In Wien dĂĽrfen auch Freierinnen ins Bordell

„Nachrichtenportal“ heute.at echauffiert sich grundlos gegen angeblichen „Gender-Wahn“

Das kĂĽrzlich novellierte und heute in Kraft getretene „Gesetz, mit dem die Prostitution in Wien geregelt wird (Wiener Prostitutionsgesetz 2011 – WPG 2011), Fassung vom 18.03.2022“ hat beim Online-„Nachrichtenportal“ heute.at fĂĽr Aufregung gesorgt. „Wien gendert Puff-Gesetz – im Bordell ändert das alles“ titelt die Redaktion, ein Autor ist nicht angegeben, aufgeregt. Zu Wort kommen zudem zwei örtliche Bordell-Größen. Gemeinsam will man erkannt haben, dass diese sprachliche Ă„nderung im Gesetzestext Frauen ab sofort „legal Zutritt in Bordelle“ verschaffe, angeblich sogar „das Wiener Nachtleben auf den Kopf“ stelle. Denn im besagten Gesetz werde neuerdings gegendert – mit Folgen.

Und tatsächlich, im WPG findet man in den entsrechenden Paragraphen nicht nur Freier angesprochen sondern auch Freierinnen. Eine juristisch notwendige Änderung? Die Einführung von gendergerechter Sprache oder einfach nur Aktionismus?

Die Bordellbetreiber erklären: So soll es bis heute „normalen“ Frauen verboten bzw. aus betrieblichen GrĂĽnden untersagt gewesen sein, ein Freudenhaus zu betreten. Zutritt hätten laut dem Artikel also nur sogenannte „Kontrollprostituierte“ gehabt.

Es folgt viel blabla und weitere MutmaĂźungen und „Fachwissen“. Getoppt wird das nur noch in den abwertenden und in platter Stammtischmanier verfassten, genderfeindlichen Kommentaren unterhalb des Beitrags. Aber gut, ist halt Meinung und die ist leider nicht immer sachlich und respekterfĂĽllt.

Jetzt kommt der Haken

heute.at schreit 11 Jahre zu spät auf | Laufhaus-Chefs zeigen völlige Unkenntnis

Als Mecklenburger kennt man sich für gewöhnlich nicht im Detail mit der Rechtslage in Österreich aus. Umso mehr ein Grund immer erst die Sachlage genauer zu betrachten. Was ist dran an den Äußerungen? Warum die Gesetzesanpassung? Und so weiter…
Und schon nach kurzer Suchmaschinenbefragung hab ich zwei Vorgängerversionen des WPG (hier und hier) gefunden. Eine von 2019, die andere von 2018. Und in beiden war bereits von „Freierinnen und Freiern“ die Rede. Hähhh, dachte ich mir sofort. Also weiter gesucht und die ursprĂĽngliche Gesetzesfassung von 2011 rausgesucht (ein Entwurf hier und die fertige Fassung hier). Und wie erwartet, ihr denkt es euch bereits, wir finden beide Formen: Freierinnen und Freier.

Wie absurd der besagte Zeitungsartikel und das aktionistisch neunmalkluge Gerede der beiden Betreiber unter diesem Gesichtspunkt ist. Dass sich diese mit 11-jähriger Verspätung ĂĽber das Gendern pikieren – unfassbar. Und die aufgebrachte Meute im Schlepptau der Kommentarspalten…

Ganz groĂźes Kino meine Herren!

rde

Hintergrund:

In Österreich ist Prostitution seit der Strafrechtsreform 1974 legal. Seit einem OGH-Urteil aus dem Jahr 2012 ist sie nicht länger als sittenwidrig. Da es in der Alpenrepublik kein nationales Bundesgesetz gibt, führt dies zu einer uneinheitlichen Rechtslage. So ibt es eine Vielzahl unterschiedlicher, prostitutionsrelevanter Landes- und Kommunalregelungen. Eine bundesweite Regulierung des Sexmarktes wäre daher zwar vorteilhaft, wenn nicht sogar notwendig. Aktuell ist eine solche aber nicht abzusehen. Das in Wien 2011 in Kraft getretene Prostitutionsgesetz verbannte u.a. den Straßenstrich weitgehend aus Wohngebieten, regelte Anbahnungen zwischen Prostituierten und FreierInnen sowie die Meldepflichten neu.

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