Neue Berliner Justizsenatorin Badenberg bügelt die Fehler ihrer Vorgänger:innen aus | Ein Teil des Geldes soll gespendet werden
Eine neue Wendung im Fall der vor sieben Jahren von den Berliner Behörden eingefädelten und völlig überdimensionierten Mammut-Razzia im Großbordell „Artemis“. Das Land Berlin wird infolge eines gerichtlichen Vergleichs eine Entschädigung und Schadenersatz über 250.000 Euro an die zwei Betreiber des Hauses zahlen. Aus dem Hause der erst kürzlich ernannten Justizsenatorin Badenberg (parteilos) heißt es dazu: „Das Land Berlin bedauert die von den Betreibern und vier Mitarbeiterinnen des Artemis im Jahr 2016 erlittene Untersuchungshaft sowie die Äußerungen von damaligen Vertretern der Staatsanwaltschaft Berlin am 14. April 2016, mit dem schwerste Vorwürfe der Steuerhinterziehung und Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen erhoben wurden, obwohl die Geschäftsführer der Artemis GmbH ihren steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen immer vollumfänglich nachgekommen waren.“
Rückblick: 400 Beamte der Polizei, der Staatsanwaltschaft, der Steuerfahndung und des Zolls stürmten 2016 das 3.000 Quadratmeter große Gebäude. Insgesamt wahren um die 900 Beamte mit der Razzia betraut, hatten zudem mehr als ein Dutzend Wohnungen und Steuerbüros in Berlin, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen durchsucht. Die Vorwürfe: Sexuelle Ausbeutung, Gewaltandrohung sowie insbesondere Steuer- und Sozialbetrug in mehrstelliger Millionenhöhe. Schon drei Monate später wurden die Haftbefehle gegen die beiden Bordellbetreiber, sie befanden sich bis dahin in Untersuchungshaft, wieder aufgehoben. Die Anklagepunkte Steuerhinterziehung und Menschenhandel konnte die ermittelnde Staatsanwaltschaft nicht belegen.
Schon damals fragten wir uns: „Ob das Ganze noch ein negatives Nachspiel für die Berliner Justiz haben wird? Wir werden sehen. Zumindest wird’s heikel, sofern sich alle Verdachtsfälle wirklich als unbegründet und haltlos erweisen sollten.“ Jetzt haben wir die Antwort. Bitter für den Steuerzahler ist nur, dass Badenbergs Vorgängerin, die Linkspolitikerin und Juristin Lena Kreck, in dem Fall keinerlei Einsehen hatte und die im vergangenen Jahr getroffene Entscheidung des Kammergerichts sogar anfocht. Die Entschädigungssumme war da übrigens noch halb so groß.
Bis 2018 lief das juristische Ringen weiter. Die Berliner Staatsanwaltschaft sah noch immer einen Verdacht der Steuerhinterziehung gegeben. Von Zuhälterei indes war keine Rede mehr. Weil aber die Vorwürfe nicht belegt werden konnten, wurde eine Anklage nicht zugelassen, der Fall damit beendet. Nicht aber für das Artemis. Die unrechtmäßige, mehrmonatige Untersuchungshaft, die Anklagepunkte und die verunglimpfenden Äußerungen der Staatsanwaltschaft waren existenzbedrohend und hatten für einen umfänglichen Reputationsschaden gesorgt.
Aber schon der 2016 bis 2021 amtierende Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) zeigte sich äußerst halsstarrig. Uneinsichtigkeit verteidigte er die Rechtmäßigkeit von Razzia und behördlicher Vorgehensweise. Eine Entschuldigung bei den Betreibern war da nicht vorgesehen. Seine Nachfolgerin Lena Kreck, ihres Zeichens überdies Senatorin für Antidiskriminierung, toppte das schließlich mit „Ignoranz den Betroffenen und auch dem Kammergericht gegenüber“, so jedenfalls Rechtsanwältin Margarete Gräfin von Galen.
Laut dem Tagesspiegel wollen die Artemis-Betreiber 100.000 Euro für einen guten Zweck spenden. Zudem sollen die betroffenen Mitarbeiterinnen für die erlittene Untersuchungshaft entschädigt werden. Was dann noch übrig bleibt, komme zusätzlich auf die Spendensumme drauf. Löblich.
rde
Zum Nachlesen:
Großangelegte Razzia im Berliner Artemis – 15. April 2016
Der Fall Artemis: Berliner Bordellbetreiber wieder frei – 1. August 2016
Neues im Fall „Artemis“ – 9. April 2018
Hinter den Kulissen des Artemis – 28. November 2018