegeben. Die Ursachen und Motive sind vielschichtig. Das trifft selbstverständlich ganz besonders bei den Themen Menschenhandel und Zwangsprostitution zu.

Und gerade weil Menschenhandel und Zwangsprostitution so sensible Problematiken sind, sollte mit ihnen umso professioneller umgegangen werden. Aber das geschieht leider häufig nicht, vor allem nicht in den öffentlich geführten Debatten. Einseitige Berichterstattung, Tendenzjournalismus, subjektives Empfinden sowie Meinungen und Wertevorstellungen untergraben dann eine zielorientierte Auseinandersetzung.

Auch nicht jede Organisation, die sich den Kampf gegen Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung auf die umgangssprachliche Stirn geschrieben hat, ist vor Fehlern gefeit. So geriet der Hamburger Verein „Mission Freedom“ und dessen Gründerin Gaby Wentland vor kurzem in die mediale Kritik. Spiegel-Online spricht gar von dubiosen Methoden fundamentalistischer Christen. Was war geschehen?:

Der vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) mit dem Bürgerpreis ausgezeichnete Verein machte auf mehreren Veranstaltungen auf unter Zwang arbeitende Prostituierte aufmerksam. Dabei trat „Lisa“, eine Mitzwanzigerin, die als Kind von ihrem Vater missbraucht wurde und später in Hamburg zur Prostitution gezwungen wurde, öffentlich in Erscheinung. Sie schilderte ihr erlebtes Leid und stand Pate für eine große Dunkelziffer von Opfern. Soweit so tragisch. Wie der NDR und die Taz jedoch aufdeckten, sei die Geschichte von Lisa frei erfunden gewesen. So habe sie laut dem Hamburger LKA als Kind gar keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt, demzufolge sei ihre Anschuldigung aus der Luft gegriffen. Weitere Kritikpunkte zu methodischen Fehlern und Ungereimtheiten in der Arbeit von „Mission Freedom“ hoben NDR und Taz hervor, ließen dazu Behörden, Linkspartei und den Weltanschauungsbeauftragten der Nordkirche zu Wort kommen. Die Hamburger Morgenpost und Spiegel Online zogen mit Berichterstattungen nach.

Mission Freedom jedoch bleibt dabei. Es gebe keinen Anlass, dieser Frau nicht zu glauben, erklärt die Gründerin Gaby Wentland auf der offiziellen Vereinswebseite. „Lisa hat auch auf dem Kirchentag vor hunderten von Menschen über ihr Schicksal gesprochen“, so die ehemalige Missionarin. Was Wentland dabei allerdings übersieht, ist, dass eine Aussage vor hunderten von Menschen noch lange kein Beweis für die Richtigkeit einer Aussage ist. Aber wem ist jetzt was Anzukreiden? Lisa oder Gaby? Die Zeitungen haben vor allem Gaby Wentland auf dem Kieker – insbesondere wegen ihres Evangelikalismus‘.

Wer ist Gaby Wentland

Was soll man auch von einer Frau halten, die laut Hamburger Morgenpost aussagte, ihre Organisation sei die einzige, welche von Gott beauftragt ist, Mädchen aus der Prostitution herauszuholen? „Ich will sehen, wie Tausende dieser jungen Frauen zurückgehen in ihre Heimatländer, erfüllt mit dem Heiligen Geist und sagen: Mein Gott kann alles!“, soll Wentland gesagt haben. Dem NDR zufolge seien Sex vor der Ehe oder Homosexualität für sie eine Sünde. Und auch der Spiegel setzt nach. So seien für sie die Folgen von sexuellem Missbrauch heilbar: „Und zwar indem für die Betroffenen gebetet werde.“ Steckt darin schon christlicher Fundamentalismus?

Gaby Wentland, Tochter eines Pastors war schon früh zusammen mit ihrem Ehemann (heute ebenfalls Pastor) in der Welt umhergereist. Über 18 Jahre lang waren sie in Afrika als Missionare tätig. Heute leiten beide die Freie Gemeinde Neugraben, welche zur Pfingstkirche gehört. Daneben ist die 56-jährige Hamburgerin Mitglied im Leitungsteam der Evangelischen Allianz in Hamburg und seit 2011 Vorstandsvorsitzende des Vereins Mission Freedom. Ihre Lebensgeschichte zeigt eine tiefe Verwurzelung mit dem Christentum, einen unerschütterlichen Glauben an Gott und Jesus. Für sich allein ist dies eine Sache, die nicht unbedingt zu Verurteilen ist.

Jetzt sind wir aber wieder bei der Sache mit der Sensibilität des Themas Zwangsprostitution. Wenn also jemand bzw. eine Institution Opferberatung und -betreuung anbietet, eine Art Frauenhaus leitet (Das „Mission Freedom Home“ ist allerdings aufgrund „mangelnder fachlicher Qualität der Arbeit des Vereins“ offiziell nicht als Frauenhaus anerkannt. (taz)) etc., dann sollte die psychologische und pädagogische Betreuung so professionell wie möglich gewährleistet werden. Persönlich subjektives Werte-Empfinden, religiöser Eifer oder gar Missionierung sind da eindeutig fehl am Platz. Und nach Einschätzung des Sektenexperten der Nordelbischen Kirche, Jörg Pegelows, habe Mission Freedom ein „stark missionarisches Interesse“. (taz)

Die Arbeit von Mission Freedom wird sogar soweit als kritisch betrachtet, als dass weder das Landeskriminalamt noch die Sozialbehörde mutmaßliche Betroffene von Menschenhandel an den Verein vermitteln.

rmv

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