Innenministerium hat Kriminalstatistik 2012 online gestellt
Heute hat das Bundesministerium des Innern die Polizeiliche Kriminalstatistik veröffentlicht. Das nehmen wir nun mal zum Anlass, um uns die Straftaten in Bezug auf das Rotlichtgewerbe anzuschauen. Häufig wird ja von Prostitutionsgegnern und sexuell unaufgeschlossenen Personen aufgeführt, dass sich Deutschland seit Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes in „eines der größten Bordelle Europas“ verwandelt habe, dass die Legalisierung der Prostitution hierzulande den Menschenhandel fördere und dadurch Zwangsprostitution floriere. Dunkelziffern hin oder her, die offiziellen Zahlen stehen jedoch auch 2012 wieder in keinem Verhältnis zu jenen populistischen Mutmaßungen.
Zuerst mal aus dem Strafgesetzbuch (StGB) § 232 „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung“ zitiert:
(1) Wer eine andere Person unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder dazu bringt, sexuelle Handlungen, durch die sie ausgebeutet wird, an oder vor dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen oder von dem Täter oder einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer eine Person unter einundzwanzig Jahren zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder zu den sonst in Satz 1 bezeichneten sexuellen Handlungen bringt.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn
1. das Opfer der Tat ein Kind (§ 176 Abs. 1) ist,
2. der Täter das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt oder
3. der Täter die Tat gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, begeht.
(4) Nach Absatz 3 wird auch bestraft, wer
1. eine andere Person mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder zu den sonst in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten sexuellen Handlungen bringt oder
2. sich einer anderen Person mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List bemächtigt, um sie zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder zu den sonst in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten sexuellen Handlungen zu bringen.
(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 3 und 4 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
Sucht man nun die entsprechenden Stellen aus der Kriminalstatistik heraus, so findet man folgendes: 2012 haben die Behörden insgesamt 558 Fälle erfasst (2011 waren es noch 636). Klar, das sind eindeutig 558 Fälle zuviel, aber da die Zahlen seit Jahren rückläufig sind, stimmt doch mit den oben genannten Behauptungen was nicht!
Nimmt man die in Umlauf befindliche, aber rein spekulative Schätzung von 400.000 Prostituierten in Deutschland dazu, dann sind unter all den tätigen Sexarbeiterinnen nur 0,14 Prozent Opfer von Menschenhändlern. Auch bei jener anderen, weniger populären Schätzung von 150.000 Prostituierten ergibt sich ein Prozentsatz von 0,37. Das zum Thema florierender Menschenhandel … Natürlich muss man sich bewusst sein, dass es eine Dunkelziffer gibt und auch ein Tatbestand des „Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft“ gibt (2012 37 erfasste Fälle), aber dennoch sollte man den Schwarzmalern nicht allzu leicht und undifferenziert Glauben schenken.
Und nochmal muss auf die Tatsache im StGB hingewiesen werden, dass bestraft wird, „wer eine Person unter einundzwanzig Jahren zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder zu den sonst in Satz 1 bezeichneten sexuellen Handlungen bringt“. Dass heißt, dass wer unter 21 Jahre alte Personen beschäftigt, automatisch eine Verurteilung befürchten muss, obwohl es laut Prostitutionsgesetz allen Volljährigen, also Über-18-Jährigen erlaubt ist der Prostitution nachzugehen. Damit sind also in die Kriminalstatistik eingeflossene Fälle von Menschenhandel nicht immer auch solche. Die Frauen waren einfach nur 18, 19 oder 20 Jahre alt.
Zurück zur Kriminalstatistik:
Im Sinne des Tatbestandes „Ausübung der verbotenen Prostitution“ (§ 184e StGB), also der Zuwiderhandlung von durch Rechtsverordnung erlassenen Verboten, um der Prostitution an bestimmten Orten oder zu bestimmten Tageszeiten nachzugehen, wurden im vergangenen Jahr 1.439 Fälle zur Anzeige gebracht (1539 im Vorjahr).
Die Gesamtanzahl der erfassten Fälle der Zuhälterei gemäß § 181a StGB – ja, entgegen oft verlautbarten und unwahren Behauptungen gibt es den Tatbestand Zuhälterei noch – beträgt 229 (2011 waren es 238).
Naja, anstatt sich also über die rückläufigen Zahlen zu freuen, werden von Feministinnen und Politikern gegenteilige Behauptungen in Umlauf gebracht. Was soll man davon halten. Ähnlich sieht es in der Debatte zum Menschenhandel in der EU aus, die im April von allen Medien aufgenommen wurde.
Laut Studie zum ‚Menschenhandel in der EU‘ steigt die Zahl der Opfer
Dieser Studie der Europäischen Union zufolge, welche allerdings noch nicht öffentlich vorliegt, seigt die Zahl der als Prostituierte, Zwangsarbeiter oder Bettelkinder ausgebeuteten Menschen in Europa drastisch an. So meldet es z.B. das Onlineportal Welt.de. Was man aber von den „Welt“-Journalisten erwartet, nämlich investigativer Journalismus, fehlt in jenem Beitrag leider immer mal wieder. Aber auch bei Artikeln anderer Tageszeitungen und Nachrichtenportalen. So wird mit einigen Zahlen wild und fantasievoll herumjongliert, bis es in das vorgefertigte Meinungskonstrukt passt.
Beispiel: Laut Studie soll die offizielle Zahl der europaweiten Opfer von Menschenhandel zwischen 2008 und 2010 um rund 50 Prozent von 6309 auf 9528 im Jahr gestiegen sein. Das ist ne Menge, zugegeben und überaus bedenklich.
Allerdings ist die Prozentangabe von 50 ja dermaßen übertrieben. Erstens sind 6309 etwa 40 Prozent von 9528. Zweitens wird nicht angegeben wie diese Zahlen im Verhältnis zu den jeweiligen EU-Staaten stehen. Geht man jetzt einfach mal ein nicht repräsentatives und rein fiktives Zahlenspiel ein, dann ergibt sich folgendes: Teilt man die 9528 Opfer durch die 27 EU-Staaten, dann kommen auf jedes Land nur rund 352 erfasste Fälle von Menschenhandel im Jahr. Hört sich schon ganz anders an. Aber eine Zahl in Höhe von fast 10.000 ist ja psychologisch viel bedeutender …
Nächte Behauptung: „Die Zahl der verurteilten Menschenhändler ist in den Berichtsjahren um 13 Prozent gesunken, von 1534 (2008) auf 1339 (2010). In Deutschland gingen die Verurteilungen in dieser Zeit sogar um 15 Prozent zurück, von 155 auf 131.“ Unerhört, mag man da gleich mal denken. Aber auch hier wird mit der Statistik gespielt wie es die Zeitungsmacher wollen. Schaut man sich die dazugehörige Grafik an, dann ist zu erkennen, dass in der Bundesrepublik gemessen an den erfassten Fällen die Zahl der verurteilten Menschenhändler in etwa gleich blieb. Prozentual bedeutet es: 2008 wurden in ca. 22,4 Prozent der Fälle auch die Täter verurteilt (692 zu 155), 2009 lagen die Verurteilungen bei ca. 20,2 Prozent (733 zu 148) und 2010 bei ca. 20,1 % (651 zu 131). Und schon sieht die Sachlage ganz anders aus …
Prostitution als Gewerbe nicht Stigmatisieren und bei der Wahrheit bleiben!
Natürlich soll hier die Kriminalität im Bereich des Menschenhandels keineswegs klein geredet werden. Doch der mediale und gemeingesellschaftliche Umgang mit dem Thema, vor allem wenn es Überschneidungen zum Thema Prostitution gibt, soll angezweifelt werden. Allzu gern wird ja Zwangsprostitution mit Prostitution unumwunden gleichgesetzt und nicht minder vielen Leuten ist das Thema bezahlter Sex ein Dorn im Auge, am besten solle Prostitution schnellstmöglich stigmatisiert, verboten und bestraft werden, blablabla…
Aber es kann und wird nicht funktionieren, durch ein Verbot von Prostitution den Menschenhandel einzudämmen. Erst einmal hat wie gesagt das eine ja prinzipiell nichts mit dem anderen zu tun. Zweiten wird Prostitution dann in den kriminalisierten Untergrund verbannt und dann war’s das mit den Rechten der Sexarbeiterinnen.
Und wenn die meisten Opfer von Menschenhändlern aus Bulgarien, Rumänien und Co. kommen, dann können doch nur Maßnahmen in jenen Ländern helfen, also Ursachenprävention und weniger erhöhte exekutive Eingriffe andernorts.
rmv